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Umständlich zu verstellen: Die Bockmühle

Holländische Windmühle mit Seitenrad

Langsam, dafür hohes Drehmoment:
Die amerikanische Windmühle.

Vom Segel zur Wild-West-Windmühle

Der Wind wird schon seit Jahrtausenden genutzt. Seine Bedeutung als Energiequelle war früher sogar weitaus größer als heute. Seit etwa 4 000 Jahren gibt es das Segel. Bis ins 19. Jahrhundert war Schiffahrt fast gleichbedeutend mit Segelschiffahrt. Weder der antike Fernhandel noch die Entdeckung Amerikas oder das englische Empire wären ohne Windkraft möglich gewesen. Die ganze Weltgeschichte wäre anders verlaufen.

Vertikalachsige Windräder

Es lag nahe, das Segel auch auf dem Land zu nutzen. Am frühesten, um das Jahr 900 herum, scheint dies in Afghanistan und Persien der Fall gewesen zu sein. Die Segel wurden an Rädern mit vertikaler Achse befestigt. Damit sich die vom Winddruck erzeugten Drehmomente auf beiden Seiten des Rades nicht gegenseitig aufheben konnten, wurde einfach eine Hälfte abgedeckt. Der Wind bestrich so nur einen Teil des Rades, ähnlich einem unterschlächtigen Wasserrad, das in die Strömung eingetaucht wird. Später lernte man, die Segel bzw. Flächen des Windrades so zu formen, daß sie beim Rotieren um die vertikale Achse im Wechsel von 180° einen hohen bzw. geringen Luftwiderstand boten. Ein moderner Nachfahre dieser vertikalachsigen Windräder ist das Schalenkreuzanemometer, mit dem Wetterwarten die Windgeschwindigkeit messen. Auch moderne Windkraftanlagen wie der Savonius- und der Darrieus-Rotor gehören in die Reihe der vertikalen Windräder.

Horizontalachsige Windräder

Wichtiger wurden allerdings die Windkraftanlagen mit horizontaler Achse, die sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen lassen und in Europa weite Verbreitung fanden. Im Prinzip handelt es sich dabei um die klassische "Windmühle", deren Rotor frontal vom Wind angeblasen wird und in der Regel aus vier Blättern besteht. Durch die leichte Schrägstellung der Blätter bewirkt der Luftstrom einen senkrecht zur Windrichtung wirkenden Auftrieb, der den Rotor in Drehung versetzt.

Die Bockwindmühle

Bei den ältesten Windmühlen blieb der Rotor unveränderlich der Hauptwindrichtung zugewandt. Kam der Wind aus einer anderen Richtung, funktionierten sie nicht. Im Mittelalter begann man dann, die ganze Mühle drehbar zu machen, indem man sie auf einen hölzernen Bock oder steinernen Sockel setzte. Der früheste Bericht über eine verstellbare Windmühle in Europa datiert aus dem Jahre 1105. Die Verstellung solcher "Bockmühlen" war jedoch relativ umständlich.

Die Holländische Windmühle

Als Weiterentwicklung entstand die Wendische Bockwindmühle mit niedrigerem Bock und einem nach unten verlängerten Mühlenhaus. Bei einer anderen Weiterentwicklung, der Paltrockmühle, wurde das Mühlenhaus schlanker und erhielt eine hölzerne Verkleidung als "Rock". Aus diesen beiden Zwischenformen entstand dann im 16. Jahrhundert die Holländische Windmühle mit ihrem meist achteckigen Mühlenhaus und der aufgesetzten flachen Haube. Da das Windrad in der drehbaren Haube gelagert war, brauchte nun nicht mehr die ganze Mühle verstellt zu werden. Es genügte, den Rotor mittels des aus der Haube herausragenden Mühlenbalkens in die richtige Position zu bringen. Die Bedienung von Mühlenbalken und Flügeln erfolgte in der Regel von einer Galerie aus, die über das Sockelgeschoß der Mühle hinauskragte.

Erfindung des Seitenrads

Ihre Vervollkommnung erfuhr die Holländische Windmühle durch das Seitenrad, das Mitte des 18. Jahrhunderts erfunden wurde: Dabei handelt es sich um einen kleinen Rotor, der um 180 Grad versetzt zum Hauptrotor angebracht wurde und über ein Getriebe mit der Dreh-Mechanik des Turmkopfes verbunden war. Wenn der Hauptrotor genau frontal zur Windrichtung steht, empfängt das Seitenrad naturgemäß keinen Wind und steht deshalb still. Wenn die Windrichtung aber wechselt, wird es vom Wind bestrichen und beginnt in der einen oder anderen Richtung zu laufen, bis die Achse des Hauptrotors mit der Windrichtung wieder übereinstimmt. Auf diese Weise lassen sich die Flügel automatisch dem Wind nachführen und in die günstigste Position bringen.

Verstellbare Flügel

Die Regelung der Leistungsaufnahme erfolgte bei diesen frühen Windkraftanlagen, indem die aus Balken und Latten gezimmerten Flügel mehr oder weniger ausgedehnt mit Tuch bespannt wurden. Später erfand man Klappenflügel, deren Klappen durch Federdruck in den Wind gehalten wurden, bis sie bei einem bestimmten Winddruck nachgaben und so automatisch die Leistungsaufnahme begrenzten. Anfang des 18. Jahrhunderts kamen auch jalousieartige Flügel auf, deren Lamellen sich sogar bei laufendem Betrieb öffnen und schließen ließen und so der Windstärke angepaßt werden konnten.

Leistungen bis zu 35 kW

Die Windmühle mit horizontaler Achse blieb bis weit in die Neuzeit eine der wichtigsten Maschinen. Allein in Europa gab es Hunderttausende davon. Noch Ende des 19. Jahrhunderts waren in Deutschland rund 20 000 Windmühlen in Betrieb. Die Spannweite der Windmühlenflügel erreichte bis zu 30 Meter. Die Leistung betrug bis zu 35 kW. Windmühlen dienten nicht nur zum Mahlen von Korn, sondern auch vielfältigen anderen Zwecken. So wurden sie in Holland hauptsächlich zur Entwässerung eingesetzt. Sie haben die Urbarmachung weiter Landesteile überhaupt erst ermöglicht.

Drei Dampfmaschinen ersetzten 160 Windmühlen

Im 19. Jahrhundert unterlagen die Windmühlen dann immer mehr den Dampfmaschinen. Zum Beispiel wurde 1839 die Trockenlegung des 18 000 Hektar großen Haarlemer Meeres zwischen Haarlem und Amsterdam beschlossen. Nach den Berechnungen wären hierfür 160 Windmühlen erforderlich gewesen. Stattdessen errichtete man drei dampfgetriebene Schöpfwerke, die das riesige Gebiet zwischen 1849 und 1852 trockenlegten und 800 Millionen Kubikmeter Wasser in die Nordsee beförderten.

Wild-West-Windmühlen

Einen letzten Höhepunkt erlebte die Nutzung des Windes für mechanische Arbeit im 19. Jahrhundert in den USA. Das Windrad diente hier millionenfach als Antrieb für Wasserpumpen und wurde zum Symbol der amerikanischen Farm im "Wilden Westen". Der vielblättrige Rotor hatte einen Durchmesser von 3 bis 5 m und war an einem Stahlgittermast angebracht. Die Leistungen betrugen 500 bis 1000 Watt. Durch die Vielzahl der Flügelblätter aus Blech — bis zu 30 Stück je Rotor — liefen diese Anlagen auch schon bei mäßigen Wind an. Konstruktionsbedingt waren sie zugleich Langsamläufer, d.h. sie erbrachten bei relativ niedrigen Drehzahlen ein hohes Drehmoment, das ohne Getriebeverluste direkt auf die Pumpenmechanik übertragen werden konnte. Eine blecherne Windfahne hinter dem Rotor sorgte dafür, daß dieser stets in den Wind gedreht blieb. Klappte man die Windfahne um 90 Grad zur Seite, so daß sie parallel zum Rotor stand, war auf ebenso einfache Weise gewährleistet, daß der Rotor aus dem Wind gedreht blieb.