März 2008 |
080304 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Bundeskartellamt hat Mißbrauchsverfahren gegen rund 35 Gasversorger eingeleitet. Es stützt sich dabei auf den neuen § 29 im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der es den Strom- und Gasversorgern untersagt, von ihren Kunden solche Preise zu verlangen, "die die Kosten in unangemessener Weise überschreiten" (071104). Wie die Behörde am 5. März mitteilte, ergab sich der Verdacht mißbräuchlich überhöhter Gaspreise aus einer bundesweiten Untersuchung, bei der teilweise erhebliche Abweichungen "von 25 bis 45 Prozent und mehr" zwischen den Unternehmen festgestellt wurden. Zum Kreis der Verdächtigen gehören sowohl eigenständige Stadtwerke als auch Beteiligungsunternehmen der vier Energiekonzerne.
Eine Reihe weiterer Mißbrauchsverfahren wurde von den Landeskartellbehörden eingeleitet. Von den rund 770 Gasversorgern in Deutschland unterliegen nur knapp 30 Unternehmen mit bundeslandübergreifender Grundversorgung der unmittelbaren Aufsicht des Bundeskartellamtes. Für die übrigen sind die Landeskartellbehörden zuständig, sofern sie diese Aufgabe nicht an das Bundeskartellamt abgetreten haben.
Das Bundeskartellamt reagiert damit auf die neue Welle von Gaspreiserhöhungen für Haushalts- und Gewerbekunden, die von den Versorgern mit der Koppelung der Gaspreise an die gestiegenen Ölpreise begründet wird (080204). Es hegt den Verdacht, daß hier keineswegs nur gestiegene Einstandskosten weitergegeben, sondern auf allen Stufen des Gasgeschäfts überhöhte Gewinne kassiert werden. Die Mißbrauchsverfahren betreffen etwa ein Fünftel des Marktes, auf dem im Jahr 2006 die Gasversorger rund 480 Milliarden Kilowattstunden absetzten und damit einen Umsatz von 17,28 Milliarden Euro erzielten.
Nach Angaben des Bundeskartellamts besteht die Gasrechnung von Haushalts- und Gewerbekunden im Durchschnitt zu 29 Prozent aus Steuern und Abgaben sowie zu 16 Prozent aus Netzentgelten. In die vergleichende Untersuchung einbezogen worden seien nur die restlichen 55 Prozent. Dies ermögliche eine wesentlich präzisere Beurteilung und lasse den betroffenen Unternehmen kaum noch Raum für das Argument, ihre höheren Preise seien durch Besonderheiten des Liefergebiets gerechtfertigt.
Die nach wie vor monopolistisch verfaßte Branche fühlt sich indessen im Aufwind durch ein Urteil, mit dem das Oberlandesgericht Celle am 10. Januar eine Mißbrauchsverfügung der niedersächsischen Landeskartellbehörde gegen die Stadtwerke Uelzen aufhob. Das Gericht verneinte eine marktbeherrschende Stellung der Stadtwerke mit der Begründung, daß die Gasversorger auch mit den Anbietern von Heizöl, Strom, Kohle und Fernwärme konkurrieren würden. Es reiche deshalb nicht aus, die Preise von Gasversorgern miteinander zu vergleichen. Es sei vielmehr gemäß einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 2007 (070614) von einem allgemeinen Angebotsmarkt aller Wärmeversorger auszugehen.
Vermutlich hat es auch mit dieser etwas weltfremd klingenden Rechtsprechung zu tun, daß die 35 Gasversorger zunächst keine Stellung zu den Vorwürfen bezogen, obwohl die dafür vom Bundeskartellamt gesetzte Frist Ende März ablief. Solange sie nicht mit Sanktionen wegen Auskunftsverweigerung rechnen müssen, können sie es sich leisten, auf Zeit zu spielen.
Wie die "Süddeutsche Zeitung" (25.3.) schrieb, beeinflußt die Koppelung an den Ölpreis nur ein Drittel des Endpreises für Gas. Nach jüngsten Berechnungen des Bundesamtes für Ausfuhrkontrolle (BAFA) koste Erdgas im Durchschnitt etwas mehr als zwei Cent je Kilowattstunde, wenn es aus Rußland oder Norwegen die deutsche Grenze erreicht. Die Transportkosten innerhalb Deutschlands seien mit etwa 0,3 Cent pro Kilowattstunde zu veranschlagen. Die Haushaltskunden müßten dafür aber zwischen 5,5 und 7 Cent pro Kilowattstunde bezahlen, wovon der Staat über Steuern und Abgaben 1,5 Cent abschöpfe.
Unterdessen rollt auf Haushalte und Gewerbe bereits eine weitere Preiserhöhungswelle
zu. Wie die "Frankfurter Allgemeine" (22.3.) vom Branchendienstleister Verivox
ermitteln ließ, heben im April und Mai mindestens 182 Gasversorger ihre Preise
um durchschnittlich 6,7 Prozent an.