Februar 2016

160213

ENERGIE-CHRONIK


In Greifswald werden erstmals Wasserstoff-Plasmen erzeugt

Am 3. Februar wurde in der Fusionsanlage Wendelstein 7-X das erste Wasserstoff-Plasma erzeugt. Per Knopfdruck löste die Bundeskanzlerin Angela Merkel einen 2-Megawatt-Puls aus, der eine winzige Menge Wasserstoff-Gas in ein extrem heißes Wasserstoff-Plasma verwandelte. In dem vor 16 Jahren fertiggestellten Forschungsgebäude im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald, das einst Merkels Vorgänger Gerhard Schröder eröffnete (000721), begann damit der wissenschaftliche Experimentierbetrieb.


Das erste Wasserstoff-Plasma in Wendelstein 7-X dauerte eine Viertelsekunde und erreichte eine Temperatur von rund 80 Millionen Grad Celsius (eingefärbtes Schwarz-Weiß-Foto).
Foto: IPP

"Wendelstein 7-X" soll die Tauglichkeit des sogenannten Stellarators für den Bau von Fusionskraftwerken belegen. Wie beim konkurrierenden Prinzip des sogenannten Tokamak wird dabei ein Plasma aus Deuterium und Tritium von einem immens starken Magnetfeld in der Schwebe gehalten. Die Konstruktion dieses Magnetfeldkäfigs ist beim Stellarator wesentlich komplizierter als beim Tokamak, für den derzeit in Südfrankreich die bislang größte Testanlage namens ITER errichtet wird (111218). Im Unterschied zum Tokamak, der nur gepulst betrieben werden kann, würde der Stellarator aber einen kontinuierlichen Betrieb ermöglichen, der den Fusionsreaktor auch weniger strapaziert. Der erste Demonstrationsreaktor zur Erzeugung von Strom aus Kernfusion könnte deshalb auch ein Stellarator sein, falls sich das in Greifswald erprobte Konstruktionsprinzip grundsätzlich als kraftwerkstauglich erweisen sollte.

Mit der Inbetriebnahme eines derartigen Fusionsreaktors zur Stromerzeugung – sei es als Nachfolger von ITER oder von Wendelstein 7-X – ist allerdings nicht vor der Mitte des Jahrhunderts zu rechnen. Es gibt deshalb seit jeher viel Kritik an den zig Milliarden, die für die Fusionsforschung bereits verausgabt wurden und noch benötigt werden, zumal die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen schon wesentlich weiter vorangeschritten ist und deren Praxistauglichkeit außer Zweifel steht.

Mit der Montage von Wendelstein 7-X war im April 2005 begonnen worden. Bis zur vorläufigen Fertigstellung vergingen neun Jahre (140510). Der anschließende Test der Anlagen-Komponenten beanspruchte weitere 20 Monate. Zuletzt waren ab 10. Dezember 2015 mehr als 300 Entladungen mit dem Edelgas Helium erzeugt worden, wobei Temperaturen bis zu sechs Millionen Grad entstanden. Der erste Test mit Wasserstoff – dem eigentlichen Untersuchungsgegenstand – dauerte nur eine Viertelsekunde und erzeugte ein Plasma mit einer Temperatur von 80 Millionen Grad. Die damit begonnene Experimentierphase dauert bis Mitte März. Danach wird das Plasmagefäß geöffnet und umgerüstet, um höhere Heizleistungen, höhere Temperaturen und längere Entladungen bis zu zehn Sekunden zu ermöglichen. Stufenweise sind weitere Ausbauten geplant, bis in etwa vier Jahren Entladungen von einer halben Stunde Dauer erzeugt werden können und bei voller Heizleistung von 20 Megawatt überprüft werden kann, ob Wendelstein 7-X eine Alternative zum ITER bietet.

 

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