April 2014

140410

ENERGIE-CHRONIK


MVV verkauft bundesweites Ökostrom-Geschäft

Der Mannheimer MVV-Konzern zieht sich aus dem Kreis der bundesweiten Ökostrom-Anbieter zurück. Wie er am 25. April mitteilte, verkauft er die Vertriebstochter Secura Energie GmbH an die Firma Lichtblick. Zur Begründung hieß es, man wolle sich "stärker auf neue Geschäftsmodelle konzentrieren". Zum Verkaufspreis und zur Anzahl der übernommenen Kunden machten MVV und Lichtblick in ihrer gemeinsamen Pressemiteilung keine Angaben. Auf Nachfrage nannte die MVV eine "mittlere fünfstellige Zahl" an Kunden.

Für Lichtblick ist es die dritte Übernahme eines kommunalen Konkurrenten

Der Ökostrom-Marktführer Lichtblick, der nach eigenen Angaben über mehr als 600.000 Strom- und Gaskunden verfügt, übernimmt damit zum dritten Mal einen kommunalen Konkurrenten. Im August vorigen Jahres hatte er von den Stadtwerken Nürnberg (N-Ergie) und Hannover (enercity) deren gemeinsame Vertriebstochter Clevergy gekauft, die bundesweit Stromlieferverträge mit und ohne grüne Schleifchen anbot. Die 2008 gestartete Marke Clevergy war von Anfang an nicht sonderlich attraktiv gewesen (080311). Zuletzt soll sie 22.000 Kunden gehabt haben.

Auch die Nordland Energie war indirekt eine MVV-Gründung

Ein Vierteljahr zuvor hatte sich Lichtblick die Nordland Energie GmbH einverleibt. Dieses Unternehmen war im Oktober 2008 von den Stadtwerken Kiel gegründet worden, die seit 2004 eine MVV-Tochter sind (040505). Etwas später kamen noch die Stadtwerke Lübeck und Eckernförde, der Zweckverband Ostholstein und die Gemeindewerke Stockelsdorf hinzu. Die Nordland Energie bot unter der Marke Drift "zertifizierten Strom aus österreichischer Wasserkraft" an, der billiger als die Grundversorgertarife war. Die beteiligen Stadtwerke wollten so "neue Kunden im Norden gewinnen und mit starken Partnern einen regionalen Gegenpol zu den internationalen Energiekonzernen bilden".

Stadtwerke konzentrieren sich wieder mehr auf angestammte Reviere

Inzwischen zeigen kommunale Versorger kaum noch sonderliches Interesse, sich bundesweit als Ökostrom-Anbieter zu betätigen. Das liegt nicht etwa am höchst fragwürdigen Umweltnutzen solcher Tarife (140302), sondern an dem Mißverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag. Es ist für Stadtwerke gerade in der Ökostromsparte naheliegender und sinnvoller, sich auf die Verteidigung und den Ausbau ihrer angestammten Reviere zu konzentrieren, als sich in einen aufwendigen bundesweiten Konkurrenzkampf zu stürzen. Gründungen wie Secura, Clevergy und Nordland waren bei weitem nicht so erfolgreich, wie die Beteiligten ursprünglich gehofft hatten. Auch beim MVV-Konzern lag der Schwerpunkt des Ökostrom-Geschäfts immer in den angestammten Vertriebsgebieten, wo laut Geschäftsbericht 2012 insgesamt 82.000 Haushalte – das waren 15 Prozent der Privatkunden – über den ähnlich gearteten "Futura"-Tarif beliefert wurden (081117). Der bundesweit angebotene Secura-Tarif spielte dagegen nur eine untergeordnete Rolle.

Die MVV-Tochter Secura kam nie auf einen grünen Zweig

Die Secura Energie GmbH wurde Anfang 2008 von der MVV gegründet, um der Abwerbung von Ökostrom-Kunden zu begegnen und selber in diesem Geschäftsbereich offensiv zu werden (080113). Kleinere Anteile übernahmen die Kölner Rheinenergie (25,1 Prozent), die Energieversorgung Offenbach (15 Prozent) und die Stadtwerke Ingolstadt (5 Prozent). Bei der Rheinenergie handelte es sich um den neuen strategischen Partner der MMV (071009), bei der Energieversorgung Offenbach um ein Tochterunternehmen (000604) und bei den Stadtwerken Ingolstadt um eine 49,9-prozentige Beteiligung (011216).

Der von Secura angebotene Ökostrom basierte auf der üblichen Augenwischerei mit RECS-Zertifikaten und war mit einem "Rundum-Sorglos-Paket" kombiniert, das bei näherer Betrachtung auch nicht viel brachte (080113). Außerdem bot die MVV-Tochter "Naturgas" an. Dabei handelte es sich um normales Erdgas, von dem die Werbung behauptete, daß es über eine entsprechende Beteiligung an Klimaschutzprojekten "hundertprozentig klimaneutral" geworden sei.

