Februar 2017 |
170214 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Bundestag beschloß am 16. Februar verschiedene Änderungen der Insolvenzordnung. Sie erschweren es künftig den Insolvenzverwaltern, bereits geleistete Zahlungen eines Pleite-Unternehmens mit dem Argument zurückzufordern, die Zahlungsunfähigkeit sei absehbar gewesen und der Empfänger sei deshalb gegenüber anderen Gläubigern in unrechtmäßiger Weise bevorzugt worden. Die Neuregelung soll vor allem Arbeitnehmer und Mittelständler vor plötzlichen Rückforderungen schützen. Zu den Nutznießern gehören aber auch zahlreiche Netzbetreiber und Energielieferanten, die neuerdings von Insolvenzverwaltern mit einer wahren Flut von Rückzahlungs-Klagen überzogen worden sind (siehe 161011und Hintergrund).
"Das ist eine gute Nachricht für alle Versorgungsunternehmen der Energie- und Wasserwirtschaft und ihre Kunden", erklärte der Chef des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Stefan Kapferer. "Endlich reagiert der Gesetzgeber und korrigiert eine Rechtsprechung, die zu erheblicher Unsicherheit geführt hat." Die bisherige Regelung habe zu unzumutbaren Ausfallrisiken geführt. Zunehmend hätten Insolvenzverwalter erhebliche Summen zurückgefordert, obwohl die Unternehmen lediglich ihrem gesetzlichen Versorgungsauftrag nachgekommen seien. In Einzelfällen hätten diese Rückforderungen bis zu mehrere hundert Millionen Euro betragen.
Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) begrüßte die Reform ebenfalls. Die Erschwerung der Vorsatzanfechtung schaffe mehr Planungssicherheit für die Gläubiger. Positiv sei ferner der Verzicht auf die Einführung eines "Fiskusprivilegs", mit dem es Finanzämtern und Sozialkassen ermöglicht worden wäre, sich gegenüber anderen Gläubigern einen Vorteil zu verschaffen.
Bislang konnten Insolvenzverwalter die angefochtenen Zahlungen bis zu zehn Jahre zurückfordern. Nun wird diese Frist auf vier Jahre verkürzt. Die Vereinbarung einer Ratenzahlung gilt nicht mehr automatisch als Indiz dafür, daß der Empfänger von der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens wußte. Wenn den Zahlungen eine unmittelbar erbrachte Lieferung oder Leistung zugrunde lag, genügt es nicht mehr, daß die Zahlungsunfähigkeit absehbar war. Der Empfänger muß vielmehr definitiv um die Zahlungsunfähigkeit gewußt haben. Eine Verzinsung des angefochtenen Betrags erfolgt nun erst ab dem Zeitpunkt der Rückforderung, während sie bisher automatisch mit der Insolvenzeröffnung begann. Lohnzahlungen können künftig nicht mehr angefochten werden, wenn sie spätestens drei Monate nach der Arbeitsleistung erfolgten.
Erfolgreiche Rückforderungen vermehren mit der Insolvenzmasse auch die Einkünfte der Insolvenzverwalter. Es nimmt deshalb nicht wunder, daß dieses Instrument in einer Weise strapaziert wurde, die mehr den Interessen der Insolvenzverwalter als denen der Gläubiger diente. Ein besonderer Mißstand war die nachträgliche Rückforderung von Lohnzahlungen. In ihrem Koalitionsvertrag vom November 2013 hatten Union und SPD deshalb vereinbart, "das Insolvenzanfechtungsrecht im Interesse der Planungssicherheit des Geschäftsverkehrs sowie des Vertrauens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ausgezahlte Löhne auf den Prüfstand stellen". Zugleich sollten damit Widersprüche in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Insolvenzanfechtung beseitigt werden, die zwischen dem Bundesarbeitsgericht und dem Bundesgerichtshof entstanden waren.
Dennoch dauerte dauerte es fast vier Jahre, bis die jetzt beschlossene Lösung zustande kam. Dies lag vor allem am Streit um das "Fiskusprivileg", mit dem die Union den Finanzämtern und anderen staatlichen Gläubigern einen bevorzugten Zugriff auf die Insolvenzmasse einräumen wollte. Am Ende blieb es bei der alten Regelung. Die SPD mußte ihrerseits auf einen noch weitergehenden Schutz von Lohnzahlungen verzichten.
Auch die Grünen stimmten dem schwarz-roten Kompromiß zu. Dagegen verweigerte die Linke dem Gesetz ihre Zustimmung, weil es die Arbeitslöhne noch immer nicht hinreichend dem Zugriff des Insolvenzverwalters entziehe. "Auch zukünftig gibt es Mittel und Wege, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um ihren Lohn zu bringen", meinte der Linke-Abgeordnete Richard Pitterle. "Für die Linke ist das nicht akzeptabel. Arbeitslohn darf niemals zur Disposition von Gläubigern und Insolvenzverwaltern stehen."