Juni 2005

050605

ENERGIE-CHRONIK


Netzbetreiber müssen konkurrierende Niederspannungsnetze mit Mittelspannung versorgen

Im Streit um den Anschluß sogenannter Arealnetze hat der Bundesgerichtshof am 28. Juni die Position des Bundeskartellamts bestätigt, das die Frankfurter Mainova verpflichtete, solche separaten Niederspannungs-Verteilnetze an ihr Mittelspannungsnetz anzuschließen (031008). Die Beschwerde der Mainova gegen die Verfügung des Kartellamts war bereits vom Oberlandesgericht Düsseldorf zurückgewiesen worden.

Die Mainova hatte vor allem geltend gemacht, sie sei als Betreiber des Netzes der allgemeinen Stromversorgung gesetzlich gezwungen, jeden Letztverbraucher an ihr Netz anzuschließen und zu allgemeinen Tarifen zu versorgen. Dabei gehe das Gesetz von einer einheitlichen Netzstruktur aus. Ihr sei es unter diesen Umständen nicht zuzumuten, Arealnetzbetreibern den Zugang zu ihrem Mittelspannungsnetz zu gewähren. Denn die Betreiber dieser Netze gingen nach dem Prinzip des "Rosinenpickens" vor, indem sie sich einzelne lukrative Areale mit hoher Versorgungsdichte und verhältnismäßig großem Energiebedarf aussuchten.

"Rosinenpicken" gehört zum Wettbewerb

Der Bundesgerichtshof ist dieser Argumentation nicht gefolgt, sondern hat in der Verweigerung des Anschlusses ebenfalls den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gesehen. Mit der Liberalisierung der Energiemärkte habe sich das traditionelle Leitbild eines einheitlichen Versorgungsnetzes geändert. Denn jeder Wettbewerber werde sich – gleichgültig ob die Versorgung über eine eigene Stichleitung, im Wege der Durchleitung oder durch Anschluß von Arealnetzen an das Mittelspannungsnetz des Netzbetreibers erfolgen solle – in erster Linie um die lukrativen Kunden bemühen. Der gesetzlichen Regelung sei dabei die Erwägung fremd, daß Wettbewerb nur dann gefördert werden solle, wenn die Gefahr eines "Rosinenpickens" ausgeschlossen werden könne. Zwar sei es nicht auszuschließen, daß Mainova infolge des Wettbewerbs nicht im selben Maße wie früher zugunsten der strukturschwachen Bereiche des Versorgungsnetzes quersubventionieren könne. Dem Liberalisierungskonzept liege aber die Vorstellung zugrunde, daß die Verbraucherpreise infolge der Öffnung der Märkte sinken würden, so daß selbst für die strukturschwachen Bereiche die negativen Effekte des Wettbewerbs durch die positiven zumindest ausgeglichen würden.

Bestand des Versorgungsgebietes nicht gefährdet

Auch die Beeinträchtigung der Netzstruktur hat der Bundesgerichtshof nicht als Argument für die Anschlußverweigerung gelten lassen. Zwar sei nicht zu leugnen, daß der Betrieb eines sicheren Netzes teurer werde, wenn es vermehrt zu einer Bildung von Inseln komme, die das allgemeine Netz nicht versorge. Der Bestand des Versorgungsgebietes von Mainova werde aber nicht gefährdet, weil sich die Verpflichtung, Arealnetze an das Mittelspannungsnetz anzuschließen, nur auf Neubauten und Neuerschließungen beziehe.

Der Bundesgerichtshof wies darauf hin, daß die Bundesregierung nach dem neuen Energiewirtschaftsgesetz in einer Verordnung im einzelnen bestimmen könne, unter welchen Bedingungen der Anschluß von Arealnetzen für den Betreiber des allgemeinen Versorgungsnetzes zumutbar sei. Die Bundesregierung habe es daher in der Hand, in Zukunft Bestimmungen zu treffen, die eine stärkere Berücksichtigung des allgemeinen Strukturinteresses ermöglichen. (Az: KVR 27/04 )