PresseBLICK-Rezensionen Stromwirtschaft



Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke

Auswertung der Green Pricing-Umfrage 1999

16 S., VDEW Materialien 6/99


Andreas Mohren

Green Pricing: Möglichkeiten von und Erfahrungen mit Grünen Stromtarifen und kostendeckender Vergütung in Deutschland

128 S., Diplomarbeit, Mannheim 1998/99


Es grünt so grün wie noch nie im Angebot der Stromversorger: Immer mehr Unternehmen bieten ihren umweltbewußten Kunden die Gelegenheit, gegen einen Aufpreis von ein paar Pfennigen pro Kilowattstunde (oder auch deutlich mehr) etwas für die Förderung der erneuerbaren Energien zu tun. Will man den Ergebnissen von Umfragen Glauben schenken, wären zwanzig bis sechzig Prozent der Tarifkunden bereit, für "umweltfreundlichen" Strom aus regenerativen Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung tiefer in die Tasche zu greifen. In der Praxis ist die Bereitschaft aber wesentlich geringer: Ein Prozent der Kunden stellt da schon eine recht ansehnliche Beteiligung dar.

Solche Angebote werden als Umwelttarife, grüne Tarife oder Ökostrom-Angebote bezeichnet. Sie leben nicht nur vom Umweltbewußtsein der Bezieher, sondern auch ein bißchen von der Unkenntnis physikalisch-technischer Grundlagen der Stromversorgung: Faktisch bezieht der Verbraucher immer denselben Strom aus der Steckdose, ob er nun den Aufschlag zahlt oder nicht. Das gilt sogar für die grüne Bundestagsabgeordnete Michaele Hustedt, die keine Mühe und Kosten scheute, um sich in ihrer Bonner Wohnung per Durchleitung vom Betreiber eines Windparks in der Eifel versorgen zu lassen: Um wirklich kernenergie-freien Strom zu beziehen, bräuchte sie schon eine Direktleitung, was die Sache noch ein bißchen teurer machen würde. Die Durchleitung erschöpft sich eben bestenfalls in der Einspeisung einer bestimmten Menge elektrischer Energie an einer Stelle des Netzes und der zeitgleichen Entnahme eines entsprechenden Quantums an anderer Stelle des Netzes. Grün angestrichene Elektronen, die sich zielstrebig ihren Weg von der Eifel zu einer bestimmten Wohnung in Bonn suchen, müssen erst noch erfunden werden.

Von der holden Illusion, man könne durch den Wechsel des Tarifs oder des Stromversorgers garantiert "sauberen" Strom aus der eigenen Steckdose beziehen, leben vor allem unabhängige Erzeuger und Zwischenhändler. Für die korrekte Darlegung des Sachverhalts zu loben sind dagegen etwa die Stadtwerke Freiburg: In ihrer Pressemitteilung zum "Regiostrom" wiesen sie ausdrücklich darauf hin, daß die Entscheidung für den teureren Tarif "nichts am Strom in seiner technisch-physikalischen Eigenschaft" ändere und nur langfristig - eine entsprechende Nachfrage der Kunden vorausgesetzt - den Anteil der erneuerbaren Energien am Energie-Mix erhöhen könne.

EVU-Angebote können sich sehen lassen

Auch sonst sind umweltbewußte Kunden mit den grünen Angeboten der EVU weit besser bedient, als konkurrierende Ökostrom-Anbieter von Greenpeace bis zur Naturstrom AG der Öffentlichkeit gern weismachen würden: Ihr Argument, daß die EVU auch Strom aus fossilen Energien und - horribile dictu - Kernenergie im Angebot hätten, könnte mittelalterlicher Scholastik zur Ehre gereichen, da sie ihr eigenes Geschäft ohne diese Absicherung durch konventionelle Stromerzeugung niemals betreiben könnten und ihren Kunden sowieso denselben Strom-Mix aus der Steckdose bieten. Vermutlich sind auch die Verwaltungskosten der grünen Angebote bei den EVU geringer als bei Unternehmen, die aus den Einnahmen erst mal ihren ganzen Apparat samt Werbung und Vorstandsgehältern finanzieren, ehe der Rest tatsächlich der Förderung erneuerbarer Energien zugute kommt. Das EVU-Angebot dürfte spätestens dann günstiger sein, wenn keine Durchleitungsgebühren anfallen oder wenn das EVU gar - wie beim "Umwelttarif" der RWE Energie - den Obolus zugunsten der Erneuerbaren freiwillig um denselben Betrag aufstockt.

Die Green Pricing-Umfrage der VDEW ergab insgesamt 44 grüne Angebote

Da heute alles amerikanisch daherkommen muß, um wirklich "up to date" zu sein, wird anstelle von grünen Angeboten auch von Green Pricing gesprochen. Die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke hat vor kurzem die Verbreitung von Green Pricing innerhalb der Branche untersucht, indem sie an ihre über 800 Mitgliedsunternehmen entsprechende Fragebögen verschickte. Davon kamen 255 Fragebögen zurück. Da sich unter den Rücksendungen auch die große Mehrheit der Anbieter befinden dürfte, kann das Ergebnis als repräsentativ angesehen werden.

Demnach gab es zum 1. März 1999 insgesamt 44 Energieversorgungsunternehmen, die Green Pricing bereits im Angebot hatten. Weitere 33 planten die Einführung solcher Modelle bis zum nächsten Jahr, 14 weitere erwogen dies zumindest. Zur Zeit nicht an Green Pricing interessiert zeigten sich 159 Unternehmen. Sechs stuften ein solches Angebot als ungeeignet ein, wobei sie dies meistens mit mangelndem Kundeninteresse begründeten.

Insgesamt wurden nicht weniger als 70 verschiedene Modelle angeboten, die sich wiederum aufteilen lassen in 38 Tarifmodelle, 3 Börsen, 7 Beteiligungsmodelle, 18 Fondsmodelle und 3 Stromhändler. Bei jenen Unternehmen, die Green Pricing-Angebote erst einführen wollten, wurden 19mal Tarifmodelle, zweimal Börsen und zweimal Beteiligungsmodelle ins Auge gefaßt. Es zeigt sich also ein ganz klarer Trend hin zu grünen Tarifen im engeren Sinne, wobei der durchschnittliche Aufschlag pro Kilowattstunde acht Pfennig beträgt.

Weitere Ergebnisse der Umfrage sind den "VDEW Materialien" 6/99 zu entnehmen. Verbandsmitglieder erhalten ein Einzelexemplar des 16 Seiten umfassenden Papiers auf Anforderung kostenlos bei der VDEW, Stresemannallee 23, 60569 Frankfurt am Main (Tel. 069 / 6304-1; Fax 069 / 6304-463).

Die Diplomarbeit eines Betriebswirts

Auch ein angehender Betriebswirt hat sich mit Green Pricing im Rahmen seiner Diplomarbeit befaßt. Zusätzlich bezog er die kostendeckende Vergütung mit ein, die eine andere - von den EVU sicher wesentlich weniger geschätzte - Möglichkeit zur Förderung der erneuerbaren Energien bietet.

Da dem Diplomanden nicht die Möglichkeiten der VDEW zur Verfügung standen, konnte er zum Zeitpunkt seiner Erhebung im Wintersemester 1998/99 nur 15 Anbieter von "grünen Angeboten" ermitteln. Er unterscheidet in seiner Arbeit Grüne Tarife (Verbrauchs-Prinzip) von Beteiligungs-Modellen (Investitions-Prinzip) und Fonds-Modellen (Spenden-Prinzip).

Ferner stellt er weitere Akteure vor, die sich auf dem liberalisierten Energiemarkt speziell mit "Ökostrom" befassen. Von den sogenannten Energiemaklern beschreibt er exemplarisch die Unternehmen NaturEnergie AG (Grenzach-Wyhlen), Naturstrom AG (Düsseldorf), Nord-Strom GmbH (Flensburg), Grüner Strom AG (Hamburg), Ökostrom Handels AG (Hamburg), EWE NaturWatt GmbH (Oldenburg) und Plambeck Neue Energien AG (Cuxhaven). Die Institution der Solarstrombörse verdeutlicht er an Beispielen in Zürich und Berlin (Bewag). Als unabhängige Öko-Stromproduzenten beschreibt er die Solarstrom AG (Freiburg), die WRE AG (Bad Homburg) und die Mann Naturenergie GmbH & Co KG (Langenbach). Schließlich beleuchtet er noch Aspekte wie die Zertifizierung, mit der sich für die Kunden die Glaubwürdigkeit des grünen Angebots erhöhen läßt.

In dieser Diplomarbeit findet man auch den Versuch einer Erklärung für die große Diskrepanz zwischen Umfragen, die eine sehr hohe Akzeptanz grüner Angebote erwarten lassen, und der tatsächlich geringen Nachfrage in der Praxis: "Die Bereitschaft, Geld auszugeben, ist beträchtlich gesunken. Daran können weder geringe Teilnahmebeträge noch der Appell zur Verbesserung der Umwelt etwas ändern, da zur Zeit noch Zukunftsängste bezüglich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland überwiegen." Bei der Zusammenfassung der Ergebnisse konkretisiert sich für den Verfasser "die Überlegung, daß die momentanen Konzepte der Grünen Angebote und der Kostendeckenden Vergütung ein Übergangsstadium darstellen, aus denen im wettbewerbsorientierten Markt neue Formen zur Förderung der regenerativen Energien entstehen werden".

Naturgemäß handelt es sich bei dieser Diplomarbeit um eine etwas spröde Lektüre, die aber für Spezialisten von Interesse sein könnte. Der Verfasser stellt auf Wunsch eine Kopie der 128 Seiten starken Diplomarbeit zum Preis von 59 DM zuzüglich Versandkosten zur Verfügung. Anforderungen sind zu richten an Andreas Mohren, J 6,8, 68159 Mannheim (Tel. 0621 / 1220348).

(PB Mai 1999/*leu)