Mai 2010

100504

ENERGIE-CHRONIK


Vor dem Bündnis mit Rosatom muß sich Siemens erst von Areva scheiden lassen

Der Siemens-Konzern kommt bei seinen Bemühungen um einen Wiedereinstieg in das Geschäft mit Kernkraftwerken derzeit nicht voran. Die vor mehr als einem Jahr begonnenen Verhandlungen mit dem russischen Staatskonzern Rosatom (090202) sind blockiert, weil er erst das frühere Kernenergie-Bündnis mit dem französischen Staatskonzern Areva auflösen muß. Andernfalls geht ihm ein wesentlicher Teil der Abfindung für die 34-prozentige Beteiligung an Areva NP verloren. Das ist die Quintessenz eines Artikels, den die "Frankfurter Allgemeine" am 31. Mai veröffentlichte.

Dem Bericht zufolge können Siemens und Rosatom die Verhandlungen über eine Zusammenarbeit wahrscheinlich erst 2011 wieder aufnehmen. Areva habe nämlich die Schiedskommission der Internationalen Handelskammer in der Schweiz angerufen, um den Streit über die Auflösung der bisherigen Partnerschaft schlichten zu lassen. Und diese habe im November 2009 angeordnet, daß Siemens und Rosatom vorläufig keine konkreten Gespräche über eine kerntechnische Zusammenarbeit führen dürfen. Mit einer Entscheidung der Handelskammer werde erst gegen Ende des Jahres gerechnet.

Franzosen pochen auf Konkurrenzausschlußgebot, um den Preis für die Abfindung zu drücken

Aus der Sicht von Areva hat Siemens bereits mit der bisherigen Kontaktaufnahme zu Rosatom gegen den Partnerschaftsvertrag verstoßen, denn trotz der faktischen Aufkündigung des Vertrags über Areva NP bleibe das darin enthaltene Konkurrenzausschlußgebot weiterhin gültig. Die Franzosen wollen mit diesem Argument offenbar den Preis für die Beteiligung drücken, die sie gemäß Aktionärsvertrag Siemens abkaufen müssen, wenn sie ihnen angedient wird. Die Beteiligung hat einen Buchwert von 2,1 Milliarden Euro (090104), und Areva tut sich ohnehin schon schwer damit, die zwölf Milliarden Euro aufzutreiben, die für den Ausbau des Hauptgeschäfts mit Kernkraftwerken vorgesehen sind (100113).

Falls das Schiedsgericht diesem Argument folgt, würde sich der Kaufpreis für die Siemens-Beteiligung an Areva NP auf 60 Prozent des "fairen Werts" verringern. Die Höhe dieses Werts ermittele derzeit im Auftrag der Internationalen Handelskammer ein britisches Institut, heißt es in dem Bericht weiter.

Siemens will Verstoß gegen europäisches Recht geltend machen

Die Konkurrenzausschlußklausel würde Siemens ferner auferlegen, acht Jahre lang nach Auflösung des Bündnisses auf dem Gebiet der Kernenergie nicht in Wettbewerb mit Areva zu treten. Um dieses Hindernis aus dem Weg zu räumen, vertritt Siemens die Auffassung, daß eine derart langer Konkurrenzausschluß gegen europäisches Recht verstößt. Ein entsprechendes Wettbewerbsverfahren bei der EU-Kommission ist beantragt. Die Kommission hat aber noch nicht entschieden, ob sie das Verfahren eröffnet.

Bei der Leittechnik gibt es anderweitig Ärger

Unberührt von dem heftigen Streit bleibt die Zusammenarbeit zwischen Siemens und Areva auf dem Gebiet der Leittechnik für Kernkraftwerke. Hier wurde sogar ein neues langfristiger Vertrag geschlossen, der die weitere Vermarktung der von Siemens gelieferten digitalen Leittechnik Teleperm XS durch Areva sicherstellt (090909). Offenbar gibt es aber erhebliche Probleme bei der Anwendung dieser Leittechnik, wie aus einer gemeinsamen Erklärung der Atomaufsichtsbehörden Großbritanniens, Frankreichs und Finnland hervorgeht (091105).

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