Die Aquirierung von Kunden sollte über Internet, Haustürwerbung und andere Vertriebskanäle erfolgen. Sie gestaltete sich aber schwieriger als erwartet. In den ersten zwei Jahren blieb die Kundenzahl weit hinter den Planungen zurück. Mit einer massiven Werbekampagne gelang es aber schließlich, rund 80.000 Neukunden zu gewinnen. "Unsere Tochtergesellschaft hat sich in einem anspruchsvollen und wettbewerbsintensiven Umfeld sehr gut behauptet und konnte ihre Kundenbasis vor allem im Geschäftsjahr 2009/10 deutlich steigern", hieß es damals im Geschäftsbericht der MVV. Mit ihrem Strom- und Gasangebot habe sich die Secura inzwischen "unter den TOP 10 der bundesweiten Energieanbieter" plazieren können.

Der Jubel war indessen verfrüht. Dies belegt eine Beschlußvorlage der Offenbacher Stadtverordnetenversammlung, die im September 2011 dem Ausscheiden der Energieversorgung Offenbach aus dem Kreis der Secura-Gesellschafter zustimmte. Demnach hatte man für die ersten drei Jahre mit Anlaufverlusten in Höhe von insgesamt rund sechs Millionen Euro gerechnet. Im vierten Jahr sollte die Gewinnzone erreicht werden. Tatsächlich entstand aber anstelle des erwarteten Gewinns ein Verlust, der mit über sechs Millionen Euro vor Steuern die Defizite der Vorjahre noch übertraf und alle ursprünglichen Kalkulationen über den Haufen warf.

Wie aus dem Offenbacher Ratspapier weiter hervorgeht, fehlte dem kurzfristigen Erfolg bei der Kundenwerbung eine solide Grundlage. Gerade das schnellere Wachstum überforderte die Secura. Es zeigten sich nun schwerwiegende Mängel in jenen Geschäftsbereichen, die "Dienstleistern" übertragen worden waren: Bei vielen der geworbenen Kunden kam es erst gar nicht zu gültigen Lieferverträgen. Endabrechnungen wurden verspätet erstellt, Anfragen und Beschwerden von Kunden nicht beantwortet, Preisänderungen wegen EDV-Problemen nicht rechtzeitig umgesetzt.

Um die aufgetretenen Probleme zu lösen, entwickelte die Secura ein "Stabilisierungs- und Migrationsprojekt", das weitere 1,5 Millionen Euro kosten sollte. Zugleich bot die MVV den enttäuschten Mitgesellschaftern an, ihre Anteile zum 30. September 2011 zu übernehmen. Als bescheidene Abfindung erhielten sie jene Summe, die ihnen anteilsmäßig für das Sanierungsprojekt abverlangt worden wäre. Bei der Energieversorgung Offenbach waren das 225.000 Euro.

Aber auch nach dem Ausscheiden der drei Mitgesellschafter kam die Ökostromtochter der MVV auf keinen grünen Zweig. Laut "Mannheimer Morgen" (26.4.) hat sie bereits vor zwei Jahren den Vertrieb mehr oder weniger eingestellt. Secura sei seitdem nur noch ein "reines Online-Produkt" gewesen.

EnBW wird zweitgrößter Aktionär der MVV, hat aber weiterhin keinen Sitz im Aufsichtsrat

Wie die MVV am 25. April mitteilte, hat die Energie Baden-Württemberg (EnBW) das Aktienpaket von 7,43 Prozent, das in ihrem Auftrag von der Barclays Bank gehalten wurde (120308), nun offiziell übernommen. Die direkte Beteiligung der EnBW an der MVV erhöht sich dadurch von 15,1 auf 22,48 Prozent. Sie wird damit nach der Stadt Mannheim (51,1 Prozent) zum größten Aktionär des börsennotierten Unternehmens, gefolgt von Rheinenergie (16,3 Prozent) und GDF Suez (6,3 Prozent).

"Für die unternehmerische Ausrichtung und das operative Geschäft der MVV Energie hat diese Änderung keine Auswirkung", betonte der Mannheimer Kommunalkonzern. Es handele sich um eine reine Finanzbeteiligung ohne unternehmerischen Einfluß. Die EnBW verfüge weiterhin über keinen Sitz im Aufsichtsrat der MVV Energie. Die Stadt Mannheim habe auch schon wiederholt bekräftigt, daß sie ihre Mehrheitsbeteiligung nicht aufzugeben gedenke.

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