PresseBLICK-Rezensionen Stromwirtschaft



Rolf W. Goering, Dieter Oesterwind

Kernkraft stellt sich dem Wettbewerb

80 Seiten, 27 Abb., DM 25.00, 1995 expert verlag (expert taschenbücher Band 54)


Durch das Energie-Artikelgesetz von 1994 sind die Sicherheitsanforderungen des Atomgesetzes für den Bau und Betrieb von Kernkraftwerken wesentlich erhöht worden. Neue Anlagen dürfen nur noch genehmigt werden, wenn selbst im unwahrscheinlichen Fall einer Kernschmelze "einschneidende Maßnahmen zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen außerhalb des abgeschlossenen Geländes der Anlage nicht erforderlich" werden.

Fast noch wichtiger ist für die beiden Autoren des vorliegenden Bändchens aber die öffentliche Meinung, die Leichtwasserreaktoren der herkömmlichen Bauart wegen des nicht auszuschließenden Restrisikos einer Kernschmelze prinzipiell für unsicher hält. Durch den gegenwärtigen faktischen Baustopp für Kernkraftwerke in Deutschland sei die weitere Entwicklung der kerntechnischen Industrie und ihres Know-hows blockiert. Den Ausweg sehen sie in der Entwicklung fortgeschrittener Reaktorlinien, die das Restrisiko einer Kernschmelze weiter verringern und im schlimmsten Fall auf die Anlage begrenzen, wie es das Atomgesetz neuerdings verlangt. So wird der "Europareaktor", den Siemens und Framatome derzeit gemeinsam entwickeln, recht ausführlich dargestellt. Ihre eigentliche Sympathie gehört aber jenen "inhärent" sicheren Reaktoren, die aus physikalischen Gründen nicht "durchgehen" können. Dazu zählt vor allem die vielversprechende Entwicklung des Hochtemperaturreaktors, bei der Deutschland einst führend war, bis er dann aus Gründen, die sich für seine Anhänger bis heute nicht rational nachvollziehen lassen, zugunsten der Leichtwasserreaktoren und des Schnellen Brüters fallengelassen wurde (vgl. PB 2/92).

Das Bändchen ist trotz oder gerade wegen seines bescheidenen Umfangs recht informativ. Es beschreibt knapp und allgemeinverständlich die Funktionsweise von Kernkraftwerken und speziell die Technik der neuen Sicherheitsphilosophie. Dabei wird auch auf die bislang schwersten Unglücke beim Betrieb von Kernkraftwerken eingegangen, die sich 1979 in Harrisburg (mit Kernschmelze) und 1986 in Tschernobyl (ohne Kernschmelze, aber mit weit verheerenderen Folgen) ereigneten. Die Anzahl der Opfer, die bisher als Folge der Katastrophe von Tschernobyl zu beklagen sind, wird von den Autoren mit "mehr als hunderttausend Menschen" angegeben.

Rolf W. Goering war 24 Jahre Chefredakteur der VDI-Nachrichten. Seit 1988 ist er als freier Journalist und Berater für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig. Sein Koautor Dieter Oesterwind war wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungszentrum Jülich, bevor er die energiewirtschaftliche Abteilung der Ruhrkohle übernahm. Derzeit ist er Vorstandsmitglied der Stadtwerke Düsseldorf für Technik und Vertrieb.

(PB 1/96/*leu)