veröffentlicht am 9. Juli 2004
Auszug aus der Kurzfassung (Kapitel VI. zu "Entwicklung und Perspektiven des Wettbewerbs in der Elektrizitätsversorgung", Seiten 75 - 84)
VI. Entwicklung und Perspektiven des Wettbewerbs in der Elektrizitätsversorgung
237.* Im April diesen Jahres jährte sich zum sechsten Male
die mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes aus dem Jahr 1998
verbundene Marktöffnung im Bereich der leitungsgebundenen Elektrizitätsversorgung.
Mit der im Rahmen dieser Novelle erfolgten Abschaffung der rechtlich geschlossenen
Versorgungsgebiete und der Einführung eines speziellen Durchleitungstatbestandes
war von Seiten des Gesetzgebers das Ziel einer stärkeren wettbewerblichen
Ausrichtung des elektrizitätswirtschaftlichen Ordnungsrahmens verbunden.
Nicht nur in Deutschland sondern auch in anderen europäischen Ländern
hatte sich zunehmend die Auffassung durchgesetzt, dass die traditionelle
Organisation des Elektrizitätssektors in Form vertikal integrierter
Gebietsmonopole wettbewerbspolitisch nicht länger zu rechtfertigen
war und zumindest in den Bereichen der Stromerzeugung und des Stromhandels
Wettbewerb grundsätzlich möglich ist. Wie internationale Erfahrungen
belegen, lässt eine Intensivierung des Wettbewerbs durch die Stimulation
von Innovationsprozessen insbesondere im Bereich der Stromerzeugung erhebliche
Effizienzverbesserungen erwarten. Nach einer Phase intensiven Wettbewerbs
in den ersten beiden Jahren nach der Liberalisierung ist mittlerweile jedoch
eine deutliche Verringerung der Wettbewerbsintensität auf den Strommärkten
festzustellen, deren Ursache sowohl in marktstrukturellen Fehlentwicklungen
als auch in einer wenig wettbewerbskonformen Ausgestaltung des elektrizitätswirtschaftlichen
Ordnungsrahmens liegt.
238.* Stromübertragung und Stromverteilung sind im Gegensatz
zur Stromerzeugung und zum Stromhandel als nicht angreifbare natürliche
Monopole zu klassifizieren. Die Eigenschaft des natürlichen Monopols
geht bei der Stromübertragung vor allem auf die notwendigerweise zentral
auszuübende Funktion des Systembetriebs zurück, bei der Stromverteilung
resultiert sie aus den bei der Errichtung der Verteilnetze anfallenden
hohen Kapitalkosten. Der Systembetrieb umfasst die Steuerung der Lastflüsse
im Übertragungsnetz durch die kurzfristige technische Koordination
des Kraftwerkseinsatzes zum Ausgleich ungeplanter Abweichungen zwischen
Stromeinspeisungen und Stromentnahmen. Gesetzlicher Rahmen und Regulierungspraxis
239.* Eine notwendige Voraussetzung für wettbewerbliche
Aktivitäten auf der Erzeugungsebene und im Stromhandel ist der Zugang
zu den Übertragungs- und Verteilnetzen sowie zu den Systemdienstleistungen
der Übertragungsnetzbetreiber. Diese Möglichkeit wurde mit der
Aufnahme eines speziellen energie- und kartellrechtlichen Durchleitungstatbestandes
in das 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsgesetzes
geschaffen. In die konkrete Ausgestaltung der Netzzugangsmodalitäten
hat der Gesetzgeber dabei nicht eingegriffen, insbesondere wurde auf die
Einrichtung einer sektorspezifischen Regulierungsbehörde zur Kontrolle
der Netzentgelte verzichtet. Die energiewirtschaftlich einschlägigen
Verbände haben in der Folgezeit die Rahmenbedingungen für den
Netzzugang und die Kalkulation der Netznutzungsentgelte auf privatrechtlichem
Wege in Form der sog. Verbändevereinbarungen festgelegt.
240.* Obwohl durch die mehrfach modifizierten Verbändevereinbarungen
wettbewerbsbehindernde Regelungen für den Netzzugang und die grundsätzliche
Struktur der Netzzugangsentgelte abgebaut wurden, sind weiterhin erhebliche
Behinderungen beim Netzzugang in der Elektrizitätswirtschaft festzustellen,
die auf das außerordentlich hohe Niveau der Netznutzungsentgelte
in Deutschland zurückzuführen sind. Behinderungen des Netzzugangs
können im Rahmen der Verbändevereinbarungen, die keine konkreten
Preisvorgaben für den Netzzugang, sondern lediglich allgemeine Kalkulationsprinzipien
enthalten, nicht gelöst werden. Die Preisfindungsprinzipien der Verbändevereinbarung
Strom II plus belässt den Netzbetreibern vielmehr erhebliche Spielräume
bei der Festsetzung der Netzpreise. Daher kommt der Missbrauchsaufsicht
des Bundeskartellamtes eine entscheidende Rolle für die Durchsetzung
angemessener Netznutzungsentgelte zu.
241.* Das Bundeskartellamt hatte sich in den letzten beiden
Jahren vor allem mit Wettbewerbsbehinderungen durch überhöhte
Netznutzungsentgelte auseinanderzusetzen. Zwei Missbrauchsverfahren, denen
im Hinblick auf die Effektivität der im Rahmen des allgemeinen Wettbewerbsrechts
erfolgenden Aufsicht über Netzmonopole in der Stromwirtschaft Modellcharakter
zukommt, wurden mit einer förmlichen Verfügung abgeschlossen.
Zu beiden Verfahren liegen auch schon Urteile des Oberlandesgerichts Düsseldorf
vor. Den Nachweis des Preismissbrauchs führte das Bundeskartellamt
im Fall der Thüringer Energie AG auf der Grundlage einer Kostenprüfung,
im Fall der Stadtwerke Mainz wendete es das Vergleichsmarktkonzept an.
In beiden Fällen hat es den betroffenen Unternehmen untersagt, Netznutzungsentgelte
zu erheben, die eine bestimmte Erlösobergrenze überschreiten.
Das Oberlandesgericht hat die Verfügungen in beiden Fällen aufgehoben
und dies unter anderem damit begründet, dass für die in Frage
stehenden Netznutzungsentgelte, die nach den Preisfindungskriterien der
Verbändevereinbarung Strom II plus kalkuliert wurden, die Vermutung
"guter fachlicher Praxis" streite. Der Vermutungstatbestand der "guten
fachlichen Praxis" bei Kalkulation der Netzentgelte nach den Preisfindungskriterien
der Verbändevereinbarung war mit der Novellierung vom Mai 2003 in
das Energiewirtschaftsgesetz eingefügt worden. Darüber hinaus
hält das Gericht die Verwendung der Gesamterlöse aus dem Netzbetrieb
als Prüfungsmaßstab für den Nachweis des Preismissbrauchs,
der sich auf eine Überprüfung der Einzelentgelte stützen
müsse, für kartellrechtlich nicht zulässig. Diese Auffassung
wird von der Monopolkommission, die die Verwendung der Gesamterlöse
aus dem Netzbetrieb für eine grundsätzlich geeignete Vorgehensweise
hält, um dem grundsätzlichen konzeptionellen Problem der Zuordnung
von Fix- und Gemeinkosten auf die einzelnen Netzdienstleistungen Rechnung
zu tragen, nicht geteilt. Nicht nachvollziehen kann die Monopolkommission
den vom Gericht kritisierten fehlenden Zusammenhang zwischen missbräuchlich
überhöhten Gesamterlösen und missbräuchlich überhöhten
Einzelpreisen. Insgesamt wird die Missbrauchsaufsicht im Rahmen des allgemeinen
Wettbewerbrechts durch die Rechtsauffassung des Gerichts im Hinblick auf
die Folgewirkungen der "Verrechtlichung" der Verbändevereinbarung
geradezu ad absurdum geführt.
Marktstruktur- und Wettbewerbsentwicklung
242.* Die Marktstruktur in der deutschen Elektrizitätswirtschaft
war bereits vor der Liberalisierung durch einen hohen Grad horizontaler
Konzentration auf der Erzeugungsebene sowie durch eine ausgeprägte
vertikale Integration über alle Wertschöpfungsstufen gekennzeichnet.
Durch die unmittelbar nach der Marktöffnung einsetzende intensive
Fusionsaktivität hat die Konzentration durch horizontale und vertikale
Zusammenschlüsse zusätzlich beträchtlich zugenommen. Der
Markt wird dominiert von den vier Verbundunternehmen E.ON, RWE, Vattenfall
Europe und EnBW, die über 80 % der inländischen Erzeugungskapazitäten
und zahlreiche Beteiligungen an regionalen Weiterverteilern und Stadtwerken
verfügen. Die Monopolkommission betrachtet die Entwicklung der Marktstrukturen
in der Elektrizitätswirtschaft mit großer Sorge. Auf der Großhandelsebene
haben die horizontalen Konzentrationsprozesse zu einem wettbewerbslosen
Oligopol geführt. Durch die vertikalen Beteiligungen an Stadtwerken,
die den Verbundunternehmen den Absatz sichern, werden die Strommärkte
gegen den Marktzutritt Dritter weiter abgeschottet. Die Stadtwerke fallen
als unabhängige Nachfrager auf dem Großhandelsmarkt damit weitgehend
aus. Dies ist im Hinblick auf die wettbewerbliche Entwicklung der Strommärkte
umso gravierender, als der von Haushalts- und Kleinkunden ausgehende Wettbewerbsdruck,
wie die geringen Wechselraten zeigen, als eher gering einzuschätzen
ist.
243.* Die Hoffnungen auf eine Belebung des Wettbewerbs durch
neue Marktteilnehmer aus dem In- und Ausland haben sich nicht erfüllt.
Die unmittelbar nach der Marktöffnung in den deutschen Strommarkt
eingetretenen Stromhändler konnten ihre Marktposition nicht festigen
und sind in großer Anzahl bereits wieder aus dem Markt ausgeschieden,
da keine genügenden Geschäftsaussichten bestanden. Im Bereich
der Stromerzeugung hat mit Ausnahme kleinerer, dezentraler Erzeugungsanlagen
auf der Basis erneuerbarer Energien bzw. Kraft-Wärme-Kopplung kein
Marktzutritt unabhängiger Erzeugungsunternehmen stattgefunden. Wettbewerbsimpulse
könnten angesichts der hohen Konzentration auf der Erzeugungsebene
im Inland am ehesten durch Importe ausländischer Anbieter gesetzt
werden. Einer Ausdehnung des grenzüberschreitenden Stromhandels stehen
derzeit allerdings die begrenzten Kapazitäten an den Kuppelstellen
ins Ausland entgegen. Dementsprechend ist der Anteil der Stromimporte mit
ca. 8 % an der inländischen Bruttostromerzeugung vergleichsweise gering.
244.* Die Strompreise für Endverbraucher, die nach der
Marktöffnung zunächst für alle Verbrauchergruppen deutlich
gesunken sind, beginnen seit Mitte des Jahres 2000 zu steigen und haben
für Haushaltskunden bereits wieder das Niveau vor der Marktöffnung
erreicht. Der Anstieg der Endverbraucherpreise ist neben zusätzlichen
Belastungen aus dem Erneuerbaren-Energien- und dem Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz
vor allem auf die deutlich angestiegenen Großhandelspreise zurückzuführen.
Im europäischen Vergleich liegen die Nettostrompreise in Deutschland
mittlerweile wieder an der Spitze.
245.* Insgesamt ist auf den Strommärkten eine deutlich
nachlassende Wettbewerbsintensität zu verzeichnen. Der zunächst
zwischen den Verbundunternehmen einsetzende oligopolistische Preiswettbewerb
stellte sich als Übergangsphänomen heraus, mit dem der drohende
Marktzutritt und ein Abwandern der Stadtwerke verhindert werden sollte.
Kurzfristiger Preiswettbewerb war zudem aufgrund der bestehenden Überkapazitäten
zu erwarten, stellt aber im homogenen Oligopol nicht den Regelfall dar.
Der annähernd gleichzeitig zu beobachtende Anstieg der Strompreise
in Verbindung mit der Stilllegung von Erzeugungskapazitäten seit dem
Jahr 2001 lässt vielmehr darauf schliessen, dass die Phase kurzfristigen
Preiswettbewerbs beendet und einem abgestimmten Verhalten zwischen den
Oligopolmitgliedern gewichen ist. Für diese Einschätzung spricht
auch, dass sich die Verbundunternehmen darauf beschränken, ihre traditionellen
Absatzgebiete zu beliefern, und auf Wettbewerbsvorstöße in das
Liefergebiet der jeweils anderen Verbundunternehmen verzichten. Parallel
dazu haben sich die strukturellen Bedingungen für Wettbewerb in der
Elektrizitätswirtschaft seit der Liberalisierung nachhaltig verschlechtert.
Insbesondere die beiden führenden Oligopolmitglieder E.ON und RWE
sind dabei, mittels geschickter Fusions- und Akquisitionspolitik ihre Marktmacht
entlang der vertikalen Wertschöpfungskette auszudehnen. Die vertikalen
Beteiligungen an Stadtwerken und lokalen Weiterverteilern substituieren
langfristige Lieferverträge und dienen dazu, den Verbundunternehmen
den Absatzmarkt für ihre Erzeugungskapazitäten zu erhalten. Damit
zementiert das Oligopol seine marktbeherrschende Stellung auf dem Großhandelsmarkt,
bevor es sich den Herausforderungen des Wettbewerbs überhaupt erst
stellen muss. Im Ergebnis führt die Beteiligungspolitik der Verbundunternehmen
zu Marktstrukturen, die den rechtlich abgeschotteten Gebietsmonopolen vor
der Liberalisierung ähneln.
Wettbewerbsprobleme beim Netzzugang
246.* Die Wettbewerbsprobleme in der deutschen Elektrizitätswirtschaft
ergeben sich aus dem Zusammenwirken der natürlichen Monopole auf der
Netzebene mit der vertikalen Integration und der horizontalen Marktmacht
der vier großen Verbundunternehmen. Stromübertragungs- und -verteilnetze
sind ökonomisch als nicht angreifbare natürliche Monopole zu
klassifizieren. Es ist davon auszugehen, dass die aus den spezifischen
Kostenstrukturen resultierende grundsätzliche Wettbewerbsresistenz
des Betriebs von Stromnetzen auch langfristig bestehen bleiben wird. Stromnetze
sind außerdem als wesentliche Einrichtungen anzusehen, da der Zugang
Dritter zu den Leitungsnetzen eine notwendige Voraussetzung für den
Wettbewerb auf den vor- und nachgelagerten Märkten der Stromerzeugung
und des Stromeinzelhandels darstellt. Da monopolistische und vertikal integrierte
Stromnetzbetreiber keinen Anreiz haben, ihre Dienstleistungen zu einem
wettbewerbsanalogen Preis bereitzustellen oder Wettbewerbern den Netzzugang
zu nicht diskriminierenden Bedingungen zu ermöglichen, sind die Netzzugangsentgelte
einer Preisregulierung zu unterstellen.
247.* Die Regulierung von Netznutzungsentgelten hat das Ziel,
missbräuchlich hohe Netzentgelte zu verhindern und dem Netzbetreiber
gleichzeitig ausreichende Erlöse zur Finanzierung der im Rahmen des
Netzbetriebs anfallenden Betriebs- und Kapitalkosten zu ermöglichen.
Die Regulierungsbehörde steht dabei vor einem grundsätzlichen
Informationsproblem, das daraus resultiert, dass keine wettbewerblichen
Vergleichsmaßstäbe zur Beurteilung der Netznutzungsentgelte
zur Verfügung stehen und sie gezwungen ist, die Angemessenheit der
Netzentgelte anhand der Kosten des Netzbetreibers zu überprüfen.
In der Regel wird die Regulierungsbehörde aber nur begrenzt beurteilen
können, inwieweit die vom Netzbetreiber vorgelegten Kosten unter Effizienzgesichtspunkten
tatsächlich gerechtfertigt sind. Grundsätzliche konzeptionelle
Probleme ergeben sich darüber hinaus aus dem Tatbestand, dass die
Kostenstruktur von Leitungsnetzen in der Stromwirtschaft durch einen hohen
Anteil von Fix- und Gemeinkosten gekennzeichnet ist, die den einzelnen
Teilleistungen des Netzbetriebs zugerechnet werden müssen. Hierfür
existieren keine allgemein gültigen ökonomischen Regeln. Vielmehr
wurden verschiedene Zurechnungsverfahren entwickelt, die jeweils spezifische
Vor- und Nachteile im Hinblick auf ihre Effizienzeigenschaften, auf ihre
Praktikabilität bezüglich des Informationsbedarfs der Regulierungsinstanz
sowie auf die verbleibenden Preissetzungsspielräume, die sie dem Netzbetreiber
bei der Ausgestaltung von Einzelpreisen belassen, aufweisen. Die Abwägung
zwischen den Vor- und Nachteilen alternativer Zurechnungsverfahren hängt
von den Gegebenheiten des jeweiligen Sektors ab und kann sich im Zeitablauf
ändern. Allzu vereinfachende pauschale Zuordnungsregeln für Fix-
und Gemeinkosten sind der Komplexität des Problems in der Regel jedoch
nicht angemessen und können zu ineffizienten Marktergebnissen führen.
248.* Verfahren zur Regulierung von Netznutzungsentgelten lassen
sich danach unterscheiden, in welchem Umfang sie bei der Preisfeststellung
auf die tatsächlich entstandenen Kosten aus dem Netzbetrieb zurückgreifen.
Bei der Kostenregulierung erfolgt die Preisbestimmung ex post auf der Grundlage
der vom Netzbetreiber vorgelegten Kostenaufstellung. Dadurch können
Abweichungen der Preise von den nachgewiesenen Gesamtkosten und somit Monopolgewinne
vermieden werden. Problematisch ist jedoch, dass Kostenaufstellungen manipuliert
werden können und mit einer Kostenregulierung keinerlei Anreize für
eine effiziente Leistungsbereitstellung verbunden sind. Verfahren der Anreizregulierung
zielen demgegenüber darauf ab, durch eine Entkopplung der regulatorisch
festgelegten Preise von den in der Vergangenheit entstandenen Kosten des
Netzbetriebs Anreize für eine effiziente Leistungsbereitstellung zu
geben. International findet im Elektrizitätssektor vor allem die Variante
einer Erlösobergrenzenregulierung Anwendung, bei der die Entwicklung
der dem Netzbetreiber erlaubten Gesamterlöse für einen bestimmten
Zeitraum an die Entwicklung des Einzelhandelspreisindex (Retail Price Index)
und eine von der Regulierungsbehörde ex ante geschätzte Produktivitätsfortschrittsrate,
den sog. X-Faktor, gebunden wird. Die zulässige Erlösobergrenze
wird einschliesslich der Produktivitätsfortschrittsrate in periodischen
Abständen neu festgesetzt, wobei auch die Kosten- und Gewinnentwicklung
des regulierten Netzbetreibers während der vergangenen Regulierungsperiode
berücksichtigt wird. Mit einem solchen Regulierungsverfahren werden
erhebliche Anreize zur effizienten Leistungsbereitstellung gegeben, da
Kostenreduktionen, die über die geschätzten Produktivitätsfortschritte
hinausgehen, vom Netzbetreiber als zusätzliche Gewinne einbehalten
werden können.
249.* Die grundlegende Idee von Benchmarkingverfahren besteht
darin, durch einen Vergleich von Preisen, Erlösen oder Kosten mehrerer
Unternehmen Hinweise auf die relative Effizienz eines Netzbetreibers zu
gewinnen. Das im Rahmen der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht angewandte
Vergleichsmarktkonzept stellt ein rudimentäres Benchmarkingverfahren
dar. Aus ökonomischer Sicht ist die Aussagekraft des Vergleichsmarktkonzepts
allerdings relativ gering, da es auf einen Vergleich der Preise bzw. Erlöse
abstellt, die nur mangelhaft wettbewerblich beeinflusst sind und erhebliche
Monopolrenten enthalten können. Das Problem eines Vergleichs von Monopolpreisen
kann durch ein kostenorientiertes Benchmarkingverfahren vermieden werden,
bei dem auf einen Vergleich der Kosten verschiedener Netzbetreiber abgestellt
wird. Die Ergebnisse eines Kostenbenchmarkings können im Rahmen von
Preisregulierungsverfahren eingesetzt werden, um einen gewissen Wettbewerb
zwischen den Netzbetreibern zu simulieren. Dies geschieht derart, dass
die Netzbetreiber mit vergleichsweise hohen Kosten strengere Vorgaben zur
Kostensenkung erhalten als vergleichsweise effiziente Unternehmen. Damit
werden Anreize geschaffen, die Kosten über den Branchendurchschnitt
hinaus zu senken.
250.* Die mit der Preisaufsicht über monopolistische Netzbetreiber
verbundenen Informationsprobleme und konzeptionellen Schwierigkeiten bei
der Kostenprüfung stellen sich grundsätzlich auch den Gerichten,
sofern sich die gerichtliche Überprüfung von Entscheidungen der
Regulierungsbehörde auch auf die materielle Prüfung der Netzentgelte
erstreckt. Die Gerichte dürften aufgrund der Komplexität des
Entscheidungsproblems mit dieser Aufgabe jedoch grundsätzlich überfordert
sein. Die Monopolkommission spricht sich daher dafür aus, den mit
der Überprüfung von Netznutzungsentgelten verbundenen konzeptionellen
Problemen verfahrensmäßig durch ein mehrstufig aufgebautes System
von Gesetzen, Verordnungsbestimmungen und von der Aufsichtsbehörde
erlassenen Verfahrensgrundsätzen Rechnung zu tragen, wobei der Regulierungsbehörde
die Wahl eines Preisregulierungsverfahrens grundsätzlich überlassen
bleiben sollte. Die gerichtliche Überprüfung einer Regulierungsentscheidung
sollte sich auf die Übereinstimmung der Einzelfallentscheidung mit
den Verfahrengrundsätzen der Regulierungsbehörde bzw. auf die
Übereinstimmung der Verfahrensgrundsätze mit den übergeordneten
Gesetzes- und Verordnungsvorschriften beschränken. Eine materiellrechtliche
Überprüfung von Einzelentgelten durch die Gerichte entfiele.
Die Monopolkommission spricht sich darüber hinaus für eine Ex-ante-Regulierung
der Netzpreise aus, um die Anwendung anreizorientierter Regulierungsinstrumente
möglich zu machen. Internationale Erfahrungen, beispielsweise aus
England, verdeutlichen, dass mit einer anreizorientierten Regulierung erhebliche
Effizienzsteigerungen erzielt werden können.
251.* Das englisch-walisische Elektrizitätsversorgungssystem
wurde 1990 grundlegend neu strukturiert. Die wettbewerblichen Reformen
umfassten die eigentumsrechtliche Separierung des Übertragungsnetzes,
dass der National Grid Company übertragen wurde, von den Erzeugungskapazitäten,
die auf die drei neugegründeten Unternehmen PowerGen, National Power
und Nuclear Electric aufgeteilt wurden. Für den Betrieb des Verteilnetzes
und die Versorgung von Endkunden sind zwölf Regional Electricity Companies
zuständig. Im Bereich der Versorgung von Endkunden wurde der Markt
sukzessive dem Wettbewerb geöffnet. Haushaltskunden haben seit dem
Jahr 1998 die Möglichkeit, ihren Anbieter zu wählen. Als sektorspezifische
Regulierungsbehörde wurde das Office of Electricity Regulation gegründet,
dass im Jahr 1999 mit der Regulierungsbehörde für den Gassektor
zum Office of Gas and Electricity Markets (Ofgem) verschmolzen wurde. Als
natürliche Monopole wurden der Betrieb des Übertragungs- und
der Verteilnetze einer Ex-ante-Preisregulierung unterstellt. Die Übertragungs-
und Verteilnetzentgelte werden mittels einer Erlösobergrenze mit jährlicher
Anpassung auf der Grundlage des Einzelhandelspreisindex abzüglich
den von der Regulierungsbehörde geschätzten Produktivitätsfortschritten
reguliert (RPI minus X-Regulierung). Die für die erste Regulierungsperiode
festgelegten Erlösobergrenzen erwiesen sich als äußerst
großzügig und erlaubten den Unternehmen beträchtliche Gewinne.
Die Regulierungsbehörde hat die erlaubte Erlösobergenze in den
beiden folgenden Regulierungsperioden daher beträchtlich reduziert,
um das Niveau der Netzentgelte an die gesunkenen Kosten anzupassen. Mittels
der in England praktizierten Anreizregulierung sind die Netzzugangsentgelte
seit der Liberalisierung real um 50 % gefallen. Sowohl die National Grid
Company als auch die Verteilnetzbetreiber konnten beträchtliche Produktivitätsfortschritte
erzielen, die deutlich über das allgemeine Produktivitätswachstum
in Großbritannien hinausgingen. Wie die regelmäßig von
der Regulierungsbehörde veröffentlichten Berichte zum Stand der
Versorgungssicherheit zeigen, sind die Kosteneinsparungen dabei nicht zulasten
der Qualität erfolgt.
252.* Entscheidend für die wettbewerbliche Entwicklung
der Elektrizitätswirtschaft ist neben dem Netzzugang die wettbewerbliche
Funktionsfähigkeit der Stromgroßhandelsmärkte. Im Stromgroßhandel
lassen sich der eigentliche Großhandelsmarkt und der Markt für
den Handel mit Regelenergie unterscheiden. Beide Märkte sind bei mangelnder
Liquidität anfällig für das Ausüben horizontaler Marktmacht
der Anbieter.
Wettbewerbsprobleme auf den Großhandelsmärkten
253.* Regelenergie wird benötigt, um kurzfristige Schwankungen
von Stromeinspeisungen und -entnahmen auszugleichen und die Netzfrequenz
stabil zu halten. Differenzen zwischen den am Vortag angemeldeten Fahrplänen
der Marktteilnehmer und dem tatsächlichen Verbrauch am Liefertag sind
aufgrund kurzfristiger Veränderungen des Verbrauchs, unvorhergesehenen
Kraftwerksausfällen und natürlichen Schwankungen der Windenergieeinspeisung
unvermeidlich. Die Ausregelung von Einspeise- und Entnahmeschwankungen
ist Teil der Systemsteuerungsfunktion und obliegt dem Übertragungsnetzbetreiber,
in Deutschland mithin den vier Verbundunternehmen. Diese stellen in ihrer
jeweiligen Regelzone den einzigen Nachfrager nach Regelenergie dar. Die
Beschaffung von Regelenergie kann grundsätzlich auf wettbewerblichem
Wege erfolgen. In Deutschland wurde die wettbewerbliche Öffnung der
Regelenergiemärkte durch Auflagen des Bundeskartellamtes, die die
Verbundunternehmen verpflichten, die in ihrer Regelzone jeweils benötigte
Regelenergie durch Ausschreibungsverfahren zu beschaffen, durchgesetzt.
Der Großteil der Regelenergiekosten von ca. 1 Mrd. jährlich
wird als nicht individualisierbare Systemdienstleistung den Netznutzern
in Rechnung gestellt. Mit einem Anteil von über 40 % an den gesamten
Übertragungsnetzentgelten stellen die Regelenergiekosten einen bedeutenden
Kostenblock für die Nutzung des Höchstspannungsnetzes dar. Die
wettbewerbliche Entwicklung auf den Regelenergiemärkten verläuft
bisher wenig zufrieden stellend. Die Regelenergiekosten sind in den letzten
Jahren beträchtlich gestiegen und waren nach Angaben der Verbundunternehmen
die Ursache für die mehrfach signifikant angehobenen Netznutzungsentgelte
auf der Höchstspannungsebene. Einen Hinweis auf die bisher wenig effiziente
Funktionsweise der Regelenergiemärkte liefern die deutlich höheren
Preise für Regelenergie im Vergleich mit den Preisen des auf dem Spotmarkt
am Tag zuvor gehandelten Stroms. Hohe Preisdifferenzen zwischen Regelenergie-
und Spot-marktpreisen würden bei wettbewerblich funktionierenden Regelenergiemärkten
zu einer Verlagerung des Angebots auf die Regelenergiemärkte und zu
einer Annäherung der Regelenergiepreise an die Spotpreise führen.
Längerfristig bestehende Preisdifferenzen lassen sich nur mit Marktzutrittsbarrieren
auf den Regelenergiemärkten erklären.
254.* Ein wesentliches Hindernis für die wettbewerbliche
Entwicklung der Regelenergiemärkte besteht darin, dass die Verbundunternehmen
die für die Teilnahme an den Ausschreibungsverfahren zu erfüllenden
technischen Kriterien formulieren und auch die Details des Ausschreibungsverfahrens
festlegen. Sie bestimmen somit in großem Umfang selbst die Marktregeln
auf den Regelenergiemärkten. Da die Verbundunternehmen keine Anreize
haben, die Wettbewerbsentwicklung auf den Regelenergiemärkten zu fördern
und die Kosten der Beschaffung von Regelenergie, die auf die Übertragungsnetzentgelte
umgelegt werden, zu verringern, ist nicht davon auszugehen, dass die Ausgestaltung
der Marktregeln in wettbewerbsfördernder Weise erfolgt. Wettbewerbsbehindernd
wirkt außerdem die gegenwärtig geringe Anzahl von Marktteilnehmern
an den Ausschreibungsverfahren für Regelenergie. Der Großteil
der Gebote in einer Regelzone entfällt darüber hinaus auf Kraftwerksgesellschaften,
die mit dem jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber im Konzern verbunden
sind. Wettbewerbliche Vorstöße eines Verbundunternehmens in
die Regelzone eines anderen Übertragungsnetzbetreibers finden nicht
statt. Die geringe Liquidität auf den Regelenergiemärkten geht
zum einen auf unangemessene technische Anforderungen seitens der Übertragungsnetzbetreiber,
zum anderen auf den durch vier Regelzonen fragmentierten Markt zurück.
Die Monopolkommission plädiert daher mit Nachdruck für eine Zusammenfassung
der vier Regelzonen zu einem einheitlichen bundesweiten Markt für
die Beschaffung von Regelenergie. Mit Bildung einer einheitlichen Regelzone
würde sich die Anzahl der am Ausschreibungsprozess teilnehmenden Anbieter
auf einen einzigen Markt konzentrieren. Darüber hinaus würde
koordiniertes Verhalten der vier Verbundnetzbetreiber und eine stillschweigende
Aufteilung des Gesamtmarktes entlang der Regelzonengrenzen erschwert. Schliesslich
würde der Regelenergiebedarf deutlich gesenkt, da positive und negative
Bilanzabweichungen regelzonenübergreifend ausgeglichen werden könnte.
In hohem Maße wettbewerbsbehindernd ist nach Auffassung der Monopolkommission
darüber hinaus die sich aus dem vertikalen Verbund von Stromerzeugung/Stromhandel
ergebende Interessenlage der Übertragungsnetzbetreiber. In ihrer Funktion
als Systembetreiber erhalten die Verbundunternehmen notwendigerweise eine
Fülle wettbewerbsrelevanter Informationen über die aktuelle Netzlast,
Netzengpässe, die Verfügbarkeit von Erzeugungskapazitäten
sowie die Angebotspreise der einzelnen Kraftwerksblöcke, die ihnen
erhebliche strategische Vorteile gegenüber ihren Wettbewerbern im
Erzeugungsbereich und im Stromhandel verschaffen. Das mit diesem Informationsmonopol
verbundene Diskriminierungspotential kann nach Auffassung der Monopolkommission
nur durch einen von Erzeugungs- und Handelsinteressen unabhängigen
Systembetreiber wirksam beseitigt werden. Sie empfiehlt daher, die Führung
einer deutschlandweiten Regelzone einem unabhängigen Systembetreiber
zu übertragen, der weder direkt noch über konzernverbundene Gesellschaften
im Erzeugungs- oder Handelsbereich tätig ist. Eine in Deutschland
verfassungsrechtlich problematische Eigentumsübertragung wäre
damit nicht verbunden, da das Netzeigentum bei den bisherigen Verbundunternehmen
verbleiben könnte.
255.* Wettbewerblich funktionsfähige Großhandelsmärkte
übernehmen in liberalisierten Strommärkten zentrale ökonomische
Funktionen. Sie sorgen kurzfristig für einen effizienten Kraftwerkseinsatz
und stellen Preissignale für Investitionen in Erzeugungskapazitäten
bereit. Darüber hinaus kommt den Großhandelsmärkten eine
wichtige Bedeutung für das Risikomanagment der Marktteilnehmer zu.
Sofern in liberalisierten Strommärkten langfristige Vollversorgungsverträge
zumindest teilweise durch kurzfristige Handelsgeschäfte abgelöst
werden, entsteht sowohl für Stromerzeuger als auch für Abnehmer
der Bedarf, sich gegen schwankende Strompreise abzusichern. Hierfür
werden auf den Großhandelsmärkten verschiedene Formen von Terminkontrakten
als Absicherungsinstrumente zur Verfügung gestellt. Die Allokations-
und Risikomanagementfunktion von Stromgroßhandelmärkten, insbesondere
Strombörsen, wird jedoch beeinträchtigt, wenn die Großhandelspreise
durch marktmächtige Handelsteilnehmer manipuliert werden können.
Stromgroßhandelsmärkte sind aufgrund der unelastischen Nachfrage
sowie der in Spitzenlastzeiten ebenfalls geringen Angebotselastizität
in besonderem Maße anfällig für strategisches Angebotsverhalten
marktmächtiger Erzeugungsunternehmen. Selbst bei stark überhöhten
Angebotspreisen muss weder mit einem großen Rückgang der nachgefragten
Menge noch mit einem Verlust an Marktanteilen gerechnet werden. Daher haben
in Spitzenlastzeiten selbst Anbieter mit vergleichsweise geringen Marktanteilen
erhebliche Preissetzungsspielräume. Beispielsweise waren Preismanipulationen
durch strategisches Angebotsverhalten zumindest teilweise mitverantwortlich
für den exorbitanten Anstieg der Großhandelspreise und den darauf
folgenden Zusammenbruch des kalifornischen Strommarktes im Jahr 2001. Die
Preissteigerungen wurden zu einem beträchtlichen Teil durch eine künstliche
Verknappung des Angebots herbeigeführt, indem Kraftwerke zu Wartungsarbeiten
vom Netz genommen wurden. Hinweise auf Marktmachtprobleme und strategische
Preismanipulationen auf den deutschen Stromgroßhandelsmärkten
liefern die bisher allerdings nur vereinzelt aufgetretenen Preisspitzen
an der deutschen Strombörse, die sich nach Ansicht von Marktteilnehmern
nicht ausschließlich auf eine Änderung der Marktfundamentaldaten
zurückführen lassen. Nach Einschätzung der Monopolkommission
könnten sich die Wettbewerbsprobleme auf den Stromgroßhandelsmärkten
durch den angekündigten Abbau von Erzeugungskapazitäten in Zukunft
jedoch erheblich verschärfen. Um Marktmachtproblemen auf dem Stromgroßhandelsmarkt
Rechnung zu tragen, wäre eine intensivierte wettbewerbliche Aufsicht
über die Stromgroßhandelsmärkte notwendig, die der zukünftigen
Regulierungsbehörde für den Stromsektor übertragen werden
könnte.
256.* Die Spielräume für strategische Preismanipulationen
werden durch eine mangelnde Preistransparenz und eine asymmetrische Informationsverteilung
zwischen den Marktteilnehmern verschärft. In Deutschland sind die
Verbundunternehmen sehr viel besser über geplante und tatsächliche
Lastflüsse, die Verfügbarkeit eigener und fremder Kraftwerke,
Netzengpässe und grenzüberschreitende Stromflüsse informiert
als andere Marktteilnehmer. Wie internationale Erfahrungen belegen, haben
besser informierte Marktteilnehmer vielfältige Möglichkeiten,
durch überhöhte Preisgebote, die strategische Deklaration von
Netzengpässen, ungeplante Kraftwerksrevisionen oder manipulative Handelspraktiken
die Großhandelspreise zu beeinflussen. Die Verbundunternehmen sollten
daher zumindest verpflichtet werden, preisrelevante Informationen über
die geplante und tatsächliche Netzlast, geplante und ungeplante Kraftwerksrevisionen
und die Belegung der Kuppelkapazitäten ins Ausland vorab oder in Echtzeit
öffentlich zugänglich zu machen.
257.* Marktmachteffekte auf Stromgroßhandelsmärkten
können durch die Einführung eines Emissionszertifikatehandels,
wie ab Januar 2005 in der Europäischen Union für CO2-Emissionen
geplant, verstärkt werden. So waren die exorbitant steigenden Preise
für SO2-Zertifikate mitursächlich für den Anstieg der Großhandelspreise
während der kalifornischen Stromkrise. Steigende Großhandelspreise
können sowohl auf bewusstes Zurückhalten oder Aufkaufen von Zertifikaten
durch marktmächtige Anbieter auf den Strommärkten als auch auf
eine Verschiebung der Knappheitsverhältnisse auf dem Zertifikatemarkt
zurückgehen. In Kalifornien beispielsweise bewirkte das wetterbedingte
Ausfallen von Wasserkraft, dass der Bedarf an fossil erzeugtem Strom und
damit der Bedarf an Emissionszertifikaten zunahm. In Spitzenlastzeiten,
in denen Kapazitätsrestriktionen auf den Stromgroßhandelsmärkten
wirksam werden und marktmächtige Anbieter erhebliche Preissetzungsspielräume
besitzen, erschweren hohe Zertifikatspreise den Marktzutritt durch dritte
Anbieter. Um zu verhindern, dass marktmächtige Stromerzeugungsunternehmen
den Zertifikatehandel als zusätzlichen Hebel zur Vergrößerung
ihrer Verhaltensspielräume nutzen, schlägt die Monopolkommission
die Einführung eines flexiblen staatlichen Interventionssystems in
Form einer Offen-Markt-Politik für Emissionsrechte vor, bei der unvorhergesehen
starke Preissteigerungen auf den Zertifikatsmärkten durch den Verkauf
zusätzlicher Zertifikate nivelliert würden.
258.* Mehrjährige Erfahrungen mit Marktmachtproblemen auf
den Stromgroßhandelsmärkten liegen auch aus England vor. In
England wurde der Großhandel über den für alle Anbieter
obligatorischen Electricity Pool of England and Wales abgewickelt. Aufgrund
anhaltender Kritik über mangelnden Wettbewerb und die vielfältigen
Missbrauchsmöglichkeiten marktmächtiger Anbieter, wurde der Pool
im Jahr 2001 durch ein bilaterales Handelssystem abgelöst. Die Marktstruktur
auf dem englisch-walisischen Großhandelsmarkt war nach der Privatisierung
durch eine hohe Anbieterkonzentration gekennzeichnet. Die beiden Erzeugungsunternehmen
National Power und PowerGen, die über 80 % der Erzeugungskapazitäten
und vor allem über die poolpreissetzenden Spitzenlastkraftwerke verfügten,
bildeten ein marktbeherrschendes Dyopol. Die Ausgestaltung der Poolregeln
in Zusammenhang mit der durch zwei dominierende Anbieter gekennzeichneten
Marktstruktur gab schon früh Anlass zu Bedenken im Hinblick auf die
wettbewerbliche Entwicklung der Großhandelspreise und führte
zu beinahe jährlichen Untersuchungen durch die Regulierungsbehörde.
Dabei wurden wiederholt Preismanipulationen durch überhöhte Gebote
und das strategische Zurückhalten von Kraftwerkskapazitäten festgestellt.
Dies führte dazu, dass die Ausgestaltung der Preisfindungsregeln im
Pool mehrfach modifiziert wurden. Darüber hinaus gelang es der Regulierungsbehörde
die Anbieterkonzentration auf dem Großhandelsmarkt unter dem Druck
einer drohenden Untersuchung durch die Monopolies und Mergers Commission
sowie mittels Auflagen in Zusammneschlussfällen deutlich zu reduzieren.
Zur Verringerung der Konzentration hat außerdem die große Anzahl
neu in den Markt eingetretener Erzeugungsunternehmen beigetragen.
259.* Die Erfolge der Liberalisierung der englischen Stromwirtschaft
sind beachtlich. Im Erzeugungsbereich konnten durch die Stilllegung ineffizienter
Altanlagen, durch umfangreiche Neuinvestitionen und durch Produktivitätssteigerungen
erhebliche Effizienzgewinne erzielt werden. Die Kosten der Stromübertragung
und -verteilung sind ebenso wie die im Rahmen des Systembetriebs anfallenden
Kosten seit der Liberalisierung beträchtlich gesunken. Dabei gibt
die Versorgungssicherheit weder hinsichtlich der Leitungskapazitäten
noch hinsichtlich der Erzeugungskapazitäten Anlass zur Sorge. Die
Wettbewerbsdynamik auf den Endkundenmärkten ist außerordentlich
hoch. Sowohl Industrie- als auch Haushaltskunden konnten durch sinkende
Strompreise von den Effizienzgewinnen im Stromsektor profitieren. Die Regulierungspolitik
von Ofgem hat dabei entscheidend zu diesen Erfolgen beigetragen. Aufgrund
ihrer weitreichenden Handlungsbefugnisse war es der britischen Regulierungsbehörde
möglich, auf die Marktentwicklung im Großhandel in flexibler
Weise zu reagieren und die Regulierung der natürlichen Monopole vor
dem Hintergrund praktischer Erfahrungen weiterzuentwickeln.
Reform des Regulierungsrahmens
260.* Demgegenüber sieht der vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Referentenentwurf für die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes in Deutschland nur sehr begrenzte Handlungsspielräume für die zukünftige Regulierungsbehörde vor. Erwartungsgemäß hat sich das Ministerium gegen eine Ex-ante Regulierung der Netzentgelte entschieden. Ex ante festgelegt werden sollen nur die Methoden zur Bestimmung der Netzentgelte, die darüber hinaus durch den Erlass von Rechtsverordnungen weitgehend durch das Wirtschaftministerium selbst festgelegt werden. Die vorliegenden ersten Entwürfe für eine Netzentgeltverordnung lassen eine umfassende Normierung von Kostenkalkulationsmethoden auf der Grundlage der Preisfindungsprinzipien der Verbändevereinbarung Strom II plus erwarten, die der Regulierungsbehörde nur wenig Spielräume zur Weiterentwicklung anreizorientierter Regulierungsverfahren einräumen. Als zentraler Prüfmaßstab zur Beurteilung der Angemessenheit der Netzentgelte ist der Begriff der elektrizitätswirtschaftlich rationellen Betriebsführung, der in einer Tradition kostenzuschlagsorientierter Preisregulierung auf der Basis vergangenheitsbezogener Ist-Kosten steht, aus Sicht der Monopolkommission wenig geeignet, den Erfordernissen einer effizienzorientierten Netzentgeltregulierung Rechnung zu tragen. Insofern vermag die Monopolkommission in dem vorgelegten Gesetzesentwurf keine substantielle Verbesserung der regulatorischen Rahmenbedingungen für den Elektrizitätssektor zu erkennen. Sie schlägt daher vor, zumindest den Begriff der elektrizitätswirtschaftlich rationellen Betriebsführung durch den auch im Bereich der Telekommunikationsregulierung verwendeten Begriff der effizienten Leistungsbereitstellung zu ersetzen sowie eine explizite Verpflichtung der Regulierungsbehörde zur Entwicklung anreizorientierter Preisregulierungsverfahren in das Gesetz aufzunehmen.