Oktober 2003

031001

ENERGIE-CHRONIK


EnBW kündigt Sozialleistungen und plant massiven Stellenabbau

Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) begann im Oktober mit der Umsetzung der rigorosen Sparmaßnahmen und Stellenstreichungen, die der neue Vorstandsvorsitzende Utz Claassen im Juli angekündigt hatte (030706). Auf zwei außerplanmäßigen Betriebsversammlungen in Heilbronn und Karlsruhe protestierten am 6. Oktober rund 5000 Mitarbeiter gegen die Pläne der Konzernleitung. Im Anschluss an viertägige Verhandlungen gaben Betriebsräte und EnBW-Vorstand am 30. Oktober eine gemeinsame Erklärung ab, wonach sie sich über einen "sozialverträglichen Personalabbau" geeinigt haben. Demnach gelten für alle Mitarbeiter, die bis zum 31. Dezember 2005 in Vorruhestand gehen, noch die bislang gültigen Regelungen zur Altersversorgung. Das gleiche wurde für Mitarbeiter vereinbart, die bis zu diesem Termin die Altersteilzeit in Anspruch nehmen. Die Vorruhestands-Regelung wird auf den Jahrgang 1951 ausgeweitet. Weitere Stellen sollen durch Abfindungsangebote und Nichtverlängerung von Zeitverträgen eingespart werden. Die jetzt vereinbarten Maßnahmen seien ein "erster Schritt", der dem Abbau von 2000 Arbeitsplätzen entspreche, sagte EnBW-Arbeitsdirektor Bernhard Beck gegenüber dem "Handelsblatt" (31.10.). Eine weitere Senkung der Personalkosten könne beispielsweise über die Einführung der Vier-Tage-Woche ohne Lohnausgleich erzielt werden.

Der neue EnBW-Vorstand will bis 2006 Einsparungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro vornehmen, wovon rund 350 Millionen Euro auf den Personalbereich entfallen. Zur Durchsetzung dieses sogenannten "Top Fit"-Programms kündigte er Ende September "vorsorglich die Betriebsvereinbarungen, die kostenintensive Sozialleistungen betreffen". Aus Kreisen der EnBW-Betriebsräte war zu hören, daß die Konzernleitung 3.700 von insgesamt 13.000 Arbeitsplätzen abbauen wolle. Allein im Kernbereich Energie solle jeder dritte Arbeitsplatz entfallen.

EnBW-Chef Claassen erklärte dazu in einem Gespräch mit der "Financial Times Deutschland" (6.10.), daß er sich als Alternative zu Entlassungen auch eine Vier-Tage-Woche ohne Lohnausgleich vorstellen könne. Es sei Sache der Arbeitnehmervertreter, "ob sie durch ein solches Solidaropfer betriebsbedingte Kündigungen überflüssig machen wollen". In einem Interview mit dem "Handelsblatt" (24.10.) warb Claassen erneut für die proportionale Kürzung von Arbeitszeit und Gehältern als "sozialste" Lösung: Sie würde zwei Drittel der geplanten Einsparungen von 350 Millionen Euro im Personalbereich erbringen und es ermöglichen, das restliche Drittel über "sozialverträglichen Personalabbau" zu decken.

"Geschäftsergebnis auch bei Strom negativ"

Die beabsichtigten Personalkostensenkungen seien "unabwendbar erforderlich, um das Überleben und die Wettbewerbsfähigkeit der EnBW nachhaltig zu sichern", erklärte der Vorstand am 9. Oktober in einem Offenen Brief an die EnBW-Beschäftigten. "Es ist leider nicht so, wie gelegentlich behauptet wird, dass das Unternehmen im Kerngeschäft angemessene Erträge erzielt. Das Vorsteuerergebnis des 1. Halbjahres 2003 war auch im Geschäftsfeld Strom negativ." Die Notwendigkeit erheblicher Personalkostensenkungen sei schon vor dem Wechsel an der Unternehmensspitze erkannt worden. Die jetzigen Maßnahmen basierten insofern "auf Plänen des früheren Vorstands, deren Auswirkungen seinerzeit möglicherweise nicht mit der gebotenen Klarheit kommuniziert worden sind".

Betriebsräte üben scharfe Kritik an Claassen

Der "Arbeitskreis Energie" der EnBW-Betriebsräte veröffentlichte seinerseits Ende Oktober einen Offenen Brief, in dem er dem neuen EnBW-Chef Claassen vorwarf, das Unternehmen schlecht zu reden und "unseriöse Spielereien mit den EnBW-Bilanzzahlen" zu betreiben. Claassen verbreite "Angst und Schrecken unter Mitarbeitern und Führungskräften". Die geplanten Einsparungen bedeuteten den Abbau von mehreren tausend Arbeitsplätzen und für viele Kollegen die Absenkung der Einkommen auf ein existenzgefährdendes Niveau. "Wir sind beschämt, schockiert und wütend, wie der einstmals gute Ruf der EnBW ruiniert worden ist", hieß es in dem Brief. Der EnBW-Vorstand unterbrach deshalb am 28. Oktober die viertägige Klausur mit Betriebsräten und Gewerkschaftsvertretern, auf der über das Sparprogramm verhandelt wurde. Die EnBW-Leitung ließ später verlauten, die Verhandlungskommission habe sich für das Papier des Arbeitskreises Energie entschuldigt. Aus Kreisen der Verhandlungskommission hieß es dagegen, daß sie keine generelle Entschuldigung abgegeben habe und die Kritik an Claassen grundsätzlich aufrechterhalte. (Stuttg. Zeitung, 29.10.)

Bewag verringert Personalbestand weiter

Bei der Berliner Bewag geht der Stellenabbau weiter. Aufgrund einer neuen Vereinbarung zwischen Vorstand und Personalvertretung soll die Belegschaft bis Ende 2005 um weitere 600 Mitarbeiter auf rund 3700 verringert werden. Der Personalabbau erfolgt auf freiwilliger Basis über Modelle wie Altersteilzeit, Teilzeitarbeit und Abfindungsangebote, da bei der Eingliederung von Bewag, HEW, Veag und Laubag in den Vattenfall-Konzern durch eine Vereinbarung mit dem Land Berlin betriebsbedingte Kündigungen bis 2007 ausgeschlossen wurden (020802). Die Höhe der Abfindungen soll im Durchschnitt etwa 100.000 Euro betragen. (Berl. Morgenpost, 28.9.).

Nach dem Fall der Mauer gab es 1990 in der Berliner Stromversorgung insgesamt 14.033 Beschäftigte, von denen 7.455 auf die Westberliner Bewag und 6.578 auf die Ostberliner Ebag entfielen. Schon vor der Fusion mit der Ebag plante die Bewag 1992 erste Stellenstreichungen (920808). Nachdem die Bewag 1993 die Ebag übernommen hatte und Ende 1996 vom Berliner Senat zur Privatisierung angeboten wurde, zählte sie noch 9.700 Beschäftigte (961208). Durch weiteren Stellenabbau (990107, 990722, 000310) reduzierte sie den Personalbestand bis Ende 2002 auf 4.627 Beschäftigte.

Stromversorger bauten in zehn Jahren vierzig Prozent der Arbeitsplätze ab

Insgesamt verringerte sich die Zahl der Beschäftigten bei den deutschen Stromversorgern von 1991 bis 2001 von 217.600 auf 130.500, was einem Rückgang um vierzig Prozent entspricht. Zum Zeitpunkt der Liberalisierung des Energiemarktes 1998 zählte die Branche noch etwa 171.000 Beschäftigte. Den stärksten Personalabbau gab es anschließend in den Jahren 1998 (-6,2%), 1999 (-5,8%), 2000 (-8,1%) und 2001 (-4,9%). Nach vorläufigen Erhebungen könnte die Beschäftigtenzahl im Jahr 2002 erstmals stagnieren oder sogar ein leichtes Plus aufweisen.