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Dem Vorbild des Rheinisch-Westfälischen Kohle-Syndikats folgten 1929 die Stadt Saarbrücken sowie die Hütten des Saargebiets, indem sie die Ferngasgesellschaft Saar gründeten. Diese Gesellschaft zielte zunächst auf den Zusammenschluß bestehender Gaswerke unter Mitverwendung von Kokereigas der Hütten. Sie führte Verhandlungen mit südwestdeutschen Städten und vereinbarte mit der Ruhrgas eine Gebietsabgrenzung. Zum Leitungsbau kam es aber vorerst nicht. Das hatte sicher auch damit zu tun, daß das Saargebiet bis 1935 unter französischer Verwaltung stand (das Gründungskapital der Gesellschaft belief sich auf 200.000 französische Francs). Erst nach der Wiedereingliederung ins mittlerweile nationalsozialistisch beherrschte Deutschland wurden von Homburg aus zwei Haupt-Fernleitungen nach Ludwigshafen gebaut (eine zur Stadt und eine zum Chemiekonzern BASF), von denen Stichleitungen zu größeren Gemeinden führten.
Die in der Gasversorgung tätigen Kommunen der Pfalz hatten unterdessen die Pfälzische Gas AG gegründet, um ihr Eigenständigkeit gegenüber den Ferngaslieferanten von der Ruhr und der Saar zu wahren. Mit der Eigenständigkeit war es allerdings bald vorbei, da die NS-Machthaber 1935 anordneten, daß die gesamte Pfalz mit Ferngas von der Saar zu versorgen sei. Zum Jahresende 1937 wurde die Pfälzische Gas AG mit der Ferngasgesellschaft Saar zur Saar Ferngas AG verschmolzen. Bei Kriegsbeginn gab es nur noch vier pfälzische Städte, die nicht an die Ferngasversorgung angeschlossen waren und deshalb ihre eigene Gasversorgung weiter betreiben durften.
Die Ferngasversorgung in Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie um Berlin Mitte der dreißiger Jahre. Der Grad der Schwärzung zeigt die Versorgungsdichte. (Ausschnitt, die Gesamtkarte für Deutschland können Sie HIER anklicken) |
Etwas anders verlief die Entwicklung in jenem Teil Deutschlands, der 1945 zur sowjetischen Besatzungszone wurde und seit 1949 als Deutsche Demokratische Republik (DDR) firmierte. Es fehlten hier die großen Kohle- und Stahlreviere mit Schachtanlagen und Hochöfen, von denen die Kokereigas-Leitungen im Westen ausstrahlten. Auch war der Gasverbrauch schon vor dem Krieg insgesamt niedriger als im Westen. Aber dennoch entstanden auch hier zahlreiche Ortsgasversorger, und dort, wo der Bedarf besonders groß war, entwickelten sich wie im Westen verschiedene Ferngasversorgungen, die bis zum zweiten Weltkrieg teilweise zusammenwuchsen. Insbesondere galt das für den Raum um Berlin, für Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.
Die größte Ferngasversorgung gab es im sächsisch-anhaltinischen Industrierevier. Zum Schluß reichte das zusammenhängende Netz, in das vor allem zwei Großgaswerke in Magdeburg und Böhlen (bei Leipzig) einspeisten, im Süden bis nach Suhl und im Osten bis nach Zwickau. Die erforderliche Steinkohle wurde aus dem Westen herbeigeschafft. Daneben entwickelte man ein Verfahren, um die örtlichen Braunkohlevorkommen in großem Maßstab zu vergasen. Dieses sogenannte Lurgi-Verfahren wurde vor allem in der Großgaserei Böhlen angewendet.
Das Land Sachsen gründete sogar ein Unternehmen, das die Ferngasversorgung in staatlicher Regie betrieb. Bei der Stromversorgung gab es etliche solcher Landesversorger. Die Landesgasversorgung Sachsen AG blieb dagegen ein Einzelfall. Sie trieb insbesondere die Vergasung von Braunkohle voran.
Als bedeutende private Gasgesellschaften entstanden ferner 1855 die Deutsche-Continental-Gas-Gesellschaft und 1867 die Thüringer Gasgesellschaft AG (ThGG). Beide verfügten über zahlreiche Gaswerke und Ferngasleitungen. Sie betätigten sich auch in anderen Teilen des Reiches, was ihnen nach 1945 die Neuorganisation ihrer Geschäftstätigkeit ermöglichte. Die Thüringer Gas AG (Thüga), wie sie seit 1979 hieß, machte Bayern zum neuen Schwerpunkt und beteiligte sich an zahlreichen regionalen Versorgern der Bundesrepublik. Die Contigas besaß zuletzt vierzig Beteiligungen an Energieversorgern und sechs eigene Betriebe.
Die ThGG bzw. Thüga gehörte schon seit 1930 der PreussenElektra. Mit dieser gelangte sie im Jahre 2000 in den E.ON-Konzern, für den sie fortan alle Minderheitsbeteiligungen an Stadtwerken hielt. Die Contigas landete als Tochter des Bayernwerks ebenfalls im E.ON-Konzern. Sie mußte aber ihren Geschäftsbetrieb an die Thüga abgeben und diente E.ON fortan nur noch als reine Holdinggesellschaft.
Nach dem Krieg konnte die DDR an die bereits vorhandenen Strukturen der Gasversorgung anknüpfen. Sie stand aber vor dem großen Problem, den dafür notwendigen Bedarf an Steinkohle zu decken. Die Steinkohle von der Ruhr blieb ab 1948 aus, da der Westen auf die sowjetische Blockade Berlins mit einer Gegenblockade antwortete. Die eigene Steinkohle-Förderung bei Zwickau und Dresden reichte nicht annähernd aus, um den Bedarf zu decken. Man behalf sich mit Importkohle aus Polen und Ersatzlösungen wie der Gaserzeugung aus Öl.
Schon Anfang der fünfziger Jahre setzte die DDR deshalb auch bei der Gasversorgung auf den einzigen Energieträger, über den sie ausreichend verfügte, nämlich die Braunkohle. Dies bedeutete eine enorme Umstellung: Zum einen vergaste bisher nur die Anlage in Böhlen vorgetrocknete Braunkohle nach dem Lurgi-Verfahren. Zum anderen fehlte es an einem Verbundnetz, um die Braunkohlevergasung mit den dabei anfallenden Nebenprodukten einigermaßen wirtschaftlich zu gestalten.
In der Mangelwirtschaft der DDR war ein solches Vorhaben nur schwer zu verwirklichen. Die Realisierung der Braunkohle-Vergasung und des Verbundnetzes erstreckte sich deshalb über rund zwei Jahrzehnte. Als 1969 der VEB (Volkseigene Betrieb) "Verbundnetz Gas" gegründet wurde, verfügte er über 3700 km Hochdruckgasleitungen und einen Untergrundspeicher in Ketzin (Brandenburg). Er wurde dann mit dem Kombinat „Schwarze Pumpe“ und weiteren Betrieben im „Gaskombinat Schwarze Pumpe“ zusammengefaßt, das für die gesamte Gasversorgung in der DDR einschließlich Forschung und Entwicklung zuständig war. Die Stadtgasproduktion der DDR stammte zuletzt zu 85 Prozent aus diesem Kombinat. Mit Beginn der russischen Erdgaslieferungen 1973 wurde das staatliche Verbundunternehmen auch für die Verteilung dieses Gases zuständig, das aber im wesentlichen industriellen Großabnehmern vorbehalten blieb.
Insgesamt deckte Gas im Osten Deutschlands nur neun Prozent des Verbrauchs an Endenergie, während es im Westen 22 Prozent waren. Im Vergleich mit der Bundesrepublik, der sie 1990 beitrat, verfügte die DDR aber über ein Ferngasnetz, das fast alle Landesteile erschloß. Die VNG - Verbundnetz Gas AG, wie sie nunmehr hieß, wurde damit ein gewichtiger Faktor in der Gaswirtschaft des vereinigten Deutschland.