Dezember 2004

041202

ENERGIE-CHRONIK


Zertifikate-Budget für Emissionshandel reicht nicht aus

Die deutsche Industrie hat mehr Emissionshandelszertifikate beantragt, als das Zuteilungsgesetz 2007 zuläßt. Nach § 4 Abs. 4 des Zuteilungsgesetzes darf die Gesamtmenge der zuzuteilenden Berechtigungen für Alt- und Ersatzanlagen den Gegenwert von 495 Millionen Tonnen Kohlendioxid je Jahr nicht überschreiten. Andernfalls werden die entsprechenden Zuteilungen anteilig gekürzt. Tatsächlich wurden aber bei der Deutschen Emissionshandelsstelle Zertifikate für 509 Millionen Tonnen Kohlendioxid beantragt. Die Kritik an der komplizierten und schwer durchschaubaren Gesetzgebung zum Emissionshandel erhielt damit neuen Auftrieb. Bereits in der Bundestagsdebatte war das Zuteilungsgesetz von der Opposition wegen handwerklicher Mängel kritisiert und als "bürokratisches Monster" bezeichnet worden (040501).

Ausnahmeregelung wurde stärker als erwartet beansprucht

Die Abweichung von den Zahlen, die dem Zuteilungsplan zugrunde gelegt wurden, erklärt sich daraus, daß weit mehr Unternehmen als erwartet von der Ausnahmeregelung in § 7 Abs. 10 des Zuteilungsgesetzes Gebrauch gemacht haben: Diese ermöglicht es den Unternehmen, für solche Anlagen, deren historisch erfaßbaren Emissionen wesentlich unterhalb der Auslastungsgrenze lagen, prognostizierte höhere Werte wie für Neuanlagen anzusetzen. Die Einzelheiten dazu regelt § 8 des Gesetzes. Da von dieser Ausnahmeregelung für insgesamt 521 Anlagen (381 Energie und 140 Industrie) Gebrauch gemacht wurde, erfolgt nun für 1473 der insgesamt 1849 Anlagen eine anteilige Kürzung ihrer CO2-Emissionsberechtigungen. Nach Angaben der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) verteilen sich die Kürzungen wie folgt:

Kürzung 
in Prozent
Anzahl der betroffenen Anlagen 
(von insgesamt 1849)
0 376
0 - 2  116
2 - 4 146
4 - 6 385
6 - 7,53 262
7,53 564

RWE beschwerte sich wegen Benachteiligung gegenüber E.ON

Vor allem E.ON scheint die Ausnahmeregelung strapaziert haben. Dem Vernehmen nach entfallen von den insgesamt 77 Millionen Tonnen Kohlendioxid, die nach dieser Regel zugeteilt werden sollen, allein 46 Millionen auf E.ON. Der Konkurrent RWE sei dagegen im Rahmen der Erwartungen geblieben und habe sich - da er sich düpiert fühlt - bereits massiv bei der Bundesregierung beschwert (Welt, 4.12.).

Bundesregierung plant nachträglichen Ausgleich

Die Bundesregierung will das Problem lösen, indem sie in der zweiten Handelsperiode von 2008 bis 2012 eine Umverteilung zugunsten derjenigen Anlagen vornimmt, die von der jetzt anstehenden Kürzung für die erste Periode von 2005 bis 2007 betroffen sind, sofern sie die Zertifikate nach historischen Emissionen beantragt haben und keinerlei Sonderzuteilungen in Anspruch nehmen. (Solche Sonderzuteilungsrechte gibt es z.B. für frühzeitige Klimaschutzanstrengungen, prozeßbedingte Emissionen, Kraft-Wärme-Kopplung oder für den Ausstieg aus der Kernenergie). Eine entsprechende gesetzliche Regelung wurde von der Bundesregierung am 6. Dezember angekündigt.

Industrie fordert Aufstockung des Zertifikate-Budgets

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bezeichnete den geplanten Ausgleich als "Augenwischerei", weil die Gesamtemissionsmenge in der Handelsperiode von 2008 bis 2012 um genau diesen Ausgleich gekürzt würde. Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) wandte sich ebenfalls gegen einen nachträglichen Ausgleich. Er forderte stattdessen eine nachträgliche Aufstockung, da die Bundesregierung die erforderliche Menge an Zertifikaten zu knapp kalkuliert habe.