Mai 2005 |
050508 |
ENERGIE-CHRONIK |
Ein Stromausfall hat am 25. Mai den Süden Moskaus sowie drei angrenzende Regionen lahmgelegt. Insgesamt waren bis zu zwei Millionen Menschen betroffen. Etwa 20.000 Menschen waren stundenlang in der U-Bahn gefangen, etwa 1.500 mußten aus Aufzügen befreit werden. Da die russische Hauptstadt gerade eine beispiellose Hitzewelle mit mehr als 30 Grad im Schatten erlebte, wirkte sich der Ausfall von Kühlanlagen besonders gravierend aus. Auch Telefon und Internet funktionierten nicht mehr, Straßenbahnen und Trolleybusse standen still, Verkehrsampeln fielen flächendeckend aus. Die Stadtverwaltung bezifferte den wirtschaftlichen Schaden in einer vorläufigen Schätzung auf eine Milliarde US-Dollar. Erst am 26. Mai normalisierte sich die Stromversorgung allmählich wieder. Die Zeitungen erschienen an diesem Tag mit Schlagzeilen wie "Elektroschock" und Apokalypse". Im Unterschied zu anderen Teilen Rußlands, wo Stromausfälle nichts ungewöhnliches sind, funktionierte in der Hauptstadt die Versorgung bisher einigermaßen zuverlässig.
Der Stromausfall begann am Abend des 24. Mai mit einem Brand im Umspannwerk Chagino im Moskauer Stadtteil Kapotnya. Die Anlage wurde zwar sofort repariert, fiel dann aber erneut aus, als am Morgen des 25. Mai der Stromverbrauch anstieg. Dadurch wurden weitere Umspannanlagen überlastet und schalteten automatisch ab. Von den südlichen Stadtteilen Kapotnya, Marino, Biryulyovo und Chertanovo breitete sich dann der Stromausfall auf insgesamt 24 Städte der Regionen Tula, Kaluga und Ryazan aus.
Präsident Putin machte bereits am Mittag des 25. Mai den Stromversorgers EES
für das Fiasko verantwortlich: "Man kann absolut von einer mangelnden Aufmerksamkeit
der EES-Führung für die laufenden Geschäfte sprechen", erklärte
er. Damit zielte er auf den EES-Chef Anatolij Tschubais, der einer seiner letzten
Gegner ist, die noch einflußreiche Stellungen innehaben. Tschubais hatte unter
Putins Vorgänger Boris Jelzin vor allem als "Wirtschaftsreformer" von
sich reden gemacht, indem er maßgeblich die Verschleuderung von Staatseigentum
an eine neureiche Clique von "Oligarchen" betrieb. Die Staatsanwaltschaft
folgte sofort Putins Wink, indem sie Tschubais am folgenden Tag verhörte. Die
nationalistische Partei "Rodina" (Vaterland) rief die Bürger auf, massenhaft
Klagen gegen den Stromversorger einzureichen. Offenbar will der Kremlchef den Stromausfall
nutzen, um Tschubais endgültig politisch kaltzustellen. (FAZ, 27.5.; SZ, 27.5.)