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Das Kraftwerk Zschornewitz 1917. Das damals größte Dampfkraftwerk der Welt gehörte der Elektrowerke AG (EWAG), die eine Gründung des AEG-Konzerns war. Während des ersten Weltkriegs verkaufte die AEG die EWAG an das Deutsche Reich. In den folgenden Jahren entwickelten sich die EWAG in Mitteldeutschland zu einem ähnlichen Schwerpunkt der Stromerzeugung wie das RWE im rheinischen Revier. |
Auch die Reichsregierung betrieb aktiv Elektrizitätspolitik und verfügte ab 1917 in Mitteldeutschland über beachtliche Stromerzeugungskapazitäten. Allerdings sah sie in der jungen, zukunftsträchtigen Branche vor allem eine ergiebige Geldquelle. Die Federführung der Elektrizitätspolitik oblag deshalb zunächst auch dem Reichsschatzministerium. Schon 1908 versuchte dieses Ministerium, eine allgemeine Stromsteuer durchzusetzen, mußte sich aber mit einer vergleichsweise kümmerlichen "Leuchtmittelsteuer" auf Glühbirnen und Gas-Glühstrümpfe begnügen. Rein fiskalischen Überlegungen entsprang auch der anschließende Vorstoß für ein "Starkstrom-Monopol", das die Stromwirtschaft der Regie des Reiches unterstellen sollte. Allerdings verbrämte die Reichsregierung ihr eigentliches Interesse an der Stromwirtschaft, indem sie in die Pläne für ein "Reichselektrizität-Monopol" auch großtechnisch und gemeinwirtschaftlich geprägte Visionen miteinfließen ließ, wie sie dem AEG-Präsidenten Walther Rathenau und dessen Ingenieur Georg Klingenberg vorschwebten. Erfolg hatte sie damit freilich nicht. Vor allem Preussen opponierte erfolgreich gegen die geplante Entmündigung von Ländern und Kommunen.
Der erste Weltkrieg veränderte dann, wie vieles andere, auch die Haltung gegenüber einer Einmischung des Reichs in die Elektrizitätswirtschaft. Not und Mangel der Kriegsjahre machten eine weitgehende staatliche Lenkung der Wirtschaft erforderlich. Nach dem Sturz der Monarchie war deshalb in allen Lagern die Ansicht verbreitet, daß es die Möglichkeit geben müsse, wichtige Wirtschaftszweige der Regie des Staates zu unterstellen. In diesem Sinne verabschiedete die Weimarer Nationalversammlung im März 1919 ein Rahmengesetz zur Sozialisierung der Wirtschaft. Ergänzend legten das Reichswirtschaftsministerium und das Reichsschatzministerium jeweils eigene Gesetzentwürfe zur Sozialisierung der Elektrizitätswirtschaft vor. Im Dezember 1919 billigte die Nationalversammlung den Entwurf des Reichsschatzministers Mayer (Zentrum), der die Besitzstände von Ländern und Kommunen respektierte und sich damit wesentlich diplomatischer verhielt als Reichswirtschaftsminister Wissell (SPD), der mit seinen gemeinwirtschaftlich geprägten Vorstellungen im Kabinett scheiterte und deshalb im Juli 1919 zurücktrat.
Im übrigen blieben aber beide Gesetze Papier. Dafür sorgte schon der politische Umschwung, der Mitte 1920 den wirtschaftsnahen Hans von Raumer (DVP) zum Chef des Schatzministerium machte. Soweit das Gesetz zur Sozialisierung der Elektrizitätswirtschaft tatsächlich Auswirkungen zeitigte, stärkte es vor allem die Position der Länder. Denn Baden, Bayern und Sachsen beeilten sich nun, durch die Gründung eigener Landesgesellschaften zur Stromversorgung vollendete Tatsachen zu schaffen, an denen eine wie immer geartete Reichsregierung nicht vorbei konnte.
Die Pläne für eine vom Reich dirigierte Stromwirtschaft scheiterten so schon Anfang der zwanziger Jahre. Andererseits war das Reich doch recht erfolgreich in der Großstromerzeugung tätig. Die Chance dafür eröffnete sich ihm am Ende des ersten Weltkriegs, als die AEG einen Käufer für ihre Elektrowerke AG (EWAG) suchte. Anlaß war die kriegsbedingte Verteuerung eines neuen Großkraftwerks bei Zschornewitz, die wegen der mit Großabnehmern fest vereinbarten Strombezugspreise zum finanziellen Desaster führen mußte. Die Rüstungsindustrie war aber dringend auf den mitteldeutschen Großstromerzeuger angewiesen. Deshalb übernahm das Reich im Sommer 1917 die EWAG für knapp fünfzig Millionen Mark von der AEG. In den folgenden Jahren entwickelten sich die reichseigenen Elektrowerke AG in Mitteldeutschland zu einem ähnlichen Schwerpunkt der Stromerzeugung wie das RWE im rheinischen Braunkohle-Revier. Im Frühjahr 1923 wurde die EWAG mit anderen Reichsbeteiligungen in die neu gegründete Vereinigte Industrie-Unternehmungen AG (Viag) eingebracht. Sie war der historische Kern, aus dem nach dem zweiten Weltkrieg das Verbundnetz der DDR hervorging.