April 2016

160409

ENERGIE-CHRONIK


465 Tonnen schwerer Dampferzeuger fiel auf Reaktorbehälter


Da war es schon vorbei: Das Umkippen des 22 Meter hohen Dampferzeugers und sein Aufschlagen auf dem Reaktorbehälter wurde vom KKW-Personal zwar am Bildschirm verfolgt, aber nicht aufgezeichnet.

Im französischen Kernkraftwerk Paluel ist beim Auswechseln der Dampferzeuger einer der Kolosse umgestürzt und mit seinem vollen Gewicht von 465 Tonnen auf den Deckel des Reaktorbeckens geknallt. Der Vorfall ereignete sich am 31. März im Zuge der Hauptrevision, die alle zehn Jahre stattfindet. Die Wiederinbetriebnahme des beschädigten Reaktors 2 verzögert sich dadurch um Monate. Die Electricité de France (EDF) will dem Unfall keine sicherheitstechnische Bedeutung beimessen, da der Reaktor schon seit Mai 2015 abgeschaltet war und sich auch keine Brennstäbe im Reaktorbecken befanden, als dieses von dem umgekippten Dampferzeuger beschädigt wurde. Die französischen Kernkraftgegner sehen das allerdings anders.

Mechanismus zur langsamen Absenkung versagte

Bei Druckwasserreaktoren bilden die Dampferzeuger die Schnittstelle zwischen dem radioaktiven und dem nichtradioaktiven Teil der Anlage. Sie verwandeln die Hitze des Primärkreislaufs, in dem das von den Brennelementen erhitzte Wasser unter Druck steht und deshalb nicht sieden kann, in Dampf für den Sekundärkreislauf, der die Turbinen antreibt. Im Reaktor 2 von Paluel waren insgesamt vier solcher Dampferzeuger auszuwechseln. Der Unfall passierte, nachdem einer der 22 Meter hohen Behälter von einem Laufkran aus dem Reaktorbecken herausgehoben und auf eine Transportvorrichtung gestellt worden war. Der Dampferzeuger hätte nun aus der aufrechten Position in die Horizontale gebracht werden müssen, um ihn dann durch eine Schleuse im Reaktorbehälter nach außen zu befördern. Aus unbekannten Gründen versagte aber der Mechanismus, der diese langsame Absenkung besorgen sollte. Stattdessen kippte der Dampferzeuger in voller Länge um. Beim Sturz auf den Reaktorbehälter beschädigte er die Schutzabdeckung, mit der dieser versehen worden war, um die Wartungsarbeiten zu erleichtern (siehe Foto).

Böses Omen für die geplante Laufzeiten-Verlängerung aller französischen Reaktoren

Die Anti-Kernkraft-Organisation "Sortir du nucléaire" verwies am 22. April darauf, daß die EDF mit der Überholung des Reaktors 2 im Kernkraftwerk Paluel das großangelegte Wartungsprogramm gestartet habe, mit dem sie die Verlängerung der Laufzeiten ihrer 58 Reaktoren rechtfertigen will. Bisher wurde diese Laufzeit mit vierzig Jahren veranschlagt. Ende Februar hatte die Energie- und Umweltministerin Ségolène Royal jedoch wissen lassen, daß eine Verlängerung auf fünfzig Jahre beabsichtigt sei, sofern die Atomaufsicht ASN zustimme. EDF-Chef Jean-Bernard Lévy sprach sogar von einer Verlängerung auf "50 und 60 Jahre".

Für die Kernkraftgegner vermittelt der Unfall mit dem Dampferzeuger einen Vorgeschmack auf die Probleme, die sich bei weiteren Generalüberholungen der französischen Reaktoren ergeben. Dieses Programm erfordere schwierige und mitunter neuartige Prozeduren, deren Durchführung die EDF größtenteils externen Dienstleistern überlasse, was die Situation noch kompliziere. Allein die Wartungsarbeiten am Reaktor 2 in Paluel seien bisher von 22 mehr oder weniger schwerwiegenden "Vorkommnissen" begleitet worden. So habe man im Juli 2015 ein Feuer im Maschinenraum erst nach sechs Stunden löschen können. Zwei Wochen nach dem Unfall mit dem Dampferzeuger habe es erneut Brandalarm gegeben.

 

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