Juli 2001

010714

ENERGIE-CHRONIK


Bundesregierung fordert Stillegung des KKW Temelin

Mit ungewohnter Deutlichkeit hat die Bundesregierung die Stillegung des Kernkraftwerks Temelin verlangt, das nach einer Serie von Pannen (010416) Anfang August den Probetrieb wieder aufnehmen soll. In einem Schreiben appellierte sie "eindringlich an die Regierung der Tschechischen Republik, ihre Entscheidung zur Inbetriebnahme des AKW Temelin aufzuheben und das Atomkraftwerk stillzulegen". Der Appell an die Prager Regierung wurde auf diplomatischem Weg weitergeleitet und lediglich inoffiziell veröffentlicht. Er basiert seinerseits auf einer Stellungnahme des Bundesumweltministeriums zur Umweltverträglichkeitsprüfung des Kraftwerkes. Demnach haben Experten in Temelin Mängel festgestellt, die "einer Genehmigung nach deutschem Recht und internationalen Standards entgegenstehen". Noch schärfer als bisher (010513) distanziert sich damit das Bundesumweltministerium von der Darstellung der tschechischen Regierung, wonach eine von ihr eingesetzte internationale Kommission unter Mitwirkung deutscher Experten die Unbedenklichkeit des neuen Kernkraftwerks Temelin festgestellt habe (010416).

Nach Bekanntwerden des deutschen Appells erlitten die Aktien des tschechischen Energieversorgers Ceske Energeticke Zavody (CEZ) am 16.7. einen Wertverlust von über zwanzig Prozent und wurden vorübergehend aus dem Handel gezogen. Prager Regierungskreise reagierten verärgert und irritiert. Zunächst versuchten sie, die Kritik als Einzelmeinung von Bundesumweltminister Trittin herunterzuspielen. In tschechischen Medien kursieren Verschwörungstheorien, wonach die Kritik vor allem den Aktienkurs des Temelin-Betreibers CEZ drücken soll, der derzeit zum Verkauf ansteht (Handelsblatt, 16.7. u. 20.7.; SZ, 17.7.).

Laut "Neue Züricher Zeitung" (20.7.) denkt man in der Prager Regierung darüber nach, das Kernkraftwerk Temelin bei Fortdauer der politischen Probleme auszugliedern, um die Privatisierung von CEZ nicht zu gefährden. Ein Verzicht auf die Anlage komme aber für die Regierung politisch wie wirtschaftlich nicht in Frage, weil er nicht nur die Privatisierung von CEZ, sondern auch das Unternehmen selbst in seiner Existenz gefährden würde.