Dieses Relief ist die einzige bisher bekannte Abbildung des Dr. Haas. Es befindet sich an seinem Grabmal auf dem Friedhof von Zell. Die Stadt Weinheim verfügte bisher über kein Bild ihres ehemaligen Bürgermeisters. Auch der "Mannheimer Morgen" und der "Münchener Merkur" besaßen bisher kein Bild ihres Firmengründers. Den Dr. Haas gibt es indessen schon lange nicht mehr. Er leiht nur noch seinen Namen für die Holdinggesellschaft des Mannheimer Pressekonzerns. Sein Name ist Symbol dafür, wie der 1946 gegründete "Mannheimer Morgen" von der Vergangenheit eingeholt wurde ...

 

(Zu diesem Original-Bildtext gibt es einen Nachtrag aus dem Jahr 2006)

Der Schatten des Dr. jur. Hermann Haas

Einiges über den Gründer des "Mannheimer Morgen"-Konzerns und seine Familie

Eigentlich müßte der Dr. jur. Hermann Haas einer der reichsten und mächtigsten Männer in Mannheim sein. Der "Dr. Haas GmbH", die seinen Namen trägt, gehören Druckereien, Verlage und sonstige Vermögenswerte. Vor allem gehört ihr der "Mannheimer Morgen", die einzige Tageszeitung in Mannheim und die größte im nordbadischen Raum.

Einen Dr. Haas gibt es jedoch nicht. Besser gesagt: Es gibt ihn schon lange nicht mehr. Er ist eine Gestalt des vorigen Jahrhunderts, die sozusagen ihren Schatten leiht, damit die wirklichen Eigentümer des Druck- und Verlagskonzerns um den "Mannheimer Morgen" nicht in Erscheinung treten müssen.

Obwohl dieser geheimnisvolle Ahnherr des heutigen Unternehmens nicht länger als sechs Jahre in Mannheim lebte und wirkte, hat sich die Firmenbezeichnung "Dr. Haas" in wechselnder Gestalt bis auf den heutigen Tag erhalten. Sie geisterte vom 19. ins 20. Jahrhundert, während der ursprüngliche Namensgeber immer mehr in Vergessenheit geriet.

Der Name des Dr. Haas ist jedoch mehr als ein pietätvoll in Ehren gehaltenes Firmenschild. Er steht für die Kontinuität der konformen Mannheimer Presse und des damit verbundenen Kapitals. Er symbolisiert die Aufrechterhaltung der bürgerlichen Macht- und Eigentumsverhältnisse über ein ganzes Jahrhundert und alle politischen Wechselfälle. Er steht zugleich für die moderne Art des Zeitungswesens, die politische Beeinflussung und Geschäft zu verbinden versteht.

Es war dem Dr. Hermann Julius Haas bereits in die Wiege gelegt, das Leben von der angenehmeren Seite aus zu genießen, als er am 14. März 1852 in der württembergischen Residenz Stuttgart das Licht der Welt erblickte. Sein Vater, David Haas, war ein reicher Bankier. Auch seine Mutter Bertha entstammte "besseren Kreisen". Sie war die Tochter des Arztes Dr. Samuel Dreifuss aus Stuttgart.

Der Vater war ursprünglich in Straßburg ansässig und: hatte später seine Bankgeschäfte nach Stuttgart verlegt. Auch er war als Sohn des Kaufmanns Hermann Haas ein Kind wohlhabender Eltern. Die Anfänge jenes bürgerlichen Wohlstandes, die dem gleichnamigen Enkel eine Karriere als Zeitungsverleger ermöglichten, verlieren sich somit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, etwa zur Zeit der napoleonischen Herrschaft. (2)

Die Abkunft aus reicher Familie sicherte sämtlichen Kindern des Bankiers Haas eine wohlsituierte Existenz: Der drei Jahre jüngere Bruder Hippolyt Julius wurde ein bekannter Gelehrter. Er war von 1887 bis 1904 Professor für Paläontologie und Geologie an der Universität in Kiel und erstellte das geologische Profil für den Bau des Nord-Ostsee-Kanals. Durch zahlreiche wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Schriften wurde Hippolyt Julius über die Grenzen seines Fachgebiets bekannt. Seine "Leitfossilien" und sein "Leitfaden der Geologie" erlebten zahlreiche Auflagen. Er starb 1913 auf der Durchreise in München. (3)

Während Hippolyt Julius fast sein ganzes Leben in Norddeutschland verbrachte und mit Hermann Julius in keinem erkennbaren geschäftlichen Zusammenhang stand, kreuzte sich der Lebensweg der Schwester Amalie Julie später mit dem ihres ältesten Bruders. Eigentlich hieß sie Amalie Emilie. Sie gebrauchte aber - wohl auch des Gleichklangs mit den Brüdern wegen - nur "Julie" als zweiten Vornamen. Eine berufliche Karriere hätte sich nach damaligen Vorstellungen für sie nicht geschickt. Dafür machte sie eine standesgemäße Partie. Sie heiratete 1873 in der französischen Schweiz den Ingenieur Arthur Juillerat-Chasseur. Ende der achtziger Jahre übersiedelte sie mit ihrem Mann nach Mannheim, um dort in den Zeitungsbetrieb des Bruders bzw. Schwagers einzutreten. Damit gehört auch Amalie Julie Haas in die Ahnengalerie des heutigen "Mannheimer Morgen". (4)

Neben der reichen Familie hat noch ein weiteres gesellschaftliches Merkmal den Lebensweg des Hermann Julius Haas wesentlich beeinflußt. Dies war seine Abstammung von jüdischen Eltern. Ein solcher Umstand spielte damals - noch und schon wieder - eine bedeutende Rolle. Das Königreich Württemberg, zum Beispiel, in dem Hermann Julius Haas geboren wurde, hatte den Juden erst 24 Jahre zuvor die rechtliche Gleichstellung mit den übrigen Untertanen gewährt. über viele Jahrhunderte war die Diskriminierung und Verfolgung der Juden unter religiösen Vorwänden erfolgt. Nun, da die bürgerliche Gleichberechtigung der Juden erreicht war, setzte eine neue Welle des Antisemitismus ein, die indessen nicht mehr religiös, sondern rassistisch verbrämt war. Sie knüpfte an die augenfällige Tatsache an, daß zahlreiche Bankiers, Kaufleute und andere reiche Kapitalisten jüdischer Abkunft waren. Die Verbreiter dieses neuen Antisemitismus waren vor allem in junkerlichen und großbürgerlichen Kreisen zu suchen. Sie versuchten auf diese Weise, Kleinbürger und Arbeiter von der Einsicht in die wahren Ursachen ihres Elends unter kapitalistischer Ausbeutung abzulenken.

Der Lebensweg des Dr. Haas zeigt beispielhaft, welche bedeutende Rolle der Antisemitismus schon zu Ende des 19. Jahrhunderts spielte. Es nützte Haas wenig, daß er sich protestantisch taufen ließ. (5) Dem neuen, rassistischen Antisemitismus vermochte er nicht zu entrinnen. Seine Geschäftstüchtigkeit, sein Opportunismus und sein Geltungsdrang - alles Merkmale, die er mit nichtjüdischen Kapitalisten gemein hatte - wurden ihm als speziell semitische Eigenschaften angekreidet. Am Ende haben ihn seine eigenen Parteifreunde und Klassengenossen genötigt, Mannheim zu verlassen, weil er in den Chor der antisemitischen Demagogie aus naheliegenden Gründen nicht miteinzustimmen vermochte.

Als Treppenwitz der Mannheimer Zeitungsgeschichte kann vermerkt werden, daß es auch unter dem Faschismus eine "Druckerei Dr. Haas" und eine "Verlagsanstalt Dr. Haas" gab. Die jüdische Abstammung des Ahnherrn - normalerweise Anlaß für eine Namensänderung - war inzwischen in Vergessenheit geraten.

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