Januar 2001

010120

ENERGIE-CHRONIK


Trittin weist Stuttgarter CDU-Kollegen an, keinen Castor-Transport zu erzwingen

Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hat am 23.1. seinen Stuttgarter Amtskollegen Ulrich Müller (CDU) angewiesen, bei der anstehenden Entscheidung über die Entladung der abgebrannten Brennelemente aus dem Reaktorkern des KKW Neckarwestheim die Rechtsauffassung des Bundes zugrunde zu legen. Demnach gilt es nicht als Kapazitätsüberschreitung der Freihalteplätze im Nasslager des Kernkraftwerks, wenn gleichzeitig Castor-Behälter auf dem Kraftwerksgelände zum Abtransport bereitgestellt bleiben. Die Stuttgarter Landesregierung vertritt dagegen die Auffassung, dass die freien Plätze im Nasslager erst nach dem Abtransport der Castor-Behälter genutzt werden dürften. Andernfalls müsse das Kernkraftwerk abgeschaltet werden.

Betreiber des Gemeinschaftskernkraftwerks Neckarwestheim sind die Energie Baden-Württemberg (EnBW) und die Neckarwerke Stuttgart (NWS). Die Weisung Trittins befreit sie vom Zwang, noch vor dem anstehenden Revisionstermin im April einen der seit längerem genehmigten Castor-Transporte nach Ahaus durchführen zu müssen (000104). Das Bundesamt für Strahlenschutz wird nämlich voraussichtlich bis Ende Februar ein "Interimslager" auf dem Gelände des KKW Neckarwestheim genehmigen. Abgebrannte Brennelemente können dann solange in dieser provisorischen Umhausung verbleiben, bis die dezentralen Zwischenlager aufnahmebereit sind, die gemäß dem Atomkompromiß zwischen Bundesregierung und KKW-Betreibern an den einzelnen Standorten errichtet werden (000106).

In der Pressemitteilung seines Ministeriums vom 23.1. warf Trittin der CDU-Landesregierung in Stuttgart vor, dem Atomkonsens mit den Energieversorgern (000601) unterlaufen zu wollen. Er könne und werde es "nicht zulassen, dass das Atomrecht für politische Ziele instrumentalisiert wird".

Die Frankfurter Rundschau (24.1.) entdeckte "bizarre Fronten" bei dieser Auseinandersetzung: "Da droht ein Stuttgarter Umweltminister, die Atomkraft auszuknipsen, wenn Neckarwestheim keinen Castor auf den Weg schickt. Derlei Manöver hießen bisher 'grüne Verstopfungsstrategie', nun werden sie von Christdemokraten betrieben. Da muss im Gegenzug ein grüner Bundesminister für das reibungslose Weiterlaufen eines AKW sorgen."

Grüne verzichten auf Proteste gegen Rücktransport aus La Hague

Der Parteirat der Grünen rief am 22.1. alle Kreis- und Ortsverbände dazu auf, keine Blockaden oder Demonstrationen zu unterstützen, die den Atomkompromiß zwischen Bundesregierung und KKW-Betreibern gefährden könnten. Die Grünen wollen demnach künftig zwischen "unsinnigen" und unvermeidbar "notwendigen" Nuklear-Transporten unterscheiden. Zu den ersteren rechnen sie den bevorstehenden Rücktransport radioaktiver Abfälle aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague ins Lager Gorleben (001020). Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg und andere Kernkraftgegner mobilisieren dagegen weiter für Aktionen gegen den Transport aus La Hague, der für Ende März erwartet wird (FR, 23.1. u. 11.1.).

Das Handelsblatt (24.1.) hob hervor, dass der Atomkompromiß vom 15. Juni vorigen Jahres noch immer nur eine "bloße Absichtserklärung" darstellt. Die Vereinbarungen könnten erst dann verbindlich werden, wenn sie in eine entsprechenden Novellierung des Atomgesetzes umgesetzt sind. Für die Bundesregierung gebe es hier eine "Bringschuld" zur Sicherung der Entsorgung von Atommüll. "Der große Test für die Absprache steht an, wenn die Castor-Transporte zu den regionalen Zwischenlagerkapazitäten auf die Reise geschickt werden."