Mai 2014

140510

ENERGIE-CHRONIK


 

Wie aus der Schrottpresse: So sieht der Torus des "Stellarators" Wendelstein 7-X aus, in dem das Plasma von Magnetfeldern in der Schwebe gehalten wird. Die gequetschte Form ist das Ergebnis ausgefeilter Berechnungen zur Erzeugung eines besonders stabilen und wärmeisolierenden magnetischen Käfigs.

Schön symmetrisch: Beim konkurrierenden Prinzip des "Tokamak" ist die Bauweise einfacher. Ein großer Nachteil gegenüber dem "Stellarator" ist aber die Instabilität des Plasmas, die nur einen pulsierenden Betrieb ermöglicht. Das Foto zeigt den ASDEX Upgrade, den das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching betreibt.

 
Fotos (2): IPP

Fusionsreaktor Wendelstein 7-X wird jetzt getestet

Mit einem Festakt beging das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) am 20. April die vorläufige Fertigstellung des Fusionsreaktors Wendelstein 7-X , für den das Institut in Greifswald vor 14 Jahren ein eigenes Forschungsgebäude errichtet hat (000721). In der nun folgenden Phase werden alle technischen Systeme getestet: Das Vakuum in den Gefäßen, das Kühlsystem, die supraleitenden Spulen und das von ihnen erzeugte Magnetfeld. "Wenn alles gut funktioniert, können wir in ungefähr einem Jahr das erste Plasma erzeugen", kündigte Projektleiter Prof. Thomas Klinger an.

Die in Greifswald errichtete Anlage vom Typ "Stellarator" ist eine Weiterentwicklung des Vorgängers Wendelstein 7-AS, den das IPP von 1988 bis 2002 an seinem Stammsitz in Garching getestet hat. Parallel dazu verfolgt das Institut in Garching seit 1991 mit "ASDEX Upgrade" ein Forschungsprojekt zur Untersuchung des "Tokamak"-Prinzips. Beide Bauweisen konkurrieren miteinander. Sie unterscheiden sich durch die Magnetfeld-Technik, mit der das hundert Millionen Grad heiße Plasma, in dem die Kernfusion stattfindet, in der Schwebe gehalten wird. Bei Stellaratoren ist die Konstruktion des magnetischen Käfigs schwieriger. Im Unterschied zu den pulsweise arbeitenden Tokamaks sind sie aber für den Dauerbetrieb geeignet.

Mit Strom aus Kernfusion ist kaum vor 2050 zu rechnen

Zur Zeit hat der Tokamak die Nase vorn. Er wurde bereits für das Projekt "Joint European Torus" (JET) verwendet, das 1991 erstmals eine größere Energiemenge durch kontrollierte Kernfusion freisetzte (911109). Auf demselben Prinzip basiert auch der "International Thermonuclear Experimental Reactor" (ITER), der seit 2008 im südfranzösischen Cadarache gebaut wird und eine thermische Leistung von 500 MW erbringen soll (111218). Mit der Fertigstellung dieses Forschungsreaktors ist frühestens 2020 zu rechnen. Weitere drei Jahrzehnte dürfte es dauern, bis das im Anschluß geplante Demonstrationskraftwerk zur Erzeugung von Strom mit einer Leistung von 2000 bis 4000 MW ans Netz geht.

Das Projekt Wendelstein 7-X soll zeigen, daß das Stellarator-Prinzip nicht nur einen dauerhafteren Betrieb ermöglicht, sondern auch in punkto Plasmagleichgewicht und -einschluß einem Tokamak gleicher Größe nicht nachsteht. Falls sich diese Erwartung bestätigt, könnte deshalb das Demonstrationskraftwerk, das dem Forschungsreaktor ITER folgen soll, auch ein Stellarator sein.

Mit der Montage der Anlage war 2005 begonnen worden. Sie dauerte neun statt der ursprünglich vorgesehenen sechs Jahre, weil vor allem die Supraleitungstechnik und die anspruchsvolle Geometrie der Bauteile unerwartete Probleme aufwarfen. Die von Bund, Land und EU getragenen Investitionskosten beliefen sich auf 370 Millionen Euro.

Grüne kritisieren "unsinnige Verschwendung von Forschungsmitteln"

Politisch ist die Kernfusion weiterhin umstritten. "Mit dem 'Wendelstein 7-X' geht vor allem eine riesige Geldverbrennungsmaschine in den Vorbetrieb", erklärte am 20. Mai die atompolitische Sprecherin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl. Die Gesamtkosten der Stellarator-Forschung in Greifswald würden mittlerweile mehr als eine Milliarde Euro betragen und hätten sich damit mehr als verdoppelt. Die Ausgaben für die Fusionsprojekte in Greifswald und Cadarache seien eine unsinnige Verschwendung von Forschungsmitteln. Noch bevor im Jahr 2050 eventuell das erste Fusions-Demonstrationskraftwerk in Betrieb gehe, werde Deutschland seinen Energiebedarf zu nahezu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien decken müssen, und diese würden dann "unschlagbar billig sein".

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