Dezember 2000 |
001201 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW), die neuerdings zum schwedischen Stromkonzern Vattenfall gehören (001002), übernehmen die Aktienmehrheit beim ostdeutschen Verbundunternehmen Veag und dessen Braunkohle-Lieferanten Laubag. Ein entsprechender Kaufvertrag mit den bisherigen Hauptaktionären RWE und E.ON wurde am 13.12. unterzeichnet. Wie die Verkäufer mitteilten, beläuft sich der Gesamtpreis auf insgesamt 2,9 Milliarden Mark. Davon entfallen rund 1,6 Milliarden Mark auf E.ON und rund 1,3 Milliarden Mark auf RWE. Bisher hält E.ON 48,75 Prozent an der Veag und 45 Prozent an der Laubag. RWE besitzt 32,5 Prozent an der Veag und 47,5 Prozent an der Laubag.
Die HEW haben sich bereit erklärt, die Verpflichtungen von RWE und E.ON aus den Privatisierungsverträgen für Veag und Laubag (940901) zu übernehmen. Dies gilt vor allem für die Erfüllung der Investitionsprogramme und die langfristige Sicherung der Verstromung ostdeutscher Braunkohle.
Die Veräußerung der Veag-Beteiligungen bis zum 13.12. war eine Bedingung der deutschen und europäischen Kartellbehörden für die Genehmigung der beiden Großfusionen von RWE und VEW zum neuen RWE-Konzern sowie von Veba und Viag zum E.ON-Konzern (000603). Ausserdem musste die E.ON ihren 49-Prozent-Anteil an der Berliner Bewag zu verkaufen. Die dafür gesetzte Frist lief ebenfalls am 13.12. ab. Die E.ON hatte das Bewag-Paket zwar bereits im August an HEW/Vattenfall veräußert, doch stiess dieser Verkauf auf heftigen Widerstand des Bewag-Aktionärs Southern Energy und konnte deshalb bisher nicht rechtskräftig werden (001101). Nach Ablauf der gesetzten Frist übernimmt vorerst ein Treuhänder das strittige Bewag-Aktienpaket.
HEW/Vattenfall will sich mit dem Erwerb von Veag und Bewag als "vierte Macht" auf dem deutschen Strommarkt positionieren. In der Endrunde um die Veag konkurrierte der deutsch-schwedische Stromkonzern mit AEP, Bewag, EnBW, Enel und NRG. Die Entscheidung zugunsten von HEW/Vattenfall wurde am 13.12. zuerst vom Bundeswirtschaftsministerium bekanntgegeben und von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller ausdrücklich begrüßt. Der Verkaufsvertrag bedarf indessen noch der Zustimmung der deutschen und europäischen Kartellbehörden.
Einen Teil der Kaufsumme an E.ON bezahlen die HEW durch die Übertragung ihres 15,7-Prozent-Anteils am schwedischen Stromkonzern Sydkraft. Die E.ON Energie erhöht damit ihren Anteil an Sydkraft von 20,7 auf 36,4 Prozent. Die Übertragung dieser Sydkraft-Beteiligung war ursprünglich als Gegenleistung der HEW für die Überlassung der E.ON-Anteile an der Bewag vorgesehen.
Entgegen der von den Kartellbehörden favorisierten Lösung soll der ostdeutsche Regionalversorger Envia nicht verkauft werden, sondern weiterhin zum RWE-Konzern gehören. RWE garantiert dafür der Veag bis Ende 2007 die Abnahme von Strom durch die Envia. Die Bezugsmenge beträgt zunächst jährlich 10,6 Milliarden Kilowattstunden und verringert sich ab 2004 um jährlich zehn Prozent. Eine weitere Absatzgarantie von 3,5 Milliarden Kilowattstunden jährlich leistet der Regionalversorger Meag, der seit der Verschmelzung von VEW und RWE ebenfalls zum RWE-Konzern gehört (siehe 991118). In Branchenkreisen wird eine baldige Verschmelzung der Meag auf die Envia unter Einbeziehung der Stadtwerke Halle für möglich gehalten.
Das Bundeskartellamt hatte in der Endphase der Verhandlungen nochmals betont, dass aus seiner Sicht ein Verkauf der Envia Vorrang haben müsse vor einer Stromabsatzgarantie. Anlass eines entsprechenden Schreibens an den RWE-Vorstand waren Berichte, wonach RWE die Abgabe von Geboten für die Envia zu verhindern versucht habe. Vor allem die italienische Enel scheint sich hinter den Kulissen über "Einschüchterungstaktiken" beklagt zu haben. Möglicherweise wird Enel sogar eine Beschwerde bei den Wettbewerbsbehörden einreichen oder die Entscheidung zugunsten von HEW/Vattenfall gerichtlich anfechten. Dem Vernehmen nach hat Enel insgesamt 3,3 Milliarden Mark für Veag und Laubag geboten. Dass HEW/Vattenfall den Zuschlag erhielt, bringen Branchenkreise mit dem Verzicht auf die Envia in Verbindung (FAZ, 4.12.; Handelsblatt ,14. u. 15.12.; FTD, 13.12.)
Die HEW bekräftigten am 13.12., dass sie weiterhin auch die Mehrheit an der Bewag anstreben. Bis zur Klärung des Streits mit Southern Energy bot der HEW-Vorstandsvorsitzende Manfred Timm der Bewag eine "sofortige Mitwirkung bei der Veag und Laubag an". Die Bewag begrüßte noch am selben Tag diese Offerte. Wie der Bewag-Vorstandsvorsitzende Dietmar Winje mitteilte, hat HEW den sofortigen Erwerb einer Sperrminorität von 25,1 Prozent an der Veag angeboten. Weitere Zukäufe bis zu insgesamt 44 Prozent des Veag-Kapitals seien ins Auge gefaßt (FAZ, 15.12.).
Das Landgericht Berlin bestätigte
am 4.12. in mündlicher Verhandlung die einstweilige Verfügung,
die Southern gegen den Verkauf des E.ON-Anteils an HEW erwirkt
hatte. Es begründete diese Entscheidung allerdings vor allem
mit dem laufenden Schiedsverfahren, das man nicht beeinflussen
wolle (SZ, 5.12.).