Juli 2012

120702

ENERGIE-CHRONIK


Stromkunden sollen für fehlende Netzanbindung von Offshore-Anlagen haften

Die Bundesregierung will die Stromverbraucher zusätzlich zur EEG-Umlage mit den Kosten einer Entschädigung belasten, die künftig die Betreiber von Offshore-Windparks erhalten, wenn ihre betriebsbereiten Anlagen nichts ins Netz einspeisen können, weil die Anbindung ans Stromtransportnetz noch nicht fertiggestellt oder längere Zeit unterbrochen ist. Das sieht eine gesetzliche Regelung vor, auf die sich die Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt verständigt haben und deren Eckpunkte am 2. Juli vorgelegt wurden.

Die beiden Minister Philipp Rösler (FDP) und Peter Altmaier (CDU) wollen auf diese Weise die Verzögerungen beim Anschluß von Windparks in der Nordsee (120205) beseitigen und den bislang minimalen Anteil der Offshore-Erzeugung am Windstrom (120206) erhöhen. Auf Betreiben Röslers hatten beide Ministerien – das Umweltministerium damals noch unter Norbert Röttgen – im Januar dieses Jahres eine "Arbeitsgruppe Beschleunigung" gebildet. Die Leitung der Arbeitsgruppe übernahm die Stiftung Offshore-Energie, die das Testfeld "alpha ventus" betreibt (100413). Außerdem beteiligten sich die Bundesnetzagentur, das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie, Netzbetreiber, Betreiber von Offshore-Windparks, Zulieferindustrie und Versicherungsbranche.

Verbindliche Termine für den Netzanschluß der Windparks werden mit Anspruch auf Schadenersatz kombiniert


Als einziger kommerziell betriebener Windpark in der Nordsee verfügt bisher "Bard 1" über eine Netzanbindung. Im Hintergrund sieht man hinter einer Reihe von 5-MW-Anlagen die Konverterplattform "BorWin alpha", von der aus ein 200 Kilometer langes HGÜ-Kabel zur Konverterstation Diele im Emsland führt.
Foto: Bard-Gruppe

Das nun von der Arbeitsgruppe vorgelegte Konzept sieht vor, den Anschluß von Offshore-Windparks künftig nicht mehr der in § 17 Abs. 2a des Energiewirtschaftsgesetzes festgelegten Anschlußverpflichtung des zuständigen Übertragungsnetzbetreibers zu überlassen, sondern in einem "Offshore-Netzentwicklungsplan" zeitlich festzulegen. Wenn der Anschluß nicht rechtzeitig fertig wird oder später durch längere Defekte oder Wartungsarbeiten nicht zur Verfügung steht, haben die Windparkbetreiber Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 90 Prozent der entgangenen Einspeisungsvergütung. Diese Entschädigung wird wie die EEG-Einspeisungsvergütung zunächst vom Netzbetreiber gezahlt und dann auf die Stromverbraucher abgewälzt. Sie soll jedoch nicht in die EEG-Umlage eingehen, bei der ohnehin mit einem weiteren starken Anstieg zu rechnen ist (120701), sondern separat auf der Stromrechnung erscheinen. Der Referentenentwurf mit den Details der geplanten Regelungen soll noch im Sommer vorgelegt werden, damit die Gesetzesänderungen in kürzester Zeit in Kraft treten.

RWE macht allein für "Nordsee Ost" einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe geltend

Für Offshore-Windparks, die derzeit bereits von erheblichen Verzögerungen der Netzanbindung betroffen sind, ist eine Übergangsregelung geplant. Sie soll sicherstellen, daß sie ab dem Zeitpunkt der unbedingten Netzanbindungszusage ebenfalls Schadensersatz erhalten. Dazu gehört beispielsweise der Windpark "Nordsee Ost", den RWE Innogy nordwestlich von Helgoland errichtet (100107). Ende Juni hat RWE in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Rösler von 15 Monaten Verzögerung und einem dadurch drohenden Schaden in dreistelliger Millionenhöhe gesprