September 2022

220902

ENERGIE-CHRONIK


 


Die beiden benachbarten Lecks an Nord Stream 1 befinden sich nordöstlich der dänischen Insel Bornholm in der schwedischen Wirtschaftszone, während der Anschlag auf Nord Stream 2 in der dänischen Wirtschaftszone erfolgte. Ein später entdecktes zweites Leck an Nord Stream 2 - ebenfalls in der schwedischen Wirtschaftszone – ist auf dieser Grafik noch nicht vermerkt.

Beide Ostsee-Pipelines wurden im Abstand von 17 Stunden durch Sabotage beschädigt

Am 26. September wurden beide Gaspipelines, die von Russland durch die Ostsee nach Deutschland führen, durch Unterwasser-Explosionen schwer beschädigt. Die erste ereignete sich am Montagmorgen um 2.03 Uhr und beschädigte die Pipeline Nord Stream 1 an zwei nahe beieinander liegenden Stellen in einer Tiefe von etwa 88 Meter nordöstlich der Insel Bornholm. Die zweite folgte um 19.04 Uhr abends und unterbrach die parallel verlaufende Pipeline Nord Stream 2 an einer 70 Meter tiefen Stelle südöstlich von Bornholm.

Die Zeitpunkte der Explosionen konnten anhand von seismologischen Aufzeichnungen ermittelt werden. So entsprach die Erschütterung, die der Sprengsatz an Nord Stream 2 auslöste, derjenigen durch ein Erdbeben der Stärke 2,3. Unklar blieb dagegen vorerst, wer die Sabotageanschläge verübt hat, was er damit erreichen wollte oder wie lange die Sprengsätze bereits an den Leitungen angebracht worden waren.

Angeblich notwendige "Wartungsarbeiten" gingen nahtlos in einen totalen Lieferstopp über

Wegen des ausströmenden Erdgases mussten die beiden Leckstellen vorerst weiträumig für die Schifffahrt gesperrt werden. Da beide Leitungen zwar gefüllt, aber nicht in Betrieb waren, hatten die Anschläge aber keine direkten Auswirkungen auf die ohnehin schon prekäre Versorgungslage in Deutschland und Westeuropa. Die neue Pipeline Nord Stream 2 hatte nach ihrer Fertigstellung wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine sowieso keine Betriebserlaubnis erhalten (220201). Auch über Nord Stream 1 fanden keine Transporte mehr statt, nachdem die Gazprom überraschend erneute Wartungsarbeiten vom 31. August bis zum 2. September angekündigt hatte (220802). Angeblich wollte sie anschließend die Gasmengen, die sie auf ein Fünftel des vertraglich vereinbarten Umfangs reduziert hatte, wieder auf ein Drittel des Normalumfangs erhöhen. Stattdessen gingen die Wartungsarbeiten nahtlos in einen totalen Lieferstopp über. Wie schon üblich, schützte die Gazprom technische Probleme vor. In diesem Fall war es ein angebliches Ölleck, das den sicheren Betrieb einer Gasturbine verhinderte.

Die Anschläge erfolgten höchstwahrscheinlich auf Anweisung des Kremls

Wegen des enormen Aufwandes, den ein solcher Anschlag erfordert, wird als Täter nur ein "staatlicher Akteur" vermutet. Naturgemäß richtet sich der Verdacht vor allem gegen die russische Regierung. Der polnische Ministerpräsident Morawiecki äußerte diesen Verdacht sogar ziemlich unverblümt, indem er davon sprach, es handele sich "wahrscheinlich um die nächste Stufe der Eskalation, mit der wir es in der Ukraine zu tun haben". Für die Täterschaft des russischen Geheimdienstes sprechen auch die beiden erst kurz zurückliegenden Wartungsarbeiten an Nord Stream 1, bei denen zumindest die Sprengsätze an diesen beiden Leitungen hätten entdeckt werden können, falls sie bereits vorher angebracht wurden. Es könnte aber auch sein, dass gerade während dieser Wartungsarbeiten die Sprengsätze angebracht wurden. Das gilt besonders für die angeblich notwendige Wiederholung der Wartung zu Anfang September, für die Gazprom keinerlei plausible Begründung gab.

Der Kreml hat diesen Verdacht mit der üblichen gespielten Empörung zurückgewiesen und stattdessen die USA verdächtigt, weil diese den größten wirtschaftlichen Nutzen von der Zerstörung der Leitungen hätten. Die Anschläge fügen sich aber nur in das Bild einer skrupellos-barbarischen Politik, mit der Putin schon vor seinem Überfall auf die Ukraine in Tschetschenien und Georgien wütete, den syrischen Massenmörder Assad an der Macht halten half, politische Gegner durch Inhaftierung und Mord aus dem Weg räumen ließ oder rechtsextremistische Parteien in Westeuropa unterstützte, während er er zugleich seine "militärische Spezialoperation" gegen die Ukraine mit der angeblich notwendigen Entmachtung von "Neonazis" begründete. Putin und seine Entourage haben deshalb schon seit langem jede Glaubwürdigkeit verloren.

 

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