März 1996

960305

ENERGIE-CHRONIK


Auswirkungen des Stromeinspeisungsgesetzes vor dem Wirtschaftsausschuß des Bundestags

Das Stromeinspeisungsgesetz zwingt die Stromversorger, für eingespeisten Strom aus erneuerbaren Energien 30 bis 70 Prozent mehr zu bezahlen, als er aufgrund der langfristig vermiedenen Kosten für Brennstoffe und Kraftwerksbauten wert ist. Es hat ihnen 1995 dadurch Mehrkosten von mindestens 135 Millionen Mark verursacht. Dies erklärte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), Joachim Grawe, am 6.3. bei einer Anhörung zu den Auswirkungen des Stromeinspeisungsgesetzes vor dem Wirtschaftsausschuß des Bundestags. Wie Grawe ausführte, entfallen von den Mehrkosten allein 55 Millionen Mark auf "Mitnahmeeffekte" bei alten Wasserkraftwerken. Mehrere Stromversorger hätten bereits die Strompreise erhöhen oder von sonst möglichen Senkungen Abstand nehmen müssen. Es sei auch keine Lösung, die einseitige Belastung einzelner Stromversorger durch einen Ausgleichsfonds mildern zu wollen, der von allen EVU getragen wird. Stattdessen müsse das Stromeinspeisungsgesetz abgeschafft und durch eine Subventionierung aus dem Bundeshaushalt ersetzt werden (siehe auch 960101 u. 960202).

Nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden der PreussenElektra, Hans-Dieter Harig, sind den norddeutschen Stromversorgern und deren Kunden seit Inkrafttreten des Gesetzes bereits 400 Millionen Mark an Mehrkosten durch die Vergütung von Windstromeinspeisung enstanden. Harig war ebenfalls als Sachverständiger zu der Anhörung geladen, weil PreussenElektra mit den beiden Regionalversorgern Schleswag und EWE im windreichen Norden am stärksten von den Folgen des Stromeinspeisungsgesetzes betroffen ist (FAZ, 7.3.; Handelsblatt, 7.3.).

Nach der Anhörung erklärten die Berichterstatter von CDU/CSU und SPD, daß sich das Stromeinspeisungsgesetz bewährt habe. Allerdings führe es zu einseitigen Belastungen der Stromversorger. Hier müsse für einen Ausgleich gesorgt werden. Peter Ramsauer (CDU/CSU-Fraktion) forderte die betroffenen Stromversorger auf, von der Härteklausel im Gesetz Gebrauch zu machen, die bei übermäßiger Belastung die Überwälzung der Kosten an den Vorlieferanten vorsieht. Dietmar Schütz (SPD-Fraktion) räumte ein, daß diese Härteklausel in der Praxis wenig tauge, weil sie z.B. im Falle von Schleswag und EWE die Belastung lediglich von den Töchtern auf die Muttergesellschaft verlagere. Schütz sprach sich deshalb für einen überregionalen Ausgleichsfonds aus, der von allen Stromversorgern getragen wird (FR, 9.3.; FAZ, 9.3.).

Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) bezweifelte die von den Stromversorgern genannten Mehrbelastungen durch das Stromeinspeisungsgesetz: Statt bis zu 13,5 Pfennig pro Kilowattstunde beliefen sie sich lediglich auf maximal zwei Pfennige. Der Eurosolar-Vorsitzende und SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer bezeichnete die Unterscheidung zwischen Stromkunden und Steuerzahlern als "künstlich". Jeder Steuerzahler sei auch Stromkunde. Deshalb mache es praktisch keinen Unterschied, ob die Stromeinspeisung über den Strompreis oder aus dem Bundeshaushalt finanziert werde (SZ, 7.3.).

In der Frankfurter Rundschau (7.3.) hieß es: "Öko-Strom muß den Verbrauchern weiterhin einen Extra-Aufschlag wert sein. Daß die Kosten nicht einseitig bei Unternehmen in windstarken Regionen abgelagert werden dürfen, ist sonnenklar. Dieser Mangel läßt sich reformieren, Angriffe gegen das Gesetz insgesamt rechtfertigt er nicht."

Das Handelsblatt (18.3.) meinte: "Die öffentliche Stromwirtschaft ist in den letzten Monaten vor allem auch durch die Kontroverse über das Stromeinspeisungsgesetz in Mißkredit geraten. Angesichts der Popularität für die Unterstützung regenerativer Energien dürfte es der Elektrizitätsbranche schwerfallen, eine politische Mehrheit für eine Änderung des gesetzlichen Rahmens für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Es sollten die regionalen Ungleichgewichte durch die Expansion der Windkraft im Norden durch die Härteklausel kompensiert werden."