Januar 2011 |
110113 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der RWE-Konzern ist nicht mehr am Bau von zwei weiteren Reaktoren im rumänischen Kernkraftwerk Cernavoda interessiert. Wie er am 20. Januar mitteilte, ziehen sich zugleich die französische GDF Suez und die spanische Iberdrola zurück. Die tschechische CEZ hat ihre Beteiligung an der Projektgesellschaft EnergoNuclear bereits Anfang Januar dem rumänischen Staat übertragen. Dem Staatskonzern Nuclearelectrica sind damit vier der sechs ausländischen Partner abhanden gekommen, mit denen er in Rumäniens einzigem Kernkraftwerk zwei weitere Blöcke vom kanadischen Typ Candu errichten wollte. Übriggeblieben sind vorläufig noch die italienische Enel und der Stahlkonzern ArcelorMittal (081103).
Der Grund für den Rückzug ist offenbar, daß Rumänien nur noch zwanzig Prozent der Baukosten von vier Milliarden Euro tragen will statt der Hälfte, wie es der 51-prozentigen Beteiligung des Staatskonzerns Nuclearelectrica an der Projektgesellschaft EnergoNuclear entspräche. In den gleichlautenden Pressemitteilungen von RWE und GDF Suez hieß es dazu lediglich: "Wirtschaftliche und marktbedingte Unsicherheiten für das Projekt, die zum großen Teil auf Nachwirkungen der Finanzkrise zurückzuführen sind, stellen nun die notwendigen Investitionen in Frage." Die Entscheidung habe nichts mit der technischen Qualität des Kernkraftwerks zu tun und sei nicht als Rückzug vom rumänischen Energiemarkt zu verstehen. RWE, GdF Suez und Iberdrola würden auch in Zukunft die Entwicklung neuer Kernkraftwerke im Ausland vorantreiben.
Unter ähnlichen Umständen war im Oktober 2009 bereits die RWE-Beteiligung am geplanten bulgarischen Kernkraftwerk Belene gescheitert (091002). Inzwischen hat die bulgarische Regierung trotz ihrer klammen Finanzlage beschlossen, das Vorhaben mit russischer Hilfe weiterzuführen. Ende 2010 unterzeichneten die Chefs der bulgarischen Elektrizitätsgesellschaft NEK und des russischen Atomkonzerns Rosatom den Vertrag über die Gründung einer gemeinsamen Projektgesellschaft. Neben NEK (51 Prozent) und Rosatom (vorläufig 47 Prozent) sind die französische Firma Altran Technologie und die finnische Fortum mit jeweils einem Prozent beteiligt, wobei Fortum eine Option für die Erhöhung auf bis zu 25 Prozent hat.
Am niederländischen Kernkraftwerk Borssele würde sich der RWE-Konzern zwar sehr gern beteiligen, darf es aber nicht. Das Oberste Gericht der Niederlande bestätigte am 21. Januar eine einstweilige Verfügung des Arnheimer Bezirksgerichtes, die dem Essent-Konzern untersagt, seine 50-Prozent-Beteiligung an diesem Atomkraftwerk an private Eigentümer zu verkaufen. Das Aktienpaket verbleibt damit vorläufig bei den früheren Eigentümern des niederländischen Strom- und Gaskonzerns, der 2009 größtenteils von RWE übernommen wurde (091008). Ursprünglich sollte auch die KKW-Beteiligung den Eigentümer wechseln. Dagegen hatte jedoch der kommunale Stromversorger Delta geklagt, dem die andere Hälfte der Anteile gehört. Er ist der Ansicht, daß das einzige Kernkraftwerk der Niederlande weiterhin unter Kontrolle des Staates bleiben muß. Der Rechtsstreit um Borssele ist indessen noch nicht entschieden. Eine RWE-Sprecherin zeigte sich zuversichtlich, daß es dem Konzern doch noch gelingen werde, die Hälfte an dem Kernkraftwerk zu erlangen.