Wie der "General-Anzeiger" datierte auch die "Neue Mannheimer Zeitung" ihre Jahrgänge ab 1790. So konnte man just zum Umzug im Oktober 1929 zugleich 140jähriges Verlagsjubiläum feiern ...

Alter Wein in neuen Schläuchen

Wie der "General-Anzeiger" zur "Neuen Mannheimer Zeitung" wurde

Nachdem die Inflation überstanden war, stellte die "Dr. H. Haas'sche Buchdruckerei GmbH" ihre Bilanz auf Goldmark um. Die Bilanzsumme betrug 993871 Mark und 46 Pfennig, das Stammkapital weiterhin 900000 Mark.

Früher hatten derartige Gesellschafterbeschlüsse in Mannheim stattgefunden, sei es im Büro des Reichstagsabgeordneten Bassermann oder im Sitzungssaal der Diskonto-Gesellschaft. Nunmehr wurden sie in Berlin vollzogen, in der Hauptverwaltung des Huck-Konzerns in der Corneliusstraße 7. Auch in der Form unterschieden sich die Gesellschafterversammlungen. Früher war dazu ein erheblicher Teil der zwanzig bis vierzig Gesellschafter persönlich erschienen. Nunmehr ließ der Generalbevollmächtigte des Huck-Konzerns, August Kraulidat, lediglich einen Notar in sein Büro kommen, wies die erforderlichen Vollmachten vor, gab die entsprechenden Erklärungen ab, und der Form war damit Genüge getan. (56)

Noch vor der Umstellung der Bilanz auf Goldmark erhielt der "General-Anzeiger" - dem Volksmund als "General-Anstreicher" geläufig - einen neuen Titel, der den Bezeichnungen der übrigen Huck-Blätter nachempfunden war. Um die Leser möglichst wenig zu irritieren, wurde im Juli 1924 zunächst nur der Untertitel "Neue Mannheimer Zeitung" eingeführt. Zwei Monate später wurden Haupt- und Untertitel vertauscht. Das Blatt hieß nunmehr "Neue Mannheimer Zeitung" und führte die alte Bezeichnung "General-Anzeiger" zur Erinnerung im Untertitel.

Die Umbenennung diente kosmetischen Zwecken. Eine politische Kursänderung war damit nicht verbunden. Die Blätter des Huck-Konzerns hielten es sowohl mit der "Deutschen Demokratischen Partei" (DDP) als auch mit der "Deutschen Volkspartei" (DVP), wobei Großunternehmer wie Huck ihre Interessen in beiden Fällen bestens gewahrt wußten.

Trotzdem erfolgte die Änderung des Titels natürlich nicht ohne Absicht. Fast seit der Gründung widersprach der Titel des "General-Anzeigers" seinem Charakter als offiziellem Parteiorgan der Nationalliberalen. Er verwies so noch immer auf die ursprüngliche Absicht seines Gründers Dr. Haas, ein ausschließlich kommerziell orientiertes Anzeigenblatt zu schaffen, bei dem sich Geschäft und politische Anlehnung an diese oder jene Partei zwanglos ineinander fügten. Der Mannheimer "General-Anzeiger" mit seiner strikten Parteibindung entsprach nicht dem üblichen Bild eines General-Anzeigers. Hier waren Redakteure, Manager und Gesellschafter zugleich Mitglieder und Funktionäre der Nationalliberalen Partei, auch wenn das Unternehmen selbst durchaus kommerziell und von der Partei geschäftlich unabhängig geführt wurde.

Wenn unterdessen vom Mannheimer "General-Anzeiger" die Rede war, so verband damit jedermann ein rechtsgerichtetes, stramm schwerindustriell bis deutschnational ausgerichtetes Blatt. Dieses Image mußte vom Huck-Konzern, der in der Tat ein echter General-Anzeiger-Konzern war, als störend empfunden werden. Es kam daher zu dem, was man heute als Face-lifting bezeichnen würde. Bei grundsätzlicher Beibehaltung der politischen Linie wurde dem Blatt ein Titel mit zeitgemäßem Reformgeschmack verpaßt, der zu überhaupt nichts verpflichtete, aber unselige Erinnerungen an jenes Blatt vermindern half, das einst der Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs applaudiert hatte.

Übrigens hatte der "General-Anzeiger" schon früher mit einer Titeländerung experimentiert: 1908 legte er sich den Untertitel "Badische Neueste Nachrichten" zu, der 1912 zum Haupttitel aufrückte. Dies dürfte mit Seitenblick auf das "Mannheimer Tageblatt" geschehen sein, das sich schon 1888 gegenüber der Neugründung des Dr. Haas demonstrativ den Untertitel "Badischer General-Anzeiger" zugelegt und inzwischen dem alten Titel vorangestellt hatte. Die Titeländerung scheint sich aber nicht bewährt zu haben. 1916 wurde der alte Zustand wiederhergestellt mit dem kleinen Unterschied, daß jetzt aus dem "General-Anzeiger' ein "Mannheimer General-Anzeiger" wurde und überdies die "Badischen Neuesten Nachrichten" in den Untertitel rückten.

Der Huck-Konzern ließ sich bei derartigen Überlegungen gern von dem Publizistik-Professor Emil Dovifat beraten, der öfter als Freund des Hauses in Hucks Privatvilla weilte. (89) Dovifat war fast so etwas wie ein Hausorakel des Huck-Konzerns, ehe er seine Dienste den faschistischen Machthabern und deren Presse erwies. Nach dem Krieg gab sich Dovifat wieder als "Demokrat". Seit 1979 verleiht die CDU-nahe Presse den nach ihm benannten "Emil-Dovifat-Preis".

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