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Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts schien vom geringen Ozongehalt der bodennahen Luft keine Gefahr auszugehen. Wenn man von "Smog" sprach, war der ganz gewöhnlichen Smog gemeint, der bei sogenannten Inversionslagen die Industriestädte mit einer Dunstglocke aus Schwefeldioxid, Stickoxiden und Staub umhüllt. Ursache dieser gesundheitsschädlichen Dunstglocke sind höhergelegene wärmere Luftschichten, die das Abziehen von Abgasen verhindern.
In den vierziger Jahren beobachtete man dann in der verkehrsreichen US-Großstadt Los Angeles eine neue Art von Smog, der mit allerlei Schleimhautreizungen einherging. Vor allem bewirkte er Tränenreiz, Kopfschmerzen, Atembeschwerden und eine Verschlechterung der Lungenfunktion. Seine Hauptursache waren die Stickoxide und Kohlenwasserstoffe aus den Auspuffrohren der Autos. Wie man in den fünfziger Jahren herausfand, bewirken diese Abgase unter dem Einfluß des Sonnenlichts eine starke Zunahme des Ozons in der bodennahen Luft, was die Hauptursache der Beschwerden ist. In Los Angeles wurden Spitzenwerte von 700 bis 1000 µg/m3 gemessen.
Damit war der "photochemische Smog" entdeckt, für den vor allem die Abgase der Autos verantwortlich sind. Im Unterschied zum traditionellen "London-Smog" wird er auch als "Los Angeles-Smog" bezeichnet. Das Gesundheitsrisiko ergibt sich bei ihm nicht so sehr aus den Abgasen selber als aus dem erhöhten Ozongehalt der Luft, der über chemische Reaktionen aus den Abgasen entsteht. Während der London-Smog vor allem bei winterlichen Hochdrucklagen auftritt, ist der photochemische Smog ein typischer Sommer-Smog.
Der Sommersmog enthält neben Ozon noch andere Photooxydantien wie Peroxiacetylnitrat, Salpetersäure, Formaldehyd, Peroxi- und Hydoxylradikale und Peroxide. Ozon gilt jedoch als "Leitkomponente", da sein Anteil etwa neunzig Prozent beträgt.
Weil Ozon ein sehr reaktionsfreudiges Gas ist, zerfällt es unmittelbar am Boden schon in ein bis zwei Tagen. Auch in den höheren Schichten der Troposphäre, wo die Luft reiner ist, kann es sich allenfalls ein bis zwei Monate halten.
Mit der Industrialisierung ist das mittlere Ozon-Mischungsverhältnis in bodennahen Luftmassen der nördlichen Halbkugel von 5 bis 15 µg/m3 auf die heutigen Werte von 40 bis 50 µg/m3 angestiegen. In der freien Troposphäre hat es im Mittel jährlich um etwa ein Prozent zugenommen. In verschmutzten Luftmassen können bei bestimmten Wetterlagen Spitzenwerte bis über 1000 µg/m3 erreicht werden. So liegt in Mexiko-City der Ozon-Anteil der Luft an 300 Tagen im Jahr über 220 µg/m3 und erreicht Rekordwerte bis 2000 µg/m3. In Deutschland wurde der bislang höchste Wert mit 543 µg/m3 (Mittelwert über drei Stunden) im Sommer 1976 in Mannheim gemessen.
Die chemische Reaktionskette verläuft im wesentlichen so, daß das Stickstoffdioxid (NO2) der Abgase durch den kurzwelligen Anteil der Sonnenstrahlung in Stickstoffmonoxid (NO) und atomaren Sauerstoff (O) zerlegt wird, worauf sich letzterer sofort mit dem normalen Luft-Sauerstoff (O2) zu Ozon verbindet (O3). Zugleich reagiert aber auch das unbeständige Ozon mit dem Stickstoffmonoxid (NO) und verwandelt sich wieder in gewöhnlichen Sauerstoff (O2) und Stickstoffdioxid (NO2).
Es finden also zur selben Zeit zwei gegenläufige Prozesse statt. Der erste, der für die Neubildung von Ozon verantwortlich ist, überwiegt bei starkem Sonnenlicht, sofern genügend Stickstoffmonoxid vorhanden ist. Ansonsten setzt sich die zweite Reaktionskette durch, die für den Abbau des Ozons sorgt.
So erklärt es sich, daß die Ozon-Werte in Großstädten abends genauso schnell wieder fallen wie sie tagsüber steigen: Dieselben Abgase, die unter dem Einfluß des Sonnenlichts die Ozon-Bildung bewirken, besorgen nach Sonnenuntergang den raschen Abbau.
Beide Prozesse vollziehen sich nicht nur gegenläufig, sondern auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Der Abbau von Ozon durch die Verbindung mit Stickstoffmonoxid erfolgt schneller als die photochemische Neubildung aus Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen.
Am Rand einer vielbefahrenen Straße oder in der Rauchfahne eines Kraftwerks, wo reichlich Stickstoffmonoxid vorhanden ist, verringert sich deshalb zunächst der Ozon-Gehalt der Luft. Erst in einiger Entfernung steigt er wieder an und übertrifft schließlich die ursprünglichen Ozonwerte in der Umgebung der Emissionsquelle, wenn unter anhaltend starker Einstrahlung der Sonne die langsameren photochemischen Prozesse zum Abschluß gelangen.
Das Ozon-Problem beschränkt sich aber nicht auf Großstädte und andere verkehrsreiche Ballungszentren. Dafür sorgt der Wind. Je nach Stärke und Richtung verlagert er den Smog und das daraus entstehende Ozon vom Ort der Emissionsquelle. Dies ist der Grund, weshalb die höchsten Ozon-Belastungen in Gebieten mit relativ reiner Luft anzutreffen sind, die im Windschatten von Städten und Ballungsgebieten liegen. Gerade weil hier die Luft reiner ist - weil also die Stickoxide fehlen - kommt es nach Sonnenuntergang nicht zu einem schnellen Abbau des Ozons wie in der Großstadt. Der Ozon-Pegel bleibt auf hohem Niveau und wird möglicherweise am nächsten Tag durch Nachschub aus den Ballungsgebieten wieder verstärkt. Untersuchungen haben ergeben, daß die Ozon-Werte in den ländlichen Gebieten und Vororten vor allem im Langzeitmittel deutlich höher sind als in den städtischen Regionen.
Unterhalb eines Ozon-Pegels von 110 µg/m3 sind keine gesundheitlichen Risiken zu erwarten. Bis etwa 180 µg/m3 wurden nur geringfügige Beeinträchtigungen beobachtet. Höhere Ozon-Werte können bei etwa zehn Prozent der Bevölkerung, die besonders sensibel reagieren, die Lungenfunktion verändern und im Zusammenhang damit die körperliche Leistungsfähigkeit verringern. Es kommt dann zur "Sommerbronchitis" mit Reizung der Atemwege, Schmerzen beim tiefem Einatmen oder Hustenreiz. Voraussetzung ist allerdings ein mehrstündiger Aufenthalt im Freien bei starker körperlicher Belastung. Stärkere gesundheitliche Beeinträchtigungen sind erst bei höheren Konzentrationen von über 360 µg/m3 zu erwarten, wie sie in Deutschland bisher nur in einem Fall kurzfristig gemessen wurden.
Erhöhte Ozon-Werte bewirken keine dauerhafte Verminderung des Wohlbefindens. Sämtliche Symptome bilden sich sofort wieder zurück, sobald die Ozon-Belastung entfällt.
Neben den Menschen sind auch Pflanzen betroffen: Ozon gilt neben Schwefeldioxid und Stickoxiden als einer der Hauptverursacher des "Waldsterbens", indem es Blätter und Nadeln angreift. Es beeinträchtigt entsprechend die Ernten. Man schätzt, daß 5 bis 15 Prozent der Ernteerträge in Europa und den Vereinigten Staaten durch Ozon verlorengehen.
Um Menschen und Pflanzen zu schützen, erließ die Europäische Gemeinschaft 1992 eine Richtlinie, die den Mitgliedsstaaten die Einrichtung von Ozon-Meßstellen vorschreibt. Wenn eine Stunde lang ein Schwellenwert von 180 µg/m3 überschritten wird, ist die Bevölkerung zu unterrichten. Wenn dieser Schwellenwert 360 µg/m3 überschreitet, ist ein Warnsystem auszulösen. Deutschland hat diese Richtlinie in einer Verordnung vom 27.5.1994 umgesetzt, mit der die 22. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz geändert wurde. Allerdings bot diese Verordnung keine Handhabe, um Beschränkungen und Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs zu verhängen. Deshalb erließen einige Bundesländer eigene Ozon-Verordnungen, die Verkehrsbeschränkungen beim Überschreiten bestimmter Schwellenwerte ermöglichen sollen. Sie stützten sich dabei auf Paragraph 40 des Bundesimmissionsschutzgesetzes, der die Länder bei austauscharmen Wetterlagen bzw. bei normalem Wintersmog zu entsprechendem Handeln ermächtigt. Der photochemische Smog kommt aber nicht aufgrund solcher Inversionslagen zustande. Die Länder-Verordnungen zum Sommersmog standen deshalb rechtlich auf wackligen Beinen. Auch inhaltlich waren sie fragwürdig, weil der photochemische Smog im Unterschied zur Dunstglocke bei Inversionslagen ein großflächiges Problem ist, das nicht auf einzelne Ballungszentren beschränkt ist, sondern Ländergrenzen weit überschreiten kann.
Um eine regional übergreifende Lösung zu schaffen, beschloß der Bundestag im Juli 1995 eine Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes, die bis Ende 1999 befristet ist. Sie soll die Verhängung von Verkehrsverboten ermöglichen, wenn im Laufe eines Tags eine Ozonkonzentration von 240 µg/m3 als Mittelwert über eine Stunde erreicht wurde und aufgrund metereologischer Erkenntnisse für den folgenden Tag mit ähnlich hohen Werten zu rechnen ist. Die Verkehrsverbote sollen über die Medien bekanntgegeben werden und am folgenden Tag um 6 Uhr für 24 Stunden in Kraft treten.
Einbau von Katalysatoren in die Entstickungsanlage eines Kraftwerks. Sie beseitigen Stickoxide in den Rauchgasen, die sonst zum photochemischen Smog und verstärkter Ozon-Bildung beitragen würden. |
Das soeben skizzierte Ozongesetz enthält viele Unklarheiten und Ausnahmebestimmungen, so daß Kritikern eine sinnvolle Anwendung fraglich erscheint. "Selten ist es dem Gesetzgeber gelungen, in einem so kurzen Gesetz eine solche Fülle von Ungenauigkeiten, inneren Widersprüchen und unpräzisen Formulierungen unterzubringen", konstatierte z.B. der Kölner Verwaltungsgerichtspräsident Prof. Kutscheidt in der "Neuen Juristischen Wochenschrift". Als positives Gegenbeispiel nannte er die Großfeuerungsanlagenverordnung von 1983, "die wesentlich mehr zur Minderung des Stickstoffdioxidauswurfs beigetragen hat als es dieses Gesetz je wird bewirken können".
In der Tat wurde die effektivste Minderung der Ozon-Vorläufersubstanzen bisher im Kraftwerksbereich erzielt. Auf der Grundlage der Großfeuerungsanlagenverordnung haben die Stromversorger sämtliche fossil befeuerten Wärmekraftwerke mit hochwirksamen Anlagen zur Rauchgasreinigung ausgestattet. Dadurch ist es gelungen, die Stickoxid-Emissionen auf ein Fünftel des früheren Ausstoßes zu reduzieren. Heute tragen die Kraftwerke der Stromversorgung weniger als zehn Prozent zu den gesamten Stickoxid-Emissionen bei.
Im Verkehrsbereich wurden ebenfalls erhebliche Anstrengungen unternommen, vor allem durch die steuerliche Begünstigung von Autos, die mit Katalysatoren zur Reinigung der Abgase ausgerüstet sind. Die Minderung des Ausstoßes an Schadstoffen ist hier allerdings weniger effektiv als bei den Kraftwerken. Außerdem wurde sie mehr als wettgemacht durch die starke Zunahme des Verkehrs. Deshalb kommen weiterhin drei Viertel der Ozon-Vorläufersubstanzen (Stickoxide und Kohlenwasserstoffe) aus den Auspuffrohren von Kraftfahrzeugen.
Immerhin dürfte es all diesen Bemühungen zu verdanken sein, daß sich der bedenkliche Ozon-Anstieg in der Troposphäre, der seit den fünfziger Jahren jährlich 1 bis 2 Prozent betrug, in der letzten Zeit nicht fortgesetzt hat und neuerdings sogar rückläufig ist. Noch immer kommt es aber bei bestimmten Wetterlagen zu erhöhten Ozon-Konzentrationen, die belastend sein können.