März 2004

040308

ENERGIE-CHRONIK


MVV stopft "Powerline"-Loch mit 30 Millionen Euro

Auch die Mannheimer MVV Energie AG zeigt nur noch beschränktes Interesse an der Powerline-Technologie zur Nutzung von Stromnetzen für Datenübertragungen. Sie bereinigt die bisher entstandenen Verluste und überläßt das Geschäft ganz dem Gemeinschaftsunternehmen Power Plus Communications AG (PPC), an dem neben der MVV (50,3%) die israelische Main.net Communications Ltd. (35,7% ) und die ABB New Ventures GmbH (14% ) beteiligt sind. Der kommunale Energieversorger vollzieht damit eine ähnliche Wende wie zuvor RWE (02912), E.ON (011213), Bewag (000230) oder EnBW (020912), die sich nach zeitweilig euphorischen Erwartungen ganz vom "Internet aus der Steckdose" verabschiedeten oder entsprechende Projekte stark zurückstutzten. Bei dem Mannheimer Versorger erfolgt der Rückzug im Rahmen einer grundlegenden Neustrukturierung und strategischen Neuausrichtung aufs Kerngeschäft, der auch andere Bereiche zum Opfer fallen (siehe 040307).

Bisher war das Gemeinschaftsunternehmen PPC nur für den Vertrieb des Systems an andere Stromnetzbetreiber in Deutschland und Österreich verantwortlich. Die Powerline-Aktivitäten im eigenen Netzbereich oblagen der MVV-Tochter MAnet GmbH,  die in Mannheim das "Internet aus der Steckdose" unter dem Produktnamen "Vype" anbot. Künftig konzentriert sich MAnet auf Telekommunikationsdienstleistungen für Geschäftskunden. Die "Vype"-Kunden werden von PPC übernommen.

Die MVV will bis zu 31 Millionen Euro aufwenden, um diese Neustrukturierung zu ermöglichen und die Verlustspuren zu tilgen, die das Powerline-Engagement bisher hinterlassen hat. Im einzelnen geschieht dies durch Wertberichtigungen im Anlagevermögen, durch Abschreibungen auf Beteiligungsbuchwerte und durch Entschuldung der defizitären Tochter MAnet. MVV-Chef Rudolf Schulten zeigte sich zuversichtlich, daß die von PPC vertriebene Powerline-Technologie doch noch eine Zukunft haben werde.

Das Hauptproblem bei Powerline bleibt die elektromagnetische Verträglichkeit

Im Prinzip ist die Nutzung von Stromleitungen für Kommunikationszwecke nichts Neues. Schon vor dem zweiten Weltkrieg verwendeten Netzbetreiber die sogenannte "Trägerfrequenz-Technik", um betriebsinterne Telefongespräche und Daten über Hochspannungsleitungen zu übertragen. Inzwischen sind die Hochspannungsleitungen mit leistungsfähigen Lichtwellenleitern bestückt und dadurch zu "Datenautobahnen" geworden. Es fehlt den Stromversorgern jedoch eine für anspruchsvolle Datenübertragungen taugliche Verbindung zum Endkunden. Diese "letzte Meile" soll mit der Powerline-Technik überbrückt werden. Das eigentliche Problem besteht darin, eine ausreichende Datenmenge zu übertragen, ohne daß die Trägerfrequenz einen beträchtlichen Störnebel um die nicht abgeschirmten Leitungen erzeugt und so mit den Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit in Konflikt kommt. Die diesbezüglichen Anforderungen an Powerline-Projekte wurden im Frühjahr 2001 in der Frequenzbereichszuweisungsplanungsverordnung festgelegt (010323). Darauf zog sich Siemens aus der Entwicklung zurück. Letzte Anbieter blieben die Schweizer Ascom und die israelische Main.net, von der EnBW bzw. MVV ihre Technik bezogen. Die MVV hatte die Mai.net-Technologie erstmals im März 2000 vorgestellt (000333) und wollte sie auch anderen kommunalen Versorgern verkaufen (010219). Außer in Mannheim wird sie bisher aber nur in Hameln, Dresden, Haßfurt und Linz kommerziell angeboten. Fachleute billigen den Powerline-Verfahren die größten Chancen in unterentwickelten Gebieten zu, wo es zwar eine Stromversorgung, aber oft nicht einmal ein funktionierendes Telefonnetz gibt und geringere Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit gestellt werden. Daneben könnte das Verfahren eine gewisse Bedeutung für die innerhäusliche Datenübertragung von Steckdose zu Steckdose erlangen (000817). Auf der "Cebit 2004", die im März in Hannover stattfand, zeigten die Firmen Netgear, Goldpfeil, Deneg und Devolo solche Powerline-Adapter zur Übertragung von Sprache und Musik über die vorhandene Elektroinstallation innerhalb von Gebäuden.

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