PresseBLICK-Rezensionen Elektrotechnik



Jack Challoner

Mein erstes großes Batterien- und Magnetenbuch

Nürnberg 1993: Tessloff Verlag, 48 S., DM 24.80


Ebenfalls ein Buch, das zunächst im englischen Verlag Dorling Kindersley erschienen ist und dieses Jahr ins Deutsche übertragen wurde. Es will Kinder durch einfache Experimente an die Elektrizität heranführen. Grundsätzlich eine gute Idee. Von den vorgeschlagenen Basteleien macht aber einiges den Eindruck, als sei es nicht von einem pädagogischen Praktiker, sondern am grünen Tisch erdacht worden. Zum Beispiel vermißt man bei den Elektromagnet-Versuchen, bei denen die Klinge von Schraubenziehern mit einigen Windungen Draht umwickelt wird, einen warnenden Hinweis auf den enormen Batterie-Verschleiß, den diese Art der Stromanwendung zwangsläufig zur Folge hat.

Der rustikale Charme der Büroklammer...

Es will auch nicht so recht einleuchten, weshalb das Buch erst Flachbatterien und dann Monozellen als Stromquellen vorsieht. Die Flachbatterie ist - obwohl heutzutage nicht mehr überall erhältlich - insofern recht praktisch, als sich an ihren Kontaktzungen problemlos Drähte befestigen lassen. Ab Seite 20 werden dann aber fast nur noch Monozellen verwendet, womit für die Kinder das Problem entsteht, wie sich der Kontakt der Batterien untereinander und mit den Leiterdrähten bewerkstelligen läßt. Der Ratschlag, dies mit Klebeband zu versuchen, kann nicht so recht überzeugen. Ein Batteriehalter würde manchen Frust vermeiden helfen. Gleiches gilt für die Kontakte und Schalter, die das Kind mittels Musterklammern und Büroklammern herstellen soll: Das hat zwar rustikalen Charme, dürfte aber ebenfalls mit Wackelkontakten verbunden sein.

...gerät zum Selbstzweck

Ganz so simpel, wie der Büroklammer-Schalter vermuten lassen könnte, geht es dann doch wieder nicht zu: Den Höhepunkt bildet der Bau eines Kopfhörer-Radios im phantasievoll verzierten Pappkarton. Dafür sind etliche Bauteile zu kaufen, die es nur in einem Spezialgeschäft für Elektronik- oder Bastelbedarf gibt. Der übliche Drehkondensator für die Sender-Einstellung steht aber nicht auf der Liste. Stattdessen wird ein Kondensator mit fester Kapazität verwendet. Die Einstellung des Schwingkreises auf die Sender-Frequenzen erfolgt durch Abgreifen unterschiedlicher Induktivitäten an der selbstgewickelten Spule. Dafür müssen die Drahtwindungen der Spule zwecks Entfernung der Isolierschicht kunstvoll angefeilt und mit einer aufgebogenen Büroklammer abgetastet werden. - Das ist ungefähr so praktisch, wie wenn jemand seine Korrespondenz mit Tintenfaß und kratzendem Federkiel statt mit üblichem Schreibgerät erledigt. Die scheinbare Simplizität der Anordnung, die durch die abermalige Verwendung einer Büroklammer suggeriert wird, gerät hier zum Selbstzweck und führt sich selber ad absurdum.

Es käme wohl auf den praktischen Versuch an, was Zehn- oder Zwölfjährige mit den hier vorgeschlagenen Basteleien tatsächlich anfangen können. Ob es ihnen zum Beispiel enormen Spaß macht, ein simples Glühbirnchen, mit dem die elektrische Leitfähigkeit von Materialien getestet werden soll, erst einmal mit buntem Papier als "Leuchtwanze" zu verkleiden. Oder in aufwendiger Arbeit ein Auto aus Pappkarton herzustellen, damit je zwei Glühlämpchen als Scheinwerfer bzw. als Blinker fungieren können (wobei es fälschlicherweise heißt, daß die Scheinwerfer eines Autos "in Reihe" geschaltet seien, was technisch unzweckmäßig wäre und aus Sicherheitsgründen gar nicht erlaubt ist). Die Befürchtung ist nicht von der Hand zu weisen, daß solche dekorativen Vorschläge das technische Prinzip eher verunklaren als erhellen. Die eigentliche Faszination sollte nicht von der Dekoration, sondern vom Experiment ausgehen.

Da der Gang ins Spezialgeschäft ohnehin erforderlich wird, wären die Kinder gut beraten, sich anstelle von Muster- und Büroklammern lieber gleich solide Bananenstecker, Buchsen, Krokodilklemmen und Schalter zu besorgen. Vermutlich sind Mädchen und Jungen ab acht Jahren - so die verlagsoffizielle Altersempfehlung - aber schon damit überfordert, sich erst die jeweils benötigten Magneten, Leuchtdioden, den Elektromotor und sonstige Materialien zusammensuchen zu müssen. Komplette Bausätze mit Anleitung dürften geeigneter sein, um erste Experimente mit der Elektrizität nicht im Frust der Kinder und im Streß der Eltern enden zu lassen.

(PB 9/93/*leu)