August 2010 |
100813 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Iran begann am 21. August damit, den Reaktor 1 im umstrittenen Kernkraftwerk Buschir mit Brennstäben zu beladen. Die Anlage soll im November ans Netz gehen und im Frühjahr 2011 ihre volle Leistung erreichen. Damit nimmt der Iran 35 Jahre nach Baubeginn sein erstes Kernkraftwerk in Betrieb. Zwei weitere Reaktoren vom Typ WWER-1000/446 befinden sich in Bau, ein vierter ist geplant. Die russischen Reaktoren verfügen über eine Bruttoleistung von jeweils 1000 MW und eine Nettoleistung von 915 MW.
Die Einbringung der Brennelemente in den Reaktorkern wurde vom Staatsfernsehen übertragen. An der Zeremonie beteiligte sich auch der Chef des russischen Atomkonzerns Rosatom, Sergeij Kirijenko, der mit Siemens eine Zusammenarbeit auf nuklearem Gebiet plant (090202) und bei dieser Gelegenheit auf die von Siemens geleistete Vorarbeit verwies: "Auf den Fundamenten, die deutsche Ingenieure vor mehr als dreißig Jahren zu legen begannen, haben Experten aus beiden Ländern ein einzigartiges Projekt geschaffen."
Mit dem Bau des Reaktors war im Mai 1975 unter dem Schah-Regime begonnen worden. Auftragnehmer war die Kraftwerk Union AG (KWU), in der Siemens und AEG ihr Kraftwerksgeschäft zusammengelegt hatten und die Ende 1975 in Alleineigentum von Siemens überging. Vorgesehen waren zwei Druckwasserreaktoren nach dem Muster des seit 1974 in Betrieb befindlichen Reaktors Biblis A. Infolge der iranischen Revolution und des Sturzes des Schah-Regimes im Jahre 1979 kam es aber nicht zur Fertigstellung, zumal die Bauruine im Golfkrieg beschädigt wurde. Zu den Zahlungsschwierigkeiten und politischen Turbulenzen kamen bald Bedenken – vor allem seitens der USA und Israels – , das neue fundamentalistische Regime könne die Kerntechnik für militärische Zwecke mißbrauchen. Siemens zog sich deshalb aus dem Projekt zurück. 1991 beschloß die Bundesregierung zudem auf Wunsch der USA einen förmlichen Ausfuhrstopp für den Wiederaufbau und die Fertigstellung der Anlagen in Buschir (910720). Das Regime in Teheran bat daraufhin Moskau und Peking um Hilfe (920903). Anfang 1995 kam es zu einer vertraglichen Vereinbarung über die Vollendung des Kernkraftwerks durch Rußland (950115). Während die Russen das Projekt auf Druckwasserreaktoren des Typs WWER umrüsteten, begann das Regime in Teheran auch mit der Anreicherung von Uran, was erneut Befürchtungen weckte, es wolle die Kerntechnik für den Bau von Atomwaffen verwenden. Befürchtet wurde nicht zuletzt ein Präventivschlag Israels, das inoffiziell über Atomwaffen verfügt. Unter internationalem Druck akzeptierte der Iran 2003 eine verschärfte Kontrolle seiner Atomanlagen durch die IAEA (031017). In der Praxis hielt er das Abkommen aber nicht ein und setzte die Urananreicherung fort, was bis in die Gegenwart wiederholt zu Konflikten führte (041108, 050812, 060413, 070702).
Während Israel die bevorstehende Inbetriebnahme des iranischen Kernkraftwerks als "völlig inakzeptabel" bezeichnete, sehen die USA darin kein Risiko für die Weitergabe spaltfähigen Materials. Das US-Außenministerium wertete die Belieferung des Irans mit russischen Brennstäben vielmehr als Beweis dafür, daß der Iran keine eigenen Anlagen zur Urananreicherung braucht, falls er tatsächlich nur friedliche Zwecke verfolgt.