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Mitte der zwanziger Jahre begann das RWE mit dem Bau einer "Verbundleitung" für 220 Kilovolt, um seine Kohle-Kraftwerke im rheinischen Revier mit den Wasserkräften der Alpen zu verbinden. Die Karte zeigt den Stand des Projekts (grün) im Jahr 1930 sowie andere Hochspannungsleitungen für 110 und 220 Kilovolt. Die Verbundleitung des RWE bildete den Grundstein des deutschen Verbundnetzes. |
Die führende Rolle unter den deutschen Stromversorgern sicherte sich frühzeitig das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE). Wie die Bewag 1884 in Berlin und die HEW 1894 in Hamburg wurde das RWE 1898 zur Versorgung einer Großstadt gegründet, in diesem Falle der Ruhrmetropole Essen. Im Unterschied zu den beiden noch älteren Verbundunternehmen hat es aber sehr schnell den städtischen Rahmen gesprengt und sich zum Riesen unter den deutschen Stromversorgern entwickelt. Sein wirtschaftliches Gewicht wurde noch vermehrt durch zahlreiche Erwerbungen außerhalb des Stammgeschäfts mit Strom, das seit 1990 der RWE Energie AG obliegt, während die RWE AG als Holding die strategische Führung des Gesamtkonzerns übernahm.
Die Wurzeln des RWE reichen bis ins Jahr 1897/98 zurück, als sich die Elektricitäts-Actien-Gesellschaft vorm. W. Lahmeyer & Co. (EAG) in einem Vertrag mit der Stadt Essen zum Aufbau einer Stromversorgung verpflichtete. Um das Projekt zu finanzieren und zu betreiben, wurde am 25. April 1898 die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG (RWE) mit Sitz in Essen gegründet. Das RWE entstand also als Lahmeyer-Tochter. Vier Jahre später verkaufte aber die Lahmeyer-Gesellschaft ihre Anteile, weil sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war. Die verkaufte Tochter gedieh indessen so prächtig, daß sie 1923 die Mehrheitsbeteiligung an der Lahmeyer AG erwerben konnte. Erst Anfang 2000 ging die ehemalige Muttergesellschaft, die nunmehr zur Tochter geworden war, im RWE-Konzern auf.
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RWE-Chef Hugo Stinnes |
Die Aktien der Lahmeyer-Gesellschaft übernahm damals ein Konsortium unter Führung des RWE-Aufsichtsratsmitglieds Hugo Stinnes und des Stahlkönigs August Thyssen. Stinnes hatte bereits zu Beginn die famose Idee, das erste RWE-Kraftwerk auf dem Grundstück einer Zeche zu errichten, die seiner Familie gehörte, und es mit Dampf aus deren Kesselhaus zu versorgen. Auf diese Weise umging er die kostentreibende Verkaufsumlage des Kohlensyndikats.
In den folgenden beiden Jahrzehnten wurde Stinnes als Aufsichtsratsvorsitzender zum eigentlichen Begründer des RWE, der den Grundstein für dessen Macht und Größe legte, obwohl er - wie auch bei seinen anderen Unternehmungen - nie die Aktienmehrheit besaß. So war es seine Idee, die Kommunen am Unternehmen zu beteiligen, wenn sie sich dafür vom RWE mit Strom versorgen ließen. Den Anfang machten 1905 die Städte Essen, Mülheim und Gelsenkirchen. Seit 1910 besaßen die rheinischen Kommunen die Mehrheit der Aufsichtsratssitze und seit 1920 auch die Mehrheit am Aktienkapital. Infolge der Inflation und Umstellung auf die Rentenmark verloren die Kommunen Ende 1923 zwar ihre Aktienmehrheit, sicherten sich aber durch Einführung des zwanzigfachen Stimmrechts für ihre Namensaktien die Majorität in der Hauptversammlung. Noch 1960 kämpften RWE und Städtetag erfolgreich gegen ein geplantes Verbot des Mehrfachstimmrechts im neuen Aktiengesetz. Und noch 1994 wurde RWE-Chef Friedhelm Gieske von den kommunalen Aktionären abgestraft, weil er an ihr mehrfaches Stimmrecht zu rühren wagte. Erst seinem Nachfolger Dietmar Kuhnt gelang es, eine einvernehmliche, für die kommunalen Aktionäre finanziell attraktive Lösung zu finden.
Durch den Kauf der Lahmeyer-Gesellschaft sowie andere Beteiligungen und Verträge sicherte sich das RWE wichtige Bastionen in Süddeutschland. Als Stinnes 1924 starb, gab es bereits den Plan für eine Hochspannungsleitung von 220 kV, um die rheinischen Kohlenkraftwerke mit den Wasserkraftwerken der Alpen zu verbinden und neue Versorgungsgebiete zu erschließen. Die Nord-Süd-Leitung wurde 1930 in Betrieb genommen und bildete den Grundstein des heutigen Verbundnetzes.
Die Expansionsbemühungen des RWE hatten freilich nicht überall Erfolg: So waren Dortmund und andere westfälische Kommunen nicht bereit, sich dem RWE anzuschließen. Das Versorgungsgebiet des RWE endete deshalb östlich von Essen, wo 1925 die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW) entstanden. Erst im Jahr 2000 kam es zu Fusion beider Unternehmen.