PresseBLICK-Rezensionen Erneuerbare Energien



Sibylle und Jörg Schlaich

Erneuerbare Energien nutzen

Düsseldorf: Werner-Verlag 1991, 141 S.


Wer eine leichtverständliche, knapp gefaßte und dennoch gründliche Einführung in die Problematik der erneuerbaren Energien sucht, dürfte mit diesem Bändchen trotz des relativ hohen Preises von 68 DM gut bedient sein. Allerdings sollte er keine Anleitung zur Verselbständigung der eigenen Stromversorgung erwarten. Der Autor glaubt nämlich nicht, daß die regenerativen Energien in unseren Breiten mehr als eine zweitrangige Rolle spielen könnten und daß sich per Windkraft, Solarkollektoren, Photovoltaik oder Biogas die herkömmlichen Kraftwerke ablösen ließen. Er richtet seinen Blick vielmehr auf die Wüsten Afrikas, Arabiens, Amerikas und Australiens. Hier sieht er noch völlig brachliegende und schier unerschöpfliche Ressourcen für Solarkraftwerke. Er rechnet vor, daß 0,38% der Sahara den Energiebedarf Deutschlands und ein Zehntel dieser Wüstenfläche den der gesamten Welt decken könnten. Voraussetzung dafür sei die großtechnische Nutzung der Sonnenenergie, die sich im Prinzip schon mit den heutigen Mitteln bewerkstelligen lasse. Besonders denkt er dabei an Aufwind-Kraftwerke, die aus einer Art gigantischem Treibhaus mit einem hohen Kamin in der Mitte bestehen. Der Prototyp einer solchen Anlage erbringt in Spanien mit einem 200 Meter hohen Kamin inmitten eines Glasdachs von 220 Metern Durchmesser eine Leistung von 50 Kilowatt (kW). Es sei kein unlösbares technisches Problem, die Kaminhöhe bis auf 1000 Meter zu steigern und auf diese Weise eine Leistung bis zu 200 MW zu erzielen. Weitere Möglichkeiten zur Nutzung der hohen Sonneinstrahlung böten Rinnenkollektoren und Turmkraftwerke, bei denen die Sonnenstrahlung von Reflektoren verstärkt wird und so zur Erhitzung von Wasserdampf oder einem anderen Medium verwendet werden kann. Die bestehenden Rinnenkollektoren und Turmkraftwerke leisteten bereits bis zu 80 MW bzw. 10 MW. Sehr kompakte Solarkraftwerke mit Leistungen um 50 kW ließen sich bei Verwendung von Parabolspiegeln in Verbindung mit dem Stirling-Motor bauen. Besonders für den dezentralen und mobilen Kleinverbrauch geeignet sei schließlich die Photovoltaik, die das Sonnenlicht unmittelbar in Strom umwandelt.

Weitere Möglichkeiten einer globalen Lösung des Energieproblems sieht der Verfasser in den Wasserkräften, die in Deutschland schon zu 90% und in Europa zu 33%, weltweit aber erst zu etwa 10% genutzt würden. Ebenso müsse an den dafür geeigneten Standorten mit Nachdruck die weitere Nutzung der Windenergie betrieben werden, obwohl diese insgesamt sicher nicht mehr als einige Prozent zur Energieerzeugung der Welt beisteuern könne.

Zum Schluß beleuchtet der Autor noch kurz die Möglichkeiten der Fernübertragung, Speicherung und Wasserstoff-Umwandlung von Strom, von denen die globale Nutzung der regenerativen Energien entscheidend abhängen würde. Er setzt hier vor allem auf die Hochspannungsgleichstrom-übertragung (HGÜ), die den Transport von Strom über eine 3500 Kilometer lange Leitung von Afrika nach Deutschland mit Verlusten von weniger als 15% ermöglichen würde. Bei Anwendung der Wasserstoff-Technologie sei es allerdings sinnvoller, die Umwandlung der Energie gleich am Ort der Stromerzeugung vorzunehmen und den erzeugten Wasserstoff gasförmig per Pipeline oder in flüssiger Form bei Tiefkühlung auf - 253 Grad an den Ort des Verbrauchs zu transportieren.

Der Verfasser Jörg Schlaich lehrt als promovierter Bauingenieur an der Universität Stuttgart und ist außerdem in einer ingenieurtechnischen Beratungsfirma tätig. Eine eigenwillige Note erhält das engagiert geschriebene Bändchen durch die grafische Gestaltung, die seine Tochter Sibylle als grafische Diplomarbeit besorgt hat.

(PB 8/91/*leu)