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Die Karte links zeigt das deutsche Verbundnetz imJahr 1950: Das Netz war noch sehr weitmaschig, die Höchstspannung lag bei 220 Kilovolt. Die Leitungsverbindungen zwischen Ost- und Westdeutschland existieren auf dieser Karte noch. Faktisch gab es aber schon zwei getrennte deutsche Stromnetze.

Die Karte rechts - zum Vergrößern bitte anklicken - zeigt das deutsche Höchstspannungsnetz im Jahr 1998, bei Inkrafttreten des neuen Energiewirtschaftsgesetzes. Wie man sieht, erfolgte der Stromtransport nun in aller Regel über 380-Kilovolt-Leitungen.

Die Strom-Landschaft beim Inkrafttreten der Liberalisierung 1998

Beim Inkrafttreten des neuen Energierechts am 29. April 1998 gab es in Deutschland rund 1000 Unternehmen der öffentlichen Stromversorgung, die jeweils genau abgegrenzte Versorgungsgebiete hatten. Je nach dem Schwerpunkt ihrer Tätigkeit unterschied man zwischen acht Verbundunternehmen, ca. 80 Regionalversorgern und insgesamt über 900 Stadtwerken.

Acht Verbundunternehmen

Die acht Verbundunternehmen waren die Vorlieferanten von Regionalversorgen und Stadtwerken. Mit ihren Großkraftwerken erzeugten sie mehr als achtzig Prozent des gesamten Stroms in der öffentlichen Elektrizitätswirtschaft. Sie betrieben zugleich das Höchstspannungsnetz (380 kV/220 kV) für den überregionalen Transport des Stroms und besorgten den Stromaustausch mit ausländischen Partnern innerhalb des westeuropäischen Verbundsystems. Mehr als die Hälfte der Verbundunternehmen (RWE Energie, VEW Energie, HEW, Bewag, Energie Baden-Württemberg) betätigte sich darüber hinaus auch in der Stromverteilung bis zum privaten Verbraucher. Die anderen (Bayernwerk, PreussenElektra, VEAG) beschränkten sich auf die Rolle des Vorlieferanten für Regionalversorger und Stadtwerke in ihrem Arbeitsbereich, wobei die Regionalversorger häufig Töchter der Verbundunternehmen waren.

Achtzig Regionalversorger

Die ca. 80 regionalen Unternehmen waren überwiegend in der Stromverteilung tätig. Sie betrieben dazu eigene Netze für Hochspannung (110 kV), Mittelspannung (z.B. 20 kV) und Niederspannung (230/400 Volt). Auch sie verfügten in gewissem Umfang über eigene Kraftwerks-Kapazitäten. Den größten Teil ihrer Stromabgabe deckten sie jedoch durch Bezüge von den Verbundunternehmen als Vorlieferanten.

Über 900 Stadtwerke

Auf der dritten Stufe folgten mehr als 900 Stadtwerke sehr unterschiedlicher Größe. Von diesen kommunalen Versorgern hatten 22 eine Stromabgabe von jährlich mehr als einer Milliarde Kilowattstunden und brauchten von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung her den Vergleich mit Regionalversorgern nicht zu scheuen. Eine Besonderheit dieser Stufe war, daß sich die kommunalen Energieversorger in der Regel nicht auf die Stromversorgung beschränkten, sondern zugleich Gas oder Fernwärme anboten. Soweit auf dieser Stufe eine eigene Stromerzeugung stattfand, handelte es sich oft um Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung. Typisch für den kommunalen "Querverbund" war ferner, daß mit den Gewinnen aus dem Stromgeschäft defizitäre Bereiche der städtischen Dienstleistungen wie die Verkehrsbetriebe subventioniert werden konnten.

Begrenzter Wettbewerb in Teilbereichen gegenüber Öl, Gas und Kohle

Damit die Ausnahmeregelung geschlossener Versorgungsgebiete nicht für ungerechtfertigte Preiserhöhungen mißbraucht werden konnte, war die öffentliche Stromwirtschaft einer weitgehenden behördlichen Aufsicht unterstellt, die von der Kontrolle ihrer Investitionen bis zur Genehmigung der Stromtarife reichte.Trotz der geschlossenen Versorgungsgebiete gab es aber insofern einen gewissen Wettbewerb, als das Produkt Strom in Teilbereichen mit Öl, Gas und Kohle konkurrierte, zum Beispiel beim Heizen, Kochen oder bei der Warmwasserbereitung. Ferner hatte jeder Verbraucher prinzipiell die Möglichkeit, sich seinen Strom selbst zu erzeugen, wenn er glaubte, ihn dadurch billiger zu bekommen. Das galt für das eigene Kraftwerk der Großindustrie genauso wie für das private Blockheizkraftwerk zur Versorgung eines Gebäudekomplexes oder die Photovoltaik-Anlage auf dem Hausdach.

Bei den Anteilseignern dominierten Gemeinden, Länder und Bund

Betrachtete man die öffentliche Stromwirtschaft zum Zeitpunkt ihrer Liberalisierung unter dem Gesichtspunkt der Kapitalbeteiligung, so befanden sich annähernd zwei Drittel der Unternehmen im Besitz der öffentlichen Hand. Das heißt, daß Gemeinden, Länder oder Bund einen Kapitalanteil von 95 Prozent und mehr besaßen. Diese zahlenmäßig stärkste Gruppe bestand vor allem aus Stadtwerken. Das wirtschaftliche Schwergewicht lag dagegen eher bei Unternehmen, an denen die öffentliche Hand weniger als 95 Prozent besaß und der private Kapitalanteil unter 75 Prozent betrug. Zu dieser "gemischtwirtschaftlichen" Gruppe gehörten die meisten Verbundunternehmen und Regionalversorger. Zahlenmäßig umfaßte sie etwa ein Fünftel aller Unternehmen. Die dritte und kleinste Gruppe bildeten solche gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, an denen die private Kapitalbeteiligung 75 Prozent und mehr betrug und die deshalb als private Stromversorger gelten konnten.

Eigenerzeugung von Industrie und Bahn

Die Unternehmen der öffentlichen Stromversorgung deckten mit jährlich rund 450 Milliarden Kilowattstunden den Strombedarf von Industrie, privaten Haushalten, Handel und Gewerbe, öffentlichen Einrichtungen, Verkehr und Landwirtschaft. Außerdem gab es rund 200 Unternehmen, die jährlich etwa 54 Milliarden Kilowattstunden Strom zur Deckung ihres Eigenbedarfs erzeugten. Diese Eigenversorger waren ebenfalls mit dem allgemeinen Netz verbunden, in das sie einen Teil ihres überschüssigen Stroms einspeisten oder aus dem sie ihren zusätzlichen Bedarf deckten. Sie zählten jedoch nicht zur öffentlichen Stromversorgung, deren Kriterium die Stromlieferung an Dritte ist. Um das Bild der deutschen Elektrizitätswirtschaft zu vervollständigen, ist noch die Eigenstromerzeugung der Deutschen Bahn zu erwähnen, die sich auf jährlich rund 6 Milliarden Kilowattstunden belief.

Bei Beginn der Liberalisierung gab es noch acht Verbundunternehmen. Für die Großstromproduktion und den Verbundbetrieb in der ehemaligen DDR gründete die Treuhandanstalt die Vereinigte Energiewerke AG (Veag) als neues ostdeutsches Verbundunternehmen. Sie gehörte den westdeutschen Verbundunternehmen und ging später, zusammen mit HEW und Bewag sowie dem Braunkohlenförderer Laubag, im Vattenfall-Konzern auf.