Januar 2019

190108

ENERGIE-CHRONIK


 


Nicht in der Dritten Welt, sondern in Kalifornien wurde dieser Eckmasten eines Verteilernetzes von der Forstbehörde als Ursache eines Brandes identifiziert. Das Foto trägt den Vermerk: "Close-up of crossarms on burnt-through corner power pole."
Foto: Cal Fire / J. Engel

Größter Energieversorger der USA muss erneut Schutz vor Gläubigern beantragen

Die Pacific Gas & Electric Corporation (PG & E) hat am 29. Januar den Schutz vor Gläubigern gemäß Abschnitt 11 des US-Insolvenzrechts beantragt. Der Grund sind Schadensersatzforderungen von bis zu 30 Milliarden Dollar, die wegen der Waldbrände in Kalifornien auf sie zukommen. Eine Untersuchung hat ergeben, dass die Stromleitungen des Unternehmens in den Jahren 2014 bis 2017 insgesamt 1.500 Brände ausgelöst haben. Es wird vermutet, dass so auch die jüngste Katastrophe im Oktober 2018 zustande gekommen ist, bei der 14.000 Häuser niederbrannten und 85 Menschen ums Leben kamen.

Schlampig gebaute und gewartete Verteilerleitungen sind immer wieder die Ursache von "Wildfires"


Als Folge der Waldbrände fiel der Kurs der PG&E-Aktie bis 15. November von 48,8 auf 17,74 Dollar. Es folgte eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau, die aber nicht lange anhielt: Nach der am 14. Januar erfolgten Mitteilung, sich bis Ende des Monats unter den Schutz von "Chapter 11" begeben zu wollen, stürzte die Aktie binnen drei Tagen auf 6,36 Dollar.

PG & E beliefert in Kalifornien 5,4 Millionen Kunden mit Strom und 4,3 Millionen mit Erdgas. Mehr Kunden hat kein anderes Energieunternehmen in den USA. Das Unternehmen hat rund 20.000 Mitarbeiter. Als vertikal gegliederter Stromversorger, der auch über eigene Erzeugung verfügt, gehört ihm ein 106.681 Kilometer langes Verteil- und ein 18.466 Kilometer langes Transportnetz. Der eigentliche Netzbetrieb obliegt dem halbstaatlichen Unabhängigen Systembetreiber CAISO. Für Bau und Unterhaltung der Leitungen ist aber PG & E verantwortlich.

Und in diesem Bereich gibt es nicht nur in Kalifornien erhebliche Mängel. Bei aller Unterschiedlichkeit der stromwirtschaftlichen Systeme in den einzelnen Bundesstaaten der USA ist die Solidität der Verteilnetze allgemein geringer als hierzulande. In den jährlichen Berichten des kalifornischen "Department of Forestry and Fire Protection" (Cal Fire) über die Ursachen von "Wildfires" tauchen deshalb immer wieder die Leitungen von PG & E als Auslöser auf.

Meistens sind umgefallene Bäume die Auslöser

Beispielsweise hat die Behörde festgestellt, dass von den 21 größten Bränden im Herbst 2017 in Nordkalifornien mindestens 17 durch Stromleitungen, Masten und andere Netzinstallationen von PG & E verursacht wurden. Allein im Oktober 2017 mussten mehr als 11.000 Feuerwehrleute aus 17 Bundesstaaten und Australien zur Bekämpfung von über 170 Bränden eingesetzt werden, wobei in zwölf Fällen das Netz von PG & E als Ursache ermittelt werden konnte. Meistens waren Bäume oder Äste entlang der Trassen nicht hinreichend zurückgeschnitten worden, weshalb sie auf die Stromleitungen fielen und einen Kurzschluss herbeiführten. An zweiter Stelle folgte das Versagen der (hölzernen) Masten oder anderen Teilen der Netzinstallation (siehe PDF).

Schon vor den verheerenden Bränden im vergangenen Herbst hatte PG & E die vorbeugende Abschaltung einzelner Kunden angekündigt, um unter bestimmten Witterungsbedingungen keine Brände zu verursachen. Zum Großteil haben die regelmäßig grassierenden Feuer natürlich auch andere Ursachen, von der weggeworfenen Zigarette bis zur Motorsense, die einen Stein schrammt und Funken schlägt. Bewaldete Gebiete sind zwar problematisch, wenn kein hinreichender Abstand zu Leitungen eingehalten wird. Wenn nach Waldbränden gerodet wird und ein steppenartiger Bewuchs entsteht, können sich Feuer aber bei starkem Wind noch schneller ausbreiten und so beispielsweise die Bewohner einer Stadt wie Paradise überraschen, wo im November 13.000 Häuser größtenteils zerstört wurden und mehr als achtzig Menschen ums Leben kamen.

Schon 2001 entging PG & E nur knapp der Insolvenz

Es ist bereits das zweite Mal, dass PG & E den Schutz von "chapter 11" des US-Konkursgesetzes beantragt (010522). Schon vor 18 Jahren zog das Unternehmen auf diese Weise die Notbremse, um eine endgültige Insolvenz zu verhindern. Damals war der Anlass eine Stromversorgungskrise, die sich Anfang 2001 immer mehr zuspitzte (010125). Sie entstand aus dem Mangel an Kraftwerksreserven, als der Verbrauch infolge kühler Witterung stark zunahm. Allerdings hegte der Unabhängige Systembetreiber CAISO den Verdacht, dass dieses technische Problem künstlich herbeigeführt wurde, indem die Stromerzeuger das Angebot an elektrischer Energie absichtlich verringert hatten, um die Preise in die Höhe zu treiben. Im folgenden Jahr bestätigte der Enron-Skandal (011115) diesen Verdacht auch für andere Bereiche der US-Stromversorgung, und der Finanzchef des Unternehmens wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt (040116). PG & E gelang es damals unter dem Schutz von "chapter 11", sich mit den Gläubigern zu einigen und so die Insolvenz abzuwenden.

 

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