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Zweimal dasselbe Prinzip: Rechts das Gezeiten-Kraftwerk, das den gesamten Mündungstrichter der Rance bei St. Malo abriegelt und so den bis zu 13 m betragenden Unterschied zwischen Ebbe und Flut für die Stromerzeugung nutzt. Links eine alte Gezeiten-Mühle, die am Unterlauf des Flusses Aven in der Bretagne steht. Hier wird nicht der Mündungstrichter abgeriegelt, sondern eine seitliche Ausbuchtung des Flußtals, die sich einige Kilometer oberhalb der Mündung befindet. Wenn die vom Meer hereindrängende Flut den Unterlauf des Flüßchens in eine breite Wasserfläche verwandelt (Hintergrund), wird die Mühle von dem Wasser angetrieben, das vom Fluß in die Bucht (Vordergrund) strömt. Bei Ebbe fließt das Wasser aus der Bucht wieder zurück und treibt so das Mühlrad ein zweites Mal.

Gezeiten-Kraftwerke

Schon in einem Dokument aus dem 11. Jahrhundert wird eine Gezeiten-Mühle erwähnt, die im Hafen von Dover den Flut- bzw. Ebbestrom zum Antrieb ihres Mahlwerks benutzte. Besonders wirksam waren solche Mühlen in den Mündungstrichtern der Flüsse, wo die Strömung am stärksten ist.

Ebenso läßt sich heute die Energie der Gezeiten für die Gewinnung von Strom nutzen. Voraussetzung ist allerdings ein ausreichender Tidenhub, wie er z.B. im Mündungstrichter der Rance bei St. Malo in Frankreich erreicht wird. Der Unterschied zwischen höchstem und niedrigstem Wasserstand beträgt hier etwa 12 bis 13 Meter. In den sechziger Jahren sperrte man deshalb den Mündungstrichter mit einem künstlichen Damm gegen das Meer hin ab und nutzte das beträchtliche Gefälle zwischen Flut und Ebbe für ein Wasserkraftwerk, das jährlich rund 600 Millionen kWh Strom zu erzeugen vermag. Weitere kleine Gezeitenkraftwerke, die vorwiegend Versuchszwecken dienen, arbeiten an der Fundy-Bucht in Kanada (20 MW), am Weißen Meer (0,4 MW) sowie in China.

Gezeitenkraftwerke haben allerdings den Nachteil, daß sich ihre maximale Leistungsfähigkeit täglich um etwa 50 Minuten mit dem Rhythmus der Gezeiten verschiebt. Auch sind nur an wenigen Stellen der Erde die natürlichen Voraussetzungen dafür vorhanden.

Wellen-Kraftwerke

Kleinere Leistungen lassen sich auch durch Nutzung des Wellenschlags erzielen. Allerdings nur an dafür günstigen Küsten, wie sie etwa England, Norwegen, Frankreich oder Dänemark haben. Die entsprechenden Versuche befinden sich noch in den Anfängen. So bezieht ein Dorf auf der schottischen Insel Islay seinen Strom von einem Wellengenerator mit der Leistung von 35 kW (Durchschnitt) bis 75 kW (Sturm). Dabei werden die Wellen in eine Betonkammer gelenkt. Der plötzliche Wasseranstieg preßt die Luft in der Kammer zusammen, und die so entstehende Preßluft treibt eine Turbine an. Ebenso wird der Unterdruck beim Zurück-schwappen der Welle zum Antrieb der Turbine benutzt. Ein anderes Verfahren nutzt das Auf und Ab der Wellen, um einen als Schwimmkörper konstruierten Kolben entsprechende Arbeit verrichten zu lassen. Es gibt noch etliche andere Varianten, zum Beispiel in Form eines Auffangtrichters, der die Wellen etliche Meter hochführt und im anschließenden Fall auf eine Turbine lenkt. In Norwegen erbrachten zwei Experimentier-Kraftwerke Leistungen von 350 und 500 kW. Hunderte von Mini-Wellenkraftwerken liefern Leistungen zwischen 50 und 500 Watt zur Beleuchtung von Seezeichen.

An deutschen Küsten allerdings kommt eine Nutzung der Wellen wie auch der Gezeiten bis auf weiteres nicht in Betracht, da der bescheidene Nutzen die erforderlichen Kosten bei weitem nicht rechtfertigen würde.