Februar 2008

080205

ENERGIE-CHRONIK


Laufzeiten-Übertragung wäre rechtlich nicht zulässig

Die von RWE beantragte Verlängerung der Laufzeit des Kernkraftwerks Biblis A durch Übertragung aus dem Kontingent für Mülheim-Kärlich (060901) wäre nach dem Atomgesetz gar nicht zulässig. Die Ablehnung des Antrags durch das Bundesumweltministerium (070303) war somit keine Ermessensentscheidung, sondern entsprach nur den gesetzlichen Bestimmungen. Zu dieser Feststellung gelangte am 27. Februar auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel, nachdem das schleswig-holsteinische Oberverwaltungsgericht schon am 16. Januar das Ansinnen des Vattenfall-Konzerns zurückgewiesen hatten, Strommengen aus dem Kontingent für Mülheim-Kärlich für die Verlängerung der Laufzeit des Kernkraftwerks Brunsbüttel verwenden zu dürfen.

Das Atomgesetz schreibt in § 7 Abs. 1d ausdrücklich vor, daß die für Mülheim-Kärlich gemäß Anlage 3 zugestandene Strommenge von 107,25 Terawattstunden nur auf jene Kernkraftwerke übertragen werden darf, die dort in einer Fußnote aufgeführt werden. Im einzelnen handelt es sich um Emsland, Neckarwestheim 2, Isar 2, Brokdorf, Gundremmingen B und C sowie um Biblis B (im letzteren Fall aber nur bis zu 21,45 TWh).

Die Position von RWE und Vattenfall war juristisch schon immer unhaltbar und kann deshalb nur taktischen Zwecken dienen

Insoweit war die Gesetzeslage schon immer klar und die Niederlage vor Gericht absehbar. Wenn die Konzernjuristen dennoch behaupteten, sogar einen Rechtsanspruch auf die verlangten Übertragungen von Mülheim-Kärlich zu haben, konnten RWE und Vattenfall damit nur taktische Zwecke verfolgen. Die eigentliche Auseinandersetzung dreht sich nämlich um den hilfsweise von RWE gestellten Antrag, die 30 Terawattstunden für Biblis A vom Kontingent des Kernkraftwerks Emsland abzuzweigen, das dann aus dem Kontingent von Mülheim-Kärlich wieder aufgestockt werden könnte. Diese Verfahrensweise bedürfte allerdings nach § 7 Abs. 1b des Atomgesetzes der Zustimmung des Bundesumweltministeriums im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt und dem Bundeswirtschaftsministerium, weil Biblis A älter als Emsland ist. Zustimmungsfrei wäre nur die Übertragung der Laufzeiten von älteren auf jüngere Anlagen. Und mit der erforderlichen Zustimmung tut sich zumindest Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) äußerst schwer, da seine Partei es sich nicht leisten kann, die von der rot-grünen Bundesregierung vorgenommene Umwandlung des Atomgesetzes in ein Ausstiegsgesetz in Frage zu stellen. Im Unterschied zu ihm wären Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) nur allzugern bereit, den Kernkraftwerksbetreibern die beantragten Laufzeiten-Verlängerungen ohne Rücksicht auf das Alter der Anlagen zu genehmigen. Sie könnten es sich aber kaum leisten, den Bruch der Koalition zu riskieren, wenn Gabriel bei seiner ablehnenden Haltung bleibt.

Insofern dürfte es den Kernkraftwerksbetreibern vorerst hauptsächlich darum gehen, ein juristisches Schattenboxen zu vollführen, bei dem sich Gabriel im ersten Akt als Verteidiger des Atomausstiegs profilieren kann, um dann im zweiten oder dritten Akt ohne allzu großen Gesichtsverlust die beantragte Laufzeiten-Verlängerung nach § 7 Abs. 1b des Atomgesetzes zu gewähren bzw. sich von Merkel und Glos überstimmen zu lassen. Falls dieses Kalkül nicht aufgehen sollte, können sie noch immer auf einen politischen Umschwung nach den nächsten Bundestagswahlen hoffen, denn durch die monatelangen Stillstände der Blöcke in Biblis und Brunsbüttel reichen deren Reststrommengen inzwischen aus, um die laufende Legislaturperiode in voller Länge zu überstehen (080210).

Gabriel will seine Entscheidung mit einer "vergleichenden Sicherheitsanalyse" begründen

Das Bundesumweltministerium hat bisher über den hilfsweise gestellten Antrag von RWE, die Übertragung von Emsland auf Biblis A vorzunehmen, noch nicht entschieden. Der hessische Verwaltungsgerichtshof traf deshalb auch seinerseits vorerst keine Entscheidung zu diesem strittigen Punkt. Das Ministerium begründete die Verzögerung aber mit dem Argument, daß eine vergleichende Sicherheitsanalyse beider Kraftwerke erarbeitet werden müsse. Daraus läßt sich folgern, daß Gabriel die Zustimmung erteilt, wenn das Ergebnis des Vergleichs positiv ausfällt.

Sofort nach dem das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs kündigte RWE Power dessen Anfechtung vor dem Bundesverwaltungsgericht an. Von einem Rechtsanspruch war nun zwar nicht mehr die Rede. Man vertritt nun aber die "Auffassung, daß diese Übertragung mit einer im Einvernehmen zwischen Bundeswirtschaftsministerium, Bundesumweltministerium und Bundeskanzleramt ergehenden Zustimmung zulässig ist". In dieser Einschätzung sehe man sich durch Gutachten "renommierter Rechtswissenschaftler" bestätigt. Auch das Bundeskanzleramt und das Bundeswirtschaftsministerium würden diese Sichtweise teilen.