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Der Streit um die Farbe des Stroms wurde Anfang August 1999 von der Werbeagentur Kreutz & Partner entfacht, die im Auftrag der Energie Baden-Württemberg auch den Namen "Yello" erfand. |
Im Sommer 1999 erreichte der Wettbewerb auch Haushalte und sonstige Kleinverbraucher: Den Anfang machte im Juni die Berliner Stromhandelsfirma Ares Energie AG, die über die "ProMarkt"-Filialen bundesweit die Stromversorgung von Haushalten und Gewerbe anbot. Der dafür verlangte Preis von 29,5 Pf/kWh lag unter dem Durchschnitt der deutschen Haushaltstarife, obwohl allein die Durchleitungskosten im Schnitt mit 10,59 Pf/kWh veranschlagt werden mußten.
Im Juli folgte die RWE Energie mit bundesweitem "Privatstrom" (später in "avanza" umbenannt) für 25,87 Pf/kWh. Ungeachtet der anfallenden Durchleitungskosten handelte es sich um denselben günstigen Preis, zu dem die RWE Energie bisher ihre Haushaltskunden im eigenen Netzbereich versorgte. In ganzseitigen Anzeigen hieß es: "Jetzt wechseln - bis zu 20 % sparen".
Aber der nächste Konkurrent wartete schon um die Ecke: Im August bot ein neu gegründetes Tochterunternehmen der Energie Baden-Württemberg "Yello"-Strom für 19 Pf/kWh an. Yello unterbot damit die bis dahin gültigen Konkurrenzangebote erheblich, auch wenn man die Unterschiede bei Grundpreisen, Vertragslaufzeiten und sonstigen Konditionen berücksichtigte.
Mit "Yello" wurde der Strom farbig, denn unter Anspielung auf die blau gehaltene "Privatstrom"-Werbung von RWE Energie verkündete der neue Anbieter: "Also ich glaube, Strom ist gelb - Yello Strom". RWE konterte mit dem Spruch: "Also ich weiß, Strom ist blau", worauf Yello zurückgab: "Ich kauf doch keinen Strom von einem, der blau ist!"
So entbrannte mit großem Aufwand eine Werbeschlacht, die ohne Beispiel war in der Geschichte der Stromwirtschaft. Schon im ersten Halbjahr 1999 erhöhten die Energieversorger ihre Werbeausgaben um rund 81 Prozent und waren erstmals unter den werbeaktivsten Branchen vertreten. Neu war auch, daß sich die Konkurrenten nun vor Gericht zu beharken begannen, um dem anderen jeweils bestimmte Formen der Werbung untersagen zu lassen.
Bis Ende des Jahres hatten sich fast alle großen Stromversorger eigene Strommarken zugelegt. So warb das Bayernwerk für "power private", PreussenElektra für "Elektra Direkt" und VEW Energie für "evivo". Daneben machten auch Regionalversorger und sogar Stadtwerke mit günstigen Angeboten bundesweit von sich reden. Zusätzlich gab es etliche Angebote mit regionaler Begrenzung. In der Regel stammten sie von etablierten Stromversorgern, die auf diese Weise die Abwerbung ihrer Tarifkunden verhindern wollten, ohne gleich bundesweit in den Ring zu steigen. Beispielsweise kreierten die Hamburger HEW im Juli 1999 das Billigstrom-Angebot "future", nachdem die Stadtwerke Braunschweig einen Werbekampagne zur Gewinnung von Kunden in der Hansestadt gestartet hatten.
Als Folge der Billigstrom-Angebote schienen sogar die offiziellen Stromtarife bedeutungslos zu werden. Das neue Energierecht schrieb diese behördlich genehmigten Strompreise weiterhin vor, um die Kleinverbraucher vor einer zunächst befürchteten Benachteiligung gegenüber den Großkunden im liberalisierten Markt zu schützen. In Wirklichkeit lagen nun aber die real verlangten und am Markt erzielbaren Strompreise zum Teil erheblich unter den amtlich anerkannten Tarifen. Die baden-württembergische Landesregierung unternahm deshalb schon Ende 1999 einen Vorstoß zur völligen Abschaffung der Genehmigungspflicht für Stromtarife.
Insgesamt verschlang der Kampf um die Haushalte sicher weit mehr Geld, als er den Anbietern einbrachte, zumal die Preise noch weiter nach unten rutschten. Ein führender Vertreter der Branche machte dazu folgende Rechnung auf: "In jedem Strompreis gibt es einige Bestandteile, auf die Sie als Unternehmen überhaupt keinen Einfluß haben: Das sind rund 8 Pfennige gesetzliche Abgaben (Konzessionsabgabe, Energiesteuer, Mehrwertsteuer) sowie grob 14 Pfennige pro Kilowattstunde Durchleitungsentgelte. Wenn Sie dann für 24 Pfennige pro Kilowattstunde Tarifkundenstrompreise anbieten, haben Sie gerade mal eine Marge von zwei oder drei Pfennigen für die gesamten Kosten der Stromerzeugung sowie Abrechnung, customer care und Werbung."
Vorerst ging es den Anbietern von Haushalts-Strom freilich weniger um Gewinne als um die Gewinnung strategischer Positionen, die sich später in Gewinne umsetzen lassen würden. Diesem Zweck diente auch die Erschließung neuer Vertriebswege und die Entwicklung neuer Anreize, um mit Kunden ins Geschäft zu kommen. So bot die RWE Energie ihren "Avanza"-Strom auch an den zum Konzern gehörenden DEA-Tankstellen an. PreussenElektra vertrieb "Elektra direkt" auf Provisionsbasis über die Elektrofachhandelsgruppe Ruefach. Der Stromhändler Ares kooperierte mit dem Telekommunikationsunternehmen Talkline. Das Bayernwerk gewährte auf seine Stromangebote einen Rabatt, wenn Kunden im Elektrohandel ein Haushaltsgroßgerät der Marke AEG erwarben. Die Elektrohandelskette "ProMarkt" lockte sogar mit einem Farbfernseher zum symbolischen Preis von einer Mark beim Abschluß eines Vertrags mit der Ares Energie AG, was ihr aber als Verstoß gegen die Zugabe-Verordnung gerichtlich untersagt wurde.