Februar 2002 |
020215 |
ENERGIE-CHRONIK |
Im Kernkraftwerk Brunsbüttel hat sich am 14. Dezember 2001 anscheinend eine Wasserstoff-Explosion ereignet, die auf zwei bis drei Meter Länge eine Zuleitung des Reaktordruckbehälter-Sprühsystems zerstörte. Das Ereignis wurde der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht am 17. Dezember gemeldet, zunächst aber als nicht sicherheitsrelevant eingestuft, weil die Bedienungsmannschaft von einer undichten Flanschverbindung ausging. Das Bundesumweltministerium stellte deshalb am 27. Februar öffentlich die Zuverlässigkeit des Betreibers in Frage und übergab dem Umweltausschuß des Bundestags einen Bericht zu dem Vorfall. Zugleich will das Ministerium alle anderen deutschen Siedewasserreaktoren dahingehend untersuchen lassen, ob sich dort ähnliche Wasserstoff-Explosionen ereignen können. Es handelt sich dabei um die Kernkraftwerke Gundremmingen 1 und 2, Philippsburg 1, Krümmel und Isar 1.
Wie das Ministerium in seinem Bericht an den Umweltausschuß erläuterte, entsteht beim Betrieb von Siedewasserreaktoren durch die radioaktive Strahlung im Kühlkreislauf aus Wasser eine bestimmte Menge von Wasserstoff und Sauerstoff. Bisher sei der Betreiber davon ausgegangen, daß der so entstandene Wasserstoff durch sogenannte Rekombinatoren aus dem Wasserdampf-Kühlkreislauf entfernt werde. Die sei aber nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen im Kernkraftwerk Brunsbüttel offensichtlich nicht vollständig geschehen.
Das Vorkommnis habe auch deshalb besondere sicherheitstechnische Bedeutung, weil die Wasserstoff-Explosion, sofern sie sich etwa drei bis vier Meter näher zum Reaktor hin ereignet hätte, zu einem Störfall mit Kühlmittelverlust und Aktivierung des Notkühlsystems geführt hätte. Obwohl weltweit schon verschiedentlich Wasserstoffexplosionen in Kernkraftwerken aufgetreten seien, werfe das Ereignis "sehr komplexe Sicherheitsfragen auf, die zum Teil in dieser Form neu sind".
Die beschädigte Leitung wird nur für das An- und Abfahren der Anlage benötigt. Sie liefert dann Wasser für die beschleunigte Abkühlung des Druckbehälter-Deckels. Die Bedienungsmannschaft des Kernkraftwerks Brunsbüttel hatte die Zerstörung des Leitungsabschnitts anhand verschiedener Anzeigen und Rechnermeldungen registriert. Sie interpretierte den Vorfall aber als undichte Flanschverbindung. Da die vermeintliche Leckage in einem für die Sicherheit der Anlage unbedeutenden Systembereich aufgetreten war, begnügte sie sich damit, den betroffenen Leitungsabschnitt über eine fernbediente Armatur abzusperren. Eine genauere Untersuchung und Behebung des Schadens sollte im Rahmen der nächsten Revision stattfinden, da dies nur bei Herunterfahren des Reaktors möglich ist.
Nach Darstellung des Bundesumweltministeriums erschienen der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht die Erklärungen des Betreibers zu dem am 17. Dezember gemeldeten Vorfall nicht schlüssig. Sie habe deshalb über mehrere Wochen mit dem Betreiber diskutiert. Diesem seien dabei auch Zweifel an der ursprünglichen Einschätzung des Ereignisses gekommen. Der Aufforderung der Behörde, die Anlage abzufahren und eine Inspektion durchzuführen, sei er aber erst am 18. Februar nachgekommen, nachdem die Behörde mit Erlaß einer entsprechenden Anordnung gedroht habe.
Die Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH wandte sich am 27. Februar gegen Vorwürfe, den Vorfall verspätet gemeldet zu haben, und erklärte weiter: "Im Nachgang zu dem Ereignis wurden analytische Untersuchungen unter Einbeziehung eines Gutachters durchgeführt, um die Bewertung des Ereignisses aus den vorliegenden Informationen abzusichern. Diese Untersuchungen führten zu der Entscheidung, die Leistung der Anlage am 18. Februar 2002 abzusenken und den Sicherheitsbehälter im Beisein von Vertretern der Aufsichtsbehörde und des Gutachters TÜV Nord zu begehen. Bei dieser Inspektion stellte sich der Schaden umfangreicher dar als ursprünglich angenommen wurde."
Der Siedewasserreaktor Brunsbüttel wurde 1977 in Betrieb genommen und hat eine Leistung von 771 Megawatt. Gesellschafter der Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH sind zu zwei Dritteln die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) und zu einem Drittel die E.ON AG als Nachfolgerin der ehemaligen PreussenElektra.