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Eine Weiterentwicklung der ORC-Technologie ist der Kalina-Prozeß, der nach dem russischen Ingenieur Alex Kalina benannt ist. Hier wird die Wärme des aus der Tiefe geförderten Wassers wie beim ORC-Prozeß an einen zweiten Kreislauf übertragen, der über ein niedrig siedendes Medium eine Dampfturbine treibt. Die Wärmeübertragung erfolgt jedoch nicht durch ein einziges Arbeitsmedium, sondern durch ein Zwei-Stoff-Gemisch aus Ammoniak und Wasser. Im Gegensatz zu reinen Arbeitsmedien wie Wasser oder Pentan siedet das Ammoniak-Wasser-Gemisch über eine großen Temperaturbereich bei vorgegebenem Druck. Es kann deshalb beim Durchströmen der Wärmetauscher mehr Energie übertragen als reine Arbeitsmedien. Entsprechend liegt der Wirkungsgrad eines Erdwärmekraftwerkes mit Kalina-Technik deutlich höher als beim Organic-Rankine-Cycle (ORC) und ermöglicht bereits bei niedrigen Temperaturen gute Wirkungsgrade.
Wegen der unterschiedlichen Siedepunkte beider Substanzen entstehen bei der Verdampfung des Zwei-Stoff-Gemischs ein ammoniakreicher Dampf und eine ammoniakarme Flüssigkeit. Der Dampf wird abgetrennt und treibt die Turbine. Anschließend wird er mit der entspannten Flüssigkeit wieder zusammengeführt. Nach der Verflüssigung im Kondensator wird das Stoffgemisch erneut dem Verdampfer zugeleitet. Das Mischungsverhältnis beider Medien kann beliebig verändert und damit den Thermalwassertemperaturen angepaßt werden.
Beim ORC-Verfahren erreicht das Arbeitsmedium nur an einem einzigen Punkt der Temperaturskala ein Höchstmaß an Energieinhalt (Enthalpie). Beim Kalina-Verfahren ist dagegen über einen breit streuenden Temperaturbereich hohe Enthalpie vorhanden. Die Wärmeübertragung vom heißen Wasser auf das Arbeitsmedium wird dadurch effizienter.Grafik: Siemens PG |
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Ein weiterer Vorteil des Kalina-Verfahrens ist die relative
Umweltfreundlichkeit
des Wasser-Ammoniak-Gemischs. Beim ORC-Prozeß Arbeitsmedium
werden
dagegen Fluorkohlenwasserstoffe und andere klimaschädliche
Substanzen
verwendet, die eine sorgfältige Abdichtung des
Sekundärkreislaufs
erfordern.
Allerdings ist die Kalina-Technologie teurer als ORC -Anlagen. Dies
war
auch einer der Gründe, weshalb in Neustadt-Glewe, das mit nur 98
Grad
Wassertemperatur für diese Technologie prädestiniert gewesen
wäre,
das ORC-Verfahren gewählt wurde. Ein weiterer Grund war die
Befürchtung,
das Ammoniak-Wasser-Gemisch könne im Winter einfrieren, wenn das
Thermalwasser
in vollem Umfang für die Fernwärmeversorgung benötigt
wird
und deshalb die geothermische Stromerzeugung ruht.
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Eine der ersten Kalina-Anlagen wurde 2000 in Island in Betrieb genommen. Mit einer Leistung von zwei Megawatt deckt sie den größten Teil des Strombedarfs der zwanzig Kilometer entfernten Gemeinde Husavik. Sie nutzt Naßdampf, der mit einer Temperatur von 124 Grad aus Tiefen zwischen 400 und 1000 Meter kommt. Wenn dieses Wasser-Dampf-Gemisch den Wärmetauscher der Kalina-Anlage passiert hat, verfügt es noch immer über eine Temperatur von 80 Grad und hat damit gerade die richtige Temperatur für die Fernheizung der Häuser von Husavik. Außerdem dient es zur Beheizung von Gewächshäusern, Straßen, Gehwegen und eines Freibads. Für die Kühlung des Wasser-Ammoniak-Gemischs im Sekundärkreislauf wird kaltes Wasser aus dem Gebirge verwendet, das sich dabei von rund 5 auf 25 Grad Celsius erwärmt und anschließend einer Fischfarm zur Züchtung von Forellen zugeführt wird.
Im April 2009 ging in Unterhaching bei München ein Erdwärme-Kraftwerk in Betrieb, das ebenfalls den Kalina-Prozeß verwendet: Die Kalina-Turbine treibt hier einen Generator mit der beachtlichen Leistung von 3,4 Megawatt. Das Thermalwasser kommt aus über 3000 Meter Tiefe Temperatur und hat eine Temperatur von 125 Grad. Es dient zunächst der Stromerzeugung und wird anschließend - mit einer Temperatur von noch etwa 70 Grad - für die Fernwärmeversorgung genutzt. Etwa die Hälfte der 20.000 Einwohner von Unterhaching kann auf diese Weise mit Heizwärme versorgt werden.
Eine weitere Kalina-Anlage wurde Ende 2009 in Bruchsal in Betrieb genommen. Sie nutzt Thermalwasser, das mit 120 Grad fast so heiß ist wie in Unterhaching. Die Schüttung und damit auch die Wärmeleistung ist hier aber wesentlich geringer, weshalb die elektrische Leistung nur 0,55 Megawatt beträgt.