PresseBLICK-Rezensionen "Elektrosmog"

Fragwürdige Ratschläge

Herbert L. König / Enno Folkerts

Elektrischer Strom als Umweltfaktor

München 1992: Richard Pflaum Verlag, 190 S., DM 38.-

Aus den USA kommt soeben die Kunde von einer neuen Energiesparlampe mit jahrelanger Haltbarkeit. Sie hat allerdings eine Eigenschaft, die ihr in der boomenden Debatte über elektromagnetische Felder schon jetzt einen Platz am Pranger sichern dürfte: Sie erzeugt nämlich hochfrequente elektromagnetische Felder.

Schon von den Niedervolt-Lampen, deren spannungsführenden Teile unbesorgt berührt werden können, befürchten manche eine Gefährdung: Die geringeren Spannungen erfordern nach dem Ohmschen Gesetz höhere Stromstärken. Entlang der stromführenden Teile entsteht deshalb ein stärkeres Magnetfeld als bei 220-Volt-Lampen gleicher Leistung - "aus Sicht einer biologisch orientierten Elektroinstallation eindeutig ein Irrweg", wie das vorliegende Buch meint.

Bisher läßt sich allerdings eine gesundheitliche Gefährdung durch elektromagnetische Felder weder beweisen noch widerlegen - sieht man von extremen Feldstärken mit nachweisbar energetischer Wirkung ab, wie sie im hochfrequenten Bereich direkt neben starken Sendeanlagen oder im niederfrequenten Bereich unmittelbar neben elektrischen Schmelzöfen auftreten können. Ob schwache elektromagnetische Felder in anderer Weise - etwa durch Übermittlung "codierter Informationen" an entsprechend rezeptive Teile des Nervensystems - auf den Organismus wirken könnten, bleibt bis auf weiteres reine Spekulation.

Die Autoren des vorliegenden Buches sind mit diesem Stand der Dinge vertraut: Herbert L. König hat einen Lehrstuhl für Elektrophysik an der Technischen Hochschule München; Enno Folkerts ist Fachlehrer an der Bundesfachlehranstalt für Elektrotechnik in Oldenburg. Als Fachleute vermeiden sie es, ein Gesundheitsrisiko durch elektromagnetische Felder als erwiesen hinzustellen. "Eine im medizinischen Sinne absolute, als gravierend zu bezeichnende Schädlichkeit ist im Rahmen der zur Diskussion stehenden Belastung offensichtlich keinesfalls zu erwarten", schreibt König ausdrücklich im ersten Teil des Buches, in dem er sich mit "möglichen Gesundheitsaspekten" von energietechnischen Feldern befaßt. Und Folkerts, der im zweiten Teil praktische Ratschläge zur "Elektroinstallation beim biologisch orientierten Wohnungsbau" gibt, hält deutlich auf Distanz zu unseriösen Teilen der baubiologischen Zunft. So warnt er vor "sogenannten Fachleuten", die in ihrem baubiologischen Eifer die anerkannten Regeln der Technik mißachten und z.B. den Fundamenterder nicht nach VDE-Bestimmungen ausführen wollen, nur um eventuelle Magnetfelder zu vermeiden. Er macht auch keinen Hehl daraus, "daß eine völlige Abschirmung gegen elektrische und magnetische Felder, wie sie von allen Anlagenteilen der elektrischen Haushaltsinstallation ausgehen, nicht möglich ist".

Die Autoren sind insoweit um sachliche und fachlich einwandfreie Argumentation bemüht. Insgeheim scheinen sie aber doch dem Credo anzuhängen, daß die häusliche Steckdose eine bislang verkannte Büchse der Pandora sei. Mit Genugtuung registriert König die pure Quantität von besorgten Veröffentlichungen: "Es zeichnet sich inzwischen eine Art Durchbruch bei offiziellen Stellen an, da die sich laufend ansammelnden Berichte und Stellungnahmen über mit letzter Sicherheit nicht mehr auszuschließende Gefahren, die im Zusammenhang mit energietechnisch bedingten Feldern bestehen, nicht mehr einfach als unbewiesen und unsinnig abgetan werden können."

Fragwürdige Schutzvorkehrungen gegen ein noch fragwürdigeres Risiko

Der zweite Teil des Buches mit seinen praktischen Ratschlägen für die Elektroinstallation macht vollends nur dann Sinn, wenn von einem so gut wie erwiesenen Risiko der elektrischen und magnetischen Wechselfelder im Haushalt ausgegangen wird. Denn es ist bestimmt sehr umständlich, aufwendig und teuer, wenn ein Hausbesitzer, um "feldarme Ruhezonen" zu schaffen, die Elektroinstallation nach den hier gegebenen Anleitungen neu verlegen oder gar nachträglich umbauen läßt. Es ist auch alles andere als angenehm und setzt ein reichliches Maß an Glaubensstärke voraus, sich einer strengen Elektro-Askese zu unterwerfen, nur damit nachts der Netzfreischalter in Aktion treten kann. - Wobei die von "Baubiologen" empfohlenen Netzfreischalter nicht mehr beseitigen als das schwache elektrische Feld um spannungsführende Leitungen und Geräte, das spätestens von der Körperoberfläche zurückgehalten wird. Die magnetischen Felder dagegen, die jeder Stromfluß notwendigerweise erzeugt, lassen sich weder vermeiden noch praktisch wirksam abschirmen - es sei denn, man verzichtet konsequent auf jede Stromanwendung.

Das vorliegende Buch dürfte deshalb am ehesten für solche Leser geeignet sein, die weder Geld noch Mühe scheuen wollen, um sich auf letzten Endes fragwürdig bleibende Weise gegen ein noch fragwürdigeres Risiko abzusichern.

(PB Juni 1992/*leu)