Juni 2023 |
230607 |
ENERGIE-CHRONIK |
"Rechenzentren verbrauchen derzeit mit 16 Milliarden Kilowattstunden (2020) jährlich rund 3 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland, mit steigender Tendenz (circa 6 Prozent pro Jahr). Die dabei ganzjährig erzeugte niedertemperierte Abwärme bleibt bisher in großen Teilen ungenutzt." Diese Feststellung trifft die Bundesregierung in ihrer vom 9. Juni datierten Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU zum Entwurf eines "Energieeffizienzgesetzes", den das Kabinett am 19. April beschloss (230409).
Der Gesetzentwurf enthält in seinem Abschnitt 4 spezielle Vorgaben für große Rechenzentren, die den enormen Stromverbrauch zur Kühlung der Anlagen durch Nutzung der dadurch entstehenden Abwärme effizienter machen sollen. Unter anderem wollte die Union wissen, wieviel Rechenzentren die Bundesregierung selber nutzt, über welche Erfahrungen sie damit verfügt, ob ein erhöhter Bürokratieaufwand auf kleinere Rechenzentren zukomme und ob sie die Ansicht der Branche teile, dass die Nutzung der Abwärme von einer vorherigen Machbarkeitsstudie abhängig gemacht werden müsse.
Wie aus der Antwort hervorgeht, nutzt die Bundesregierung aktuell 105 Rechenzentren in Deutschland. Analog zur Begriffsbestimmung im geplanten Energieeffizienzgesetz, das am 25. Mai vom Bundestag in erster Lesung behandelt wurde, verwendet sie dabei den Begriff "Rechenzentrum" nur für Anlagen mit einem Stromverbrauch ab 200 Kilowatt. Kleinere werden von den Vorschriften des § 11 über "Klimaneutrale Rechenzentren" nicht erfasst (in der ersten Fassung des Referentenentwurfs hatte diese Grenze noch bei 100 Kilowatt gelegen).
Soweit sich die erforderlichen Daten für 94 bzw. 90 dieser vom Bund genutzten Anlagen mit Stand vom Mai 2022 ermitteln ließen, verwerten nur sieben Rechenzentren auch die Abwärme (6,58 Prozent), wobei dies in fünf Fällen durch Anschlüsse an Nah- und Fernwärmenetze geschieht (4,5 Prozent). Die Strom- und Energiekosten konnten für 76 Rechenzentren zusammengestellt werden. Demnach stiegen diese von 2020 bis 2022 um 15,8 Millionen auf 34,6 Millionen Euro, während sich der Stromverbrauch von 182,45 auf 197,53 Gigawattstunden erhöhte. Dieser unverhältnismäßig hohe Kostenanstieg sei "primär auf die gestiegenen Strom- und Energiekosten zurückzuführen", heisst es dazu.
Nach Angaben bzw. Schätzungen des Branchenverbands Bitkom werden in Deutschland insgesamt rund 50.000 Rechenzentren und kleinere IT-Installationen betrieben. Davon haben etwa 3000 eine IT-Anschlussleistung von mehr als 40 Kilowatt. Bei 90 beträgt die Anschlussleistung sogar mehr als 5 Megawatt. Auf diese 90 Rechenzentren entfallen mehr als 45 Prozent aller Rechen-Kapazitäten. Es sei davon auszugehen, dass sich rund 60 Prozent der Kapazitäten in Rechenzentren mit mehr als 100 kW Anschlussleistung befinden.
Bitkom räumt zwar ein, dass die
Nutzung der Abwärme großer Rechenzentren sinnvoll sein könne, will sie aber
von einer Kosten-Nutzen-Bewertung der Abwärmenutzung aus betriebswirtschaftlicher
Sicht abhängig machen. In einer Ende Mai veröffentlichten Stellungnahme lehnte
der Verband das Energieeffizienzgesetz ab, weil es die davon betroffenen Rechenzentren
mit nicht erfüllbaren Vorgaben belaste. Der Standort Deutschland leide schon
heute unter den höchsten Strompreisen in Europa. Das Gesetz werde deshalb
den Ausbau von Rechenzentrumsstandorten verhindern. Dadurch werde "das Erreichen
der Digitalisierungs- und Klimaziele Deutschlands massiv erschwert". Der Branchenverband
vertritt mehr als 2.000 Mitgliedsunternehmen aus der digitalen Wirtschaft.
Laut Lobbyregister gab er 2021 über vier Millionen Euro für die Interessenvertretung
seiner Mitglieder aus und beschäftigte in diesem Bereich bis zu 50 Mitarbeiter.