August 2019

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ENERGIE-CHRONIK


Russland ist für Deutschland der wichtigste Lieferant von Rohöl, gefolgt von Norwegen und Großbritannien. Die beiden weltweit größten Öl-Förderer spielen eine vergleichsweise unbedeutende Rolle: Aus den USA kamen im Januar dieses Jahres gerade mal vier Prozent. Die Importe aus Saudi-Arabien sind in dieser Grafik unter "Sonstige" enthalten. Unter den namentlich genannten Förderländern ist die OPEC durch Libyen und Nigeria vertreten. xxxxx Wegen vermehrter Importe aus anderen Ländern war der Bezug von russischem Rohöl schon zu Jahresbeginn geringer als im Vorjahr. Die Halbierung im Mai ist dagegen auf die Verstopfung der "Druschba"-Pipeline mit verschmutztem Öl zurückzuführen, die auch im Juni erst teilweise behoben war.

Wurde das Öl aus Russland durch Schlamperei oder absichtlich verschmutzt?

Noch immer lagern Hunderttausende von Tonnen verschmutzten Öls entlang der von Russland über Weißrussland und Polen nach Deutschland führenden "Druschba"-Pipeline, berichtete am 22. August die FAZ. Die Verstopfung der Pipeline durch unbrauchbares Öl konnte dagegen inzwischen behoben werden. Unklar bleibt weiter, ob die Verschmutzung durch Fahrlässigkeit, absichtliches Handeln oder ein Zusammenwirken beider Faktoren zustande kam. Die Affäre fand relativ wenig Aufmerksamkeit. Offenbar liegt dies daran, dass die deutsche Mineralölwirtschaft und die unmittelbar Beteiligten sie möglichst totgeschwiegen haben. Hinter den Kulissen wird nun um Schadenersatzforderungen gestritten.

Über die Druschba wickelt Russland den Großteil seiner Rohölexporte ab. Die Pipeline hat drei Hauptstränge, die von Weißrussland aus nach Westen über Polen nach Deutschland, nach Nordwesten ins Baltikum und nach Südwesten durch die Ukraine nach Ungarn sowie nach der Slowakei und Tschechien führen. Der westliche Strang versorgt deutsche Abnehmer mit jährlich rund 20 Millionen Tonnen Rohöl. Größte Kunden sind die ostdeutschen Raffinerien in Schwedt und in Leuna, die Shell bzw. Total gehören.

Weißrussland schlug als erster Alarm

Die Verschmutzung wurde zuerst in Weißrussland entdeckt. Am 19. April schlug der dortige Ölkonzern Belneftechim Alarm, weil das russische Öl bis zu hundertmal mehr Chloride enthielt, als erlaubt war. Diese Salze werden bei der Ölförderung verwendet, um den Ertrag zu steigern. Allerdings müssen sie anschließend wieder herausgefiltert werden, bevor das Rohöl verarbeitet werden kann. Andernfalls kann eine Salzsäurelösung entstehen und die Raffinerien beschädigen. Russischen Medien zufolge floss kontaminiertes Öl im Wert von 2,6 Milliarden Dollar westwärts, bevor die Pipeline Ende April vorläufig stillgelegt wurde.

Polen machte sich die Entsorgung des verseuchten Öls zu einfach

Am 5. Juli musste Shell die PCK-Raffinerie in Schwedt erneut schließen, weil das dort ankommende Öl in unzulässiger Weise mit Chloriden belastet war. Dieses Mal dauerte die Unterbrechung aber nicht vier Wochen, sondern nur einen Tag. Wo die Ursache lag, wollte Shell nicht sagen. Anscheinend war sie dieses Mal beim polnischen Netzbetreiber PERN zu suchen, der unbrauchbares Chlorid-Öl mit frischem Rohöl verschnitten hatte. Das ist im Grunde auch die einzig praktikable Methode, um es irgendwie wieder loszuwerden. Die Polen hatten aber das Mischungsverhältnis allzu großzügig bemessen.

Putin spricht von Betrug und Imageschaden

Da der Kreml sowohl die Ukraine als auch Weißrussland gern vereinnahmen würde, gab es sofort Spekulationen, ob es sich um eine Aktion gegen diese Länder handeln könnte. Dafür gibt es freilich keine Anhaltspunkte, zumal Russland seinen eigenen Wirtschaftsinteressen am meisten schaden würde. Insofern war es auch kein bloßes Theater, wenn Putin sich entrüstet zeigte: "Es wurde betrogen, und wir haben einen enormen ökonomischen und vor allem einen Imageschaden", erklärte der Kremlchef und verlangte vom Pipeline-Betreiber Transneft eine sofortige Änderung der Sicherheitskontrollen. Dieser hatte bisher die Qualität des Rohöls nur alle zwölf Tage überprüft.

"Die russischen Behörden brauchen einen Sündenbock"

Wie die "Neue Zürcher Zeitung" (7.6.) berichtet, haben die russischen Strafverfolgungsbehörden vier Personen verhaftet, weil sie über eine kleine Raffinerie in der Wolgaregion Samara Rohöl gestohlen und durch verunreinigtes Öl ersetzt hätten. Verdächtigt werde auch der frühere Besitzer dieses Öl-Terminals, Roman Truschew, der sich seiner Festnahme vorläufig durch die Nicht-Rückkehr aus der Schweiz entzogen hat. "Die Behörden brauchen dringend ein Opfer, einen Sündenbock", habe Truschew zu den Vorwürfen erklärt: Erstens sei er zum Zeitpunkt, als die Verunreinigungen entdeckt wurden, nicht mehr der Besitzer des Terminals gewesen. Zweitens sei es technisch unmöglich, eine so große Menge an Erdöl über ein Terminal mit solch geringer Kapazität zu verunreinigen.

Wer aber könnte es sonst gewesen sein? Die Moskauer NZZ-Korrespondenten formulieren es in ihrem Bericht so: "Die wahrscheinlichste Theorie ist, dass sich eine Mischung aus veralteter Infrastruktur, lückenhafter Kontrolle, Inkompetenz, Gier und Vertuschung zusammengebraut hatte; was eine kriminelle Handlung dennoch nicht ausschliesst."