März 2013

130315

ENERGIE-CHRONIK


Pfründen-Affäre bei den Stadtwerken Lübeck

Bundesweite Aufmerksamkeit fand im März eine Affäre bei den Stadtwerken Lübeck, die ein Schlaglicht auf die noch immer mangelnde Transparenz bei der Vergabe von Posten und Gehältern in kommunalen Unternehmen wirft: Der Betriebsratsvorsitzende Jürgen Oelrich hatte ein außertarifliches Gehalt von jährlich 115.000 Euro bezogen, das ungefähr dreimal so hoch war wie das tarifmäßige Gehalt, das ihm als Elektromeister zugestanden hätte. Außerdem wurden ihm ein Dienstwagen und großzügige Spesenabrechnungen bewilligt. Um das hohe Gehalt zu rechtfertigen, hatte man für ihn sogar einen Frühstücksdirektor-Posten in Form des "stellvertretenden Leiters der zentralen Arbeitsvorbereitung" geschaffen, den er als freigestellter Betriebsrat aber nie ausübte.

Staatsanwaltschaft prüft Verdacht auf Untreue

Daß der Betriebsratsvorsitzende sogar 2000 Euro mehr verdiente als der Lübecker Bürgermeister fiel der Geschäftsführung erst im vergangenen Jahr auf, nachdem das Finanzamt bei einer Überprüfung die Spesen beanstandet hatte, die Oelrich über eine ihm zur Verfügung gestellte Firmenkreditkarte abrechnen durfte. Die ergiebige Pfründe war ihm offenbar von dem früheren Geschäftsführer eingeräumt worden, der seit 2011 im Ruhestand ist. Wie die Staatsanwaltschaft Lübeck am 13. März mitteilte, geht sie dem Verdacht auf Untreue nach. Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) beauftragte eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Überprüfung der Geschäftsunterlagen. Am 21. März beschloß die Bürgerschaft, daß ihr Hauptausschuß als Sonderausschuß tätig werden soll, um die Affäre aufzuklären.

Verquere Fronten innerhalb der Stadtwerke

Das üppige Gehalt verstieß auch gegen das Betriebsverfassungsgesetz, wonach Betriebsräte wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Die nunmehr verfügte Kürzung seiner Bezüge um 60 Prozent wollte Oelrich aber nicht hinnehmen. Die Stadtwerke-Holding gab deshalb für 15.000 Euro ein Rechtsgutachten in Auftrag, das den Tatbestand einen verbotenen Begünstigung bejahte. Die Stadtwerke selber sahen dies aber anscheinend anders, denn sie beauftragten für weitere 19.000 Euro einen zweiten Gutachter, der eine Begünstigung nicht zu erkennen vermochte. Auch der Vorwurf des Spesenbetrugs stand im Raum. Der Betriebsrat verweigerte jedoch seine Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung Oelrichs, worauf die Geschäftsführung ein Zustimmungungsersetzungsverfahren nach § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes beim Arbeitsgericht beantragte. Ende März war das arbeitsgerichtliche Verfahren noch nicht abgeschlossen.

Unterstützung erhielt der fristlos gekündigte Betriebsratsvorsitzende von der Gewerkschaft Ver.di, deren Sekretär Andreas Wübben gemeinsam mit Oelrich im Aufsichtsrat der Stadtwerke sitzt. Auf einer Protestkundgebung am 5. März wetterte Wübben gegen die "Zerschlagung der Mitbestimmungskultur bei den Stadtwerken" und einen "Führungsstil nach Gutsherrenart", der dort eingezogen sei. Oelrich selber präsentierte sich als Opfer einer Intrige. Er behauptete, von einer "schwarzen Liste" erfahren zu haben, auf der vierzig weitere Namen von Stadtwerke-Beschäftigten stünden.

Für den Aufsichtsrat werden Gehälter erst ab 150.000 Euro relevant

Keine gute Figur machte in der Affäre auch der der ehemalige Landesfinanzminister Claus Möller (SPD), der seit Juli 2008 dem Aufsichtsrat der Stadtwerke vorsitzt – mit dem jetzt gefeuerten Jürgen Oelrich als einem der beiden Stellvertreter. Mit dem Argument, daß der Aufsichtsrat erst für Gehälter ab 150.000 Euro zuständig sei, wies er jede Mitverantwortung von sich. Dem Vernehmen nach endet die außertarifliche Bezahlung bei den Stadtwerken just unterhalb dieser Grenze.

Die von persönlichem und politischem Filz geprägte Affäre könnte sogar die Rekommunalisierung der Stadtwerke Lübeck verhindern, die von der SPD als dominierender politischer Kraft in der Bürgerschaft angestrebt wird. Der dänische Energiekonzern Dong will nämlich seine vor acht Jahren erworbene Minderheitsbeteiligung an den Stadtwerken (041111) wieder abstoßen. Um das Vorkaufsrecht auszuüben, müßte die Stadt Lübeck erhebliche Mittel lockermachen. Unter solchen Umständen werden die Bürger nur schwer davon zu überzeugen sein, daß sich der Aufwand lohnt.

"Die Bürger müssen wissen, was die Beschäftigten in den Firmen verdienen, die letztlich dem Steuerzahler gehören", umriß Rainer Kersten vom Bund der Steuerzahler in Schleswig-Holstein den Kern des Problems. In Lübeck habe sich die früher verbreitete Praxis gehalten, in städtischen Firmen exorbitant hohe Gehälter für sogenannte Versorgungsposten zu zahlen und politischen Freunden zuzuschanzen.

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