August 2008 |
080820 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die bayerische Landesregierung drängt auf die Errichtung einer weiteren Donau-Staustufe, damit großen Schiffen auf der Flußstrecke zwischen Straubing und Vilshofen mehr Wassertiefe zur Verfügung steht. Sie soll in Höhe der Ortschaft Aicha gebaut werden. Damit würde der letzte größere Abschnitt verbaut, auf dem die Donau noch frei fließen kann und nicht durch den Rückstau von Staustufen bzw. Wasserkraftwerken zum strömungslosen Gewässer wird (siehe Karte und Fotos).
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) bekräftigte demgegenüber am 12. August, daß Bayern dieses Vorhaben nicht mit der Bundesregierung abgestimmt hat, die für Unterhaltung und Ausbau der Bundeswasserstraßen zuständig ist. In seiner Pressemitteilung verwies er auf einen Beschluß des Bundestags vom 7. Juni 2002, wonach eine Vertiefung der Fahrtrinne ausschließlich durch regulierende Maßnahmen wie das Ausbaggern der Flußsohle und Einbau von Buhnen erreicht werden soll. Dieser Beschluß sei für ihn weiterhin verbindlich. Eine Staustufe würde hingegen die bestehende Naturlandschaft gefährden und die Kosten mindestens verdoppeln.
Umweltschützer kritisieren grundsätzlich, daß die geplante Vertiefung des Fahrwassers der Rhein-Main-Donau Wasserstraßen GmbH übertragen wurde, die als Betreiber der Wasserstraße ein wirtschaftliches Eigeninteresse an der Errichtung einer Staustufe habe. Zugleich vermuten sie hinter den Staustufen-Plänen aber auch energiewirtschaftliche Interessen. Die Rhein-Main-Donau AG, die 1921 für den Ausbau des Wasserwegs zwischen Rhein und Donau gegründet wurde, ist nämlich zugleich der zweitgrößte deutsche Wasserkraftwerksbetreiber. Seit ihrer Privatisierung (940704) gehört sie E.ON Energie (77,49 %), der RWE-Tochter Lechwerke (14 %) und der Energie Baden-Württemberg (8,5 %). Bisher ist zwar nur von einer Staustufe die Rede. Da aber fast sämtliche Staustufen der Donau mit Laufwasserkraftwerken versehen sind, dürfte sich die Rhein-Main-Donau AG kaum die Gelegenheit entgehen lassen, auf günstige Weise zu einem weiteren Grundlast-Lieferanten zu kommen. Das neue EEG bezieht erstmals auch völlig neu errichtete Großwasserkraftwerke mit einer Leistung ab 5 MW in die Förderung mit ein (080601). Im Unterschied zu den benachbarten Altanlagen Kachlet (53 MW, seit 1927) und Straubing (21 MW, seit 1995), deren Produktion sich allenfalls als "Ökostrom" vermarkten läßt, könnte deshalb ein neues Laufwasserkraftwerk in Verbindung mit der Staustufe Aicha kräftig von den Einspeisungsvergütungen des EEG profitieren.
Die Verbauung der 75 Kilometer langen Fließstrecke zwischen Straubing und Vilshofen, die nach Inbetriebnahme der Kraftwerks-Staustufe Straubing im Jahre 1995 übrig blieb, ist seit Anfang der neunziger Jahre geplant und umstritten. Der Verzicht auf weitere Staustufen wurde vom Bundestag im Juni 2002 nach einer Experten-Anhörung im Verkehrsausschuß beschlossen und vier Monate später auch in den energiepolitischen Teil der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Grüne übernommen (021001). Die Rhein-Main-Donau AG beantragte daraufhin im November 2003 die Durchführung des Raumordnungsverfahrens für die "sanfte" Variante zur Erhöhung der Fahrwassertiefe. Die Bezirksregierung von Niederbayern erweiterte das Raumordnungsverfahren aber eigenmächtig um zwei weitere Varianten. Die eine sah die Errichtung einer Staustufe bei Aicha vor (mit Durchstich der Mülhamer Schleife), die andere den Totalausbau mit drei Staustufen bei Waltendorf, Aicha und Vilshofen. Im März 2006 schloß die Bezirksregierung das Raumordnungsverfahren ab und gelangte zu dem Ergebnis, daß lediglich die Variante mit einer Staustufe bei Aicha als raum- und umweltverträglich anzusehen sei.
Die Grünen im bayerischen Landtag bezeichneten das Raumordnungsverfahren daraufhin als "Farce". Sie verwiesen auf den eindeutigen Beschluß des Bundestags sowie die Zuständigkeit des Bundes als Bauherr, der klargemacht habe, daß er keinesfalls eine Staustufe wolle. "Das ist in etwa so, als würde ein privater Bauherr ein Einfamilienhaus beantragen und das Landratsamt von Amts wegen ein Genehmigungsverfahren für ein Hochhaus durchführen", erklärte der grüne Landtagsabgeordnete Eike Hallitzky in einer gemeinsamen Sitzung des Wirtschafts- und Umweltausschusses. Die Landesregierung habe sich die Argumente der Staustufen-Lobby weitgehend kritiklos zueigen gemacht. Dazu gehöre der falsche Eindruck, der Abschnitt zwischen Straubing und Vilshofen sei der wichtigste Engpaß für große Schiffe auf dem Wasserweg Rhein-Main-Donau. Tatsächlich gebe es aber in den Abschnitten unterhalb Wiens, in Ungarn und in Rumänien noch etliche lange Strecken mit vergleichbaren Tauchtiefen. Auf dem stark befahrenen Mittelrhein hätten die Schiffe sogar noch weniger Wasser unter dem Kiel.
Zwischen Straubing und Vilshofen (Bild oben) kann die Donau bisher noch frei strömen. |
Der World Wide Fund for Nature (WWF) und andere Umweltorganisationen machen seit
zwei Jahren verstärkt gegen die Pläne der bayerischen Landesregierung mobil.
Im Mai 2007 begann eine internationale Unterschriftensammlung für die Erhaltung
der Natur an der ganzen Donau. Momentan läuft eine internationale Kampagne unter
dem Motto "Passt die Schiffe dem Fluss an, nicht den Fluss an die Schiffe!".
Neben Umweltschützern und Naturliebhabern lehnen insbesondere auch Kanusportler
den Bau weiterer Staustufen ab (siehe "Rettet
unsere Flüsse"). Im Bundestag gibt es neuerdings interfraktionelle Arbeitsgruppen
der Wasserstraßenbefürworter und der Flußschützer. In der letzteren
sind alle Fraktionen außer der Union vertreten. Insgesamt dürfte eine Zwei-Drittel-Mehrheit
der Bundestagsabgeordneten dem Umwelt- und Landschaftsschutz höheren Wert beimessen
als den Interessen der Schiffahrt und der Kraftwerksbetreiber. Außer der umstrittenen
Staustufe an der Donau geht es derzeit vor allem um die Erhaltung der Flüsse
Elbe, Saale und Havel als frei strömende Gewässer.