Dezember 2016 |
161210 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) muß den neu gegründeten Stuttgarter Stadtwerken auch Hochspannungsleitungen (110 Kilovolt) und Hochdruck-Gasleitungen überlassen, soweit diese für den Verteilnetzbetrieb auf lokaler Ebene erforderlich sind. So entschied am 20. Dezember die Handelskammer des Landgerichts Stuttgart, vor dem die Stadtwerke-Tochter Stuttgart Netze GmbH geklagt hatte. Es ist allerdings fraglich, ob die EnBW bzw. deren Tochter Netze BW GmbH das Urteil akzeptiert. Vermutlich wird der seit zwei Jahren anhängige Rechtsstreit (140806) erst vom Bundesgerichtshof entschieden.
Die Stadt Stuttgart und die EnBW haben sich 2014 auf ein Kooperationsmodell zur Rekommunalisierung der Strom- und Gasversorgung geeinigt. Der bisherige Konzessionsinhaber und Netzeigentümer EnBW bleibt dabei als technischer Partner an Bord und wird zu einem Viertel am Gesamtgeschäft beteiligt. Für den Betrieb der Strom- und Gasnetze wurde die Stuttgart Netze Betrieb GmbH gegründet, an der die EnBW mit 74,9 Prozent und die Stadt mit 25,1 Prozent beteiligt ist. Parallel dazu übernahm die Stadtwerke-Tochter Stuttgart Netze GmbH von der EnBW das Eigentum an den Strom- und Gasnetzen. Anfang 2019 sollen beide Unternehmen zu einer "Großen Netzgesellschaft" verschmolzen werden, die dann mehrheitlich der Stadt und zu 25,1 Prozent der EnBW gehören wird (140306).
Die beiden Partner sind allerdings auch Prozeßgegner geworden, weil die EnBW bzw. deren Tochter Netze BW GmbH als Altkonzessionär bisher nicht bereit ist, der Stuttgart Netze GmbH auch das Eigentum an den Hochspannungsleitungen und Hochdruck-Gasleitungen zu überlassen. Aus Sicht der EnBW gehören diese Leitungen zu überörtlichen Netzen. Sie seien deshalb von der Konzessionsvergabe nicht betroffen, obwohl sie auf dem Gebiet der Stadt Stuttgart verlegt wurden und für den Betrieb der Mittel- und Niederspannungsleitungen des kommunalen Stromnetzes bzw. des Niederdruck-Gasverteilnetzes unbedingt erforderlich sind.
Das Energiewirtschaftsgesetz macht in § 46, Abs. 2, Satz 2 den Anspruch auf die Übereignung von Leitungen nicht von der Spannungsebene abhängig, sondern davon, ob die Leitung für den Betrieb des Verteilnetzes notwendig ist. Dieser Auffassung ist jetzt auch das Landgericht Stuttgart gefolgt. Auf welche Leitungen dieses Kriterium zutrifft, müßte im Einzelfall noch geklärt werden, falls die EnBW das Urteil akzeptiert. Daß ihr das schwerfällt, hat verständliche Gründe: Letztendlich geht es bei dem Prozeß hauptsächlich um die Netzentgelte, die je nach Zuordnung der Leitungen von den Stadtwerken oder der EnBW kassiert werden dürfen. Den Streitwert hat das Gericht mit 30 Millionen Euro festgesetzt.