November 2012 |
121113 |
ENERGIE-CHRONIK |
Ein Urteil des Bundesgerichtshofs hat die LSW LandE-Stadtwerke Wolfsburg GmbH & Co. KG in Verlegenheit gebracht und dürfte auch sonst einige Probleme aufwerfen: Nach der höchstinstanzlichen Entscheidung steht die Bezeichnung "Stadtwerke" im Firmennamen nur solchen Versorgern zu, die tatsächlich mehrheitlich im Besitz eines kommunalen Eigentümers sind. Das ist bei dem im Oktober 2005 gegründeten Gemeinschaftsunternehmen der LandE GmbH und der Stadtwerke Wolfsburg aber nicht der Fall.
Die LSW LandE-Stadtwerke Wolfsburg GmbH & Co. KG gehören zu 43 Prozent den Stadtwerken Wolfsburg, die ihrerseits vollständig in kommunalem Besitz sind. Den größeren Anteil hält aber die LandE GmbH, die zu 69,57 Prozent der E.ON Avacon gehört. Das Unternehmen genügt deshalb nach dem BGH-Urteil nicht den Kriterien für "Stadtwerke". Es figuriert zwar meistens nur unter dem Kürzel LSW, hat aber den offiziellen Namen bisher nicht geändert. Auf Anfrage der ENERGIE-CHRONIK teilte die LSW mit, daß man noch mit der Prüfung des BGH-Urteils befaßt sei. Nach deren Abschluß würden "alle notwendigen Schritte eingeleitet".
Der Leitsatz des am 13. Juni ergangenen BGH-Urteils lautet folgendermaßen:
"Der durchschnittlich informierte Verbraucher wird regelmäßig annehmen, dass ein Unternehmen, in dessen Firma der Bestandteil 'Stadtwerke' enthalten ist, zumindest mehrheitlich in kommunaler Hand ist, sofern dem entgegenstehende Hinweise in der Unternehmensbezeichnung fehlen. Als aufklärende Hinweise reichen in diesem Zusammenhang Bestandteile der geschäftlichen Bezeichnung des Unternehmens nicht aus, die der Verkehr als Phantasiebezeichnungen auffaßt und denen er keinen Hinweis auf einen weiteren Gesellschafter entnimmt." (Aktenzeichen I ZR 228/10)
Das BGH-Urteil bestätigte vorangegangene Entscheidungen des Oberlandesgerichts Braunschweig und des Landgerichts Braunschweig, die eine "negative Feststellungsklage" der LSW abgewiesen hatten: Die LSW wollte sich bescheinigen lassen, daß sie rechtlich nicht daran gehindert werden könne, das Wort Stadtwerke in ihrem Firmennamen zu führen. Sie war nämlich von den Stadtwerken Barmstedt abgemahnt worden, die darin eine Irreführung der Verbraucher sahen.
Die Abmahnung aus Barmstedt war wiederum eine Art Retourkutsche, nachdem der LSW-Hauptgesellschafter E.ON Avacon die Stadtwerke Barmstedt vor dem Landgericht verklagt hatte: Die E.ON Avacon wollte nicht hinnehmen, daß diese ihren Strom im benachbarten Lüneburg unter der Bezeichnung "Stadtwerke in Lüneburg" anboten. Anfangs hieß die lokale Vertriebsmarke sogar "Stadtwerke Lüneburg". Aufgrund der E.ON-Klage wurde sie geändert in "Stadtwerke Barmstedt in Lüneburg".
Das Urteil des BGH ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Es schützt den vertrauenserweckenden Begriff "Stadtwerke" vor dessen Verwendung für Marketing-Zwecke durch private Unternehmen. Demnach dürfen ihn auch ehemals kommunale Versorger nicht mehr führen, sobald sie mehrheitlich privaten Gesellschaftern gehören. Zum Beispiel hätten die Stadtwerke Minden ihren Namen ändern müssen, nachdem sie im Jahr 2000 komplett dem E.ON-Regionalversorger EMR einverleibt wurden. Tatsächlich blieben sie aber bis 2007 als Vertriebsmarke erhalten (121009).
Schon im Februar dieses Jahres kam es zu einer Namensänderung bei der VSW Verbundstadtwerke Südwestsachsen GmbH, die 2009 aus der Zusammenlegung von drei Töchtern des RWE-Regionalversorgers enviaM entstanden ist (090414). Das Unternehmen heißt jetzt VWS Verbundwerke Südwestsachsen GmbH. Den Anstoß gab hier der Gasanbieter goldgas GmbH, dessen Klage gegen die Verwendung des Namensbestandteils "stadtwerke" im November 2011 mit einem Vergleich vor dem Oberlandesgericht Dresden endete.
Zuvor hatte derselbe Gasanbieter im August 2009 eine einstweilige Verfügung gegen Bremer swb AG beantragt, um ihr die Verwendung dieser Bezeichnung untersagen zu lassen. Die ehemaligen Bremer Stadtwerke waren 1999 mit Blick auf ihre bevorstehende Privatisierung so benannt worden. Seit 2000 ist die Stadt Bremen nur noch mit einer einzigen symbolische Aktie sowie einem Sitz im Aufsichtsrat an ihrem früheren Unternehmen beteiligt. Zunächst hatte der niederländischen Essent-Konzern die Mehrheit erworben (000606). Seit 2009 ist die swb AG eine hundertprozentige Tochter des EWE-Konzerns (091008).
Goldgas machte geltend, daß die Buchstaben swb als Abkürzung für "Stadtwerke Bremen" weiterhin einen Versorger in kommunalem Eigentum suggerieren würden. Nach einigem Hin und Her wurde die Klage aber im April 2010 abgewiesen. Die Bremer Gerichte befanden, daß der Name trotz der vor zehn Jahren erfolgten Privatisierung nicht als irreführend angesehen werden könne. Sie waren ferner der Ansicht, daß es für das Kriterium der kommunalen Trägerschaft bedeutungslos sei, ob sich das Mehrheitseigentum bei privaten Unternehmen oder bei anderen Städten bzw. Landkreisen befinde. Im Falle der swb AG würde es demnach keine Rolle spielen, daß die Konzernmutter EWE selber kommunalen Eigentümern gehört.
Die Goldgas-Klagen haben ebenfalls eine Vorgeschichte: Der in Nürnberg ansässige Gasanbieter eröffnete 2009 in Bad Homburg eine Filiale unter der Bezeichnung "goldgas Stadtwerke GmbH". Die Stadtwerke Bad Homburg wehrten sich dagegen, weil der Name geeignet sei, die Verbraucher in die Irre zu führen. Das Landgericht Nürnberg-Fürth gab ihnen recht. Der Gasanbieter hat daraufhin seine Filiale in "goldgas SL GmbH" umbenannt. Zugleich kam er auf die Idee, das neu entdeckte Rechtsinstrument in geeigneten Fällen gegen Konkurrenten zu verwenden.