Juni 2023 | 
          
            230608 | 
          
            ENERGIE-CHRONIK | 
        
Der Aktienkurs der Siemens Energy AG stürzte am 23. Juni schlagartig um 37 Prozent ab und verfiel anschließend noch weiter. Der Börsenwert des Unternehmens sank dadurch um mehr als sechs Milliarden Euro. Auslöser war eine Ad-hoc-Mitteilung des Unternehmens vom Vortag. Die ohnehin schon negative Gewinnprognose für die Windtochter Gamesa, die einen Nettoverlust von mehr als 800 Millionen Euro erwartete, wurde damit zurückgenommen und durch noch schlechtere Aussichten ersetzt.
"Aufgrund der deutlich erhöhten Ausfallraten bei Windturbinen-Komponenten hat der Verwaltungsrat von Siemens Gamesa eine erweiterte technische Überprüfung der installierten Flotte und des Produktdesigns eingeleitet", hieß es in der Ad-hoc-Mitteilung. "Der derzeitige Stand der technischen Überprüfung legt nahe, dass für die Erreichung der angestrebten Produktqualität bei bestimmten Onshore-Plattformen wesentlich höhere Kosten anfallen werden, als bisher angenommen. Mögliche qualitätsbezogene Maßnahmen und die damit verbundenen Kosten werden derzeit noch bewertet und liegen voraussichtlich bei über 1 Milliarde Euro. Da geplante Verbesserungen der Produktivität nicht in dem bisher erwarteten Umfang eintreten, überprüfen wir zudem die wesentlichen Annahmen, die den Geschäftsplänen zugrunde liegen. Darüber hinaus sehen wir weiterhin Schwierigkeiten beim Hochlauf der Fertigungskapazitäten im Offshore-Bereich."
Die seit Jahren andauernden Probleme bei Gamesa (171009) sind demnach noch größer als bisher angenommen. Vor allem könnten sich aus den Qualitätsmängeln bei Windkraftanlagen langwierige Nachbesserungen und Entschädigungsansprüche in Milliardenhöhe ergeben.
Als Siemens 2016 den spanischen Windkraftanlagen-Hersteller Gamesa mehrheitlich übernahm und mit Siemens Wind Power zusammenlegte, war dies mit großen Hoffnungen verbunden, die neu errungene Position als nomineller Weltmarktführer bei Windkraftanlagen halten und weiter ausbauen zu können (160601). Stattdessen ergab sich bald eine Vielzahl von Problemen, durch die es mit der Auftragslage und dem Börsenwert des neuen Unternehmens abwärts ging (170805, 171009). Das änderte sich auch nicht, als die Gamesa zum größten Geschäftsbereich der Siemens Energy AG wurde, die der Siemens-Konzern vor vier Jahren gründete, um sein Energiegeschäft abzuspalten und separat an die Börse zu bringen (200711, 190503).
Die Hauptursache der chronischen Probleme scheint man im fortdauernden 
    Einfluss der spanischen MInderheitsaktionäre und des von ihnen gestützten 
    Managements gesehen zu haben. Anfang 2022 wurde der bisherige Siemens Energy-Vorstand 
    Jochen Eickholt als neuer Gamesa-Chef mit der Sanierung des Unternehmens 
    beauftragt. 
Neben
 der Streichung zahlreicher Arbeitsplätze 
  und dem Austausch mehrerer Manager kam es zu einem Übernahmeangebot 
  an die spanischen Minderheitsaktionäre, das am 13. Juni endgültig abgeschlossen 
werden konnte und insgesamt 4,05 Milliarden Euro kostete. Noch vor der 
kompletten Einverleibung durch Siemens Energy wurde 
die Windtochter zu Anfang des Jahres von der Börse genommen 
 (230109).