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Durch Demarkationsverträge grenzten das gemischtwirtschaftliche RWE, die staatliche Preußische Elektrizitäts AG und die reichseigenen Elektrowerke AG 1927/28 ihre geschäftlichen Interessensphären gegeneinander ab. Damit wurden auch im Norden Deutschlands die Versorgungsgebiete festgeklopft. Nach dem zweiten Weltkrieg passte sich das Versorgungsgebiet der PreussenElektra im Osten dem Verlauf der innerdeutschen Grenze an. Aus den Elektrowerken ging das Verbundsystem der DDR hervor. |
Das flächenmäßig größte und politisch dominierende Land im ehemaligen Deutschen Reich war Preussen. Die Regierung überließ es hier zunächst Kommunen und privaten Unternehmen, Kraftwerke zu errichten und Netze zu betreiben. Erst 1927 faßte Preussen seine diversen Elektrizitätsbeteiligungen in der Preußischen Elektrizitäts AG (PreussenElektra) zusammen, um die Stromversorgung in staatlicher Regie voranzutreiben. Der Aufbau eines landesweiten Verbundunternehmens wie in Baden oder Bayern war zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr möglich, da sich in der Rheinprovinz bereits das RWE und im Osten die Elektrowerke (Ewag) etabliert hatten. Der Einstieg des preußischen Staates in die Stromwirtschaft konnte deshalb nicht in den großen Wirtschaftszentren erfolgen - etwa in der Hauptstadt Berlin, an der Ruhr oder in Schlesien - , sondern mußte sich auf die geographischen Mitte des Landes beschränken, wo in einem langgezogenen Streifen vom Main bis zur Nordsee die PreussenElektra als weiterer großer deutscher Stromversorger entstand.
Das spannendste Kapitel der preussischen Elektrizitätspolitik war der "Elektrokrieg" mit dem RWE. Diese Fehde begann im Grunde schon 1920, als der RWE-Herrscher Hugo Stinnes die Mehrheit an einer Braunkohlengrube bei Helmstedt erwarb, die eigentlich Brennstoff für die preußische Stromversorgung liefern sollte. Ihren Höhepunkt erreichte sie fünf Jahre später, als Preussen mitten im RWE-Gebiet ein Braunkohlen-Unternehmen samt der dazugehörigen Verstromungs-Tochter kaufte. Auch sonst traten sich die Kontrahenten vors Schienbein, wo sie nur konnten. Beispielsweise sicherte sich der preussische Staat die Belieferung der Stadt Frankfurt mit Strom, indem er den Bau einer konkurrierenden RWE-Leitung durch Vorenthaltung der erforderlichen Genehmigungen verzögerte.
Im Frühsommer 1927 kam es indessen zu einer Einigung: Der preußische Fiskus und das RWE tauschten ihre Faustpfänder im jeweils anderen Gebiet aus und grenzten in einem auf fünfzig Jahre befristeten Demarkationsvertrag ihre bestehenden Versorgungs- und Interessengebiete ab. Die kurz darauf gegründete PreussenElektra sicherte im Januar 1928 auch ihre Ostgrenze durch Abschluß eines "Pool- und Demarkationsvertrags" mit dem Nachbarn "Elektrowerke AG" . Hinzu kamen ähnliche Abkommen mit den VEW und den Landesversorgern Bayerns, Sachsens, Thüringens und Hamburgs. Damit wurden die letzten Claims im Wilden Westen der deutschen Stromversorgung abgesteckt und die Versorgungsgebiete im wesentlichen so festgeklopft, wie sie bis zur Liberalisierung Bestand hatten.
Die Einigung ermöglichte zugleich den Bau einer West-Ost-Hochspannungsleitung, um die Braunkohlekraftwerke des rheinischen Reviers mit denen in Mitteldeutschland zu verbinden. RWE und Elektrowerke hatten schon zuvor mit dem Bau jeweils eigener Hochspannungsleitungen in Richtung Alpen begonnen, um ihre Braunkohle-Kraftwerke mit der "weißen Kohle" der Wasserkraft zu verbinden. Aus diesen beiden Leitungen und der neuen West-Ost-Schiene entstand das Grundgerüst des heutigen deutschen Verbundnetzes.
Unter Anlehnung an einen damals von der Presse geprägten Begriff werden diese Abkommen auch als "Elektrofrieden" bezeichnet. Genauer gesagt als "erster Elektrofrieden", denn die Auseinandersetzung schwelte weiter: Im Mai 1928 gründeten PreussenElektra, Elektrowerke und Bayernwerk die Berliner "Aktiengesellschaft für deutsche Elektrizitätswirtschaft", die der technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit unter den Beteiligten dienen sollte. Als Gegengründung entstand unter Führung des RWE im Februar 1929 die Frankfurter "Westdeutsche Elektrizitäts AG", in der sich die westdeutschen Versorger zwischen niederländischer und Schweizer Grenze zusammenschlossen. Damit bahnte sich eine neue Konfrontation an (die in mancher Hinsicht an aktuelle Konstellationen gemahnt). Zum Showdown kam es aber nicht, sondern schon im Mai traten RWE, VEW und Badenwerk der Berliner Gesellschaft bei, womit die Gegengründung hinfällig wurde. Die "Aktiengesellschaft für deutsche Elektrizitätswirtschaft" kann seitdem als Vorläuferin der heutigen Deutschen Verbundgesellschaft gelten. Zur Unterscheidung vom "ersten Elektrofrieden" der Jahre 1927/28 wird die 1929 erfolgte Einigung als zweiter oder "wirklicher deutscher Elektrofrieden" bezeichnet.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die PreussenElektra AG eine Tochter des Veba-Konzerns. Infolge der Fusion von Veba und Viag im Jahr 2000 verschmolz sie dann – inzwischen neudeutsch mit großem E mitten im Wort als "PreussenElektra" firmierend – mit dem Bayernwerk zur E.ON Energie AG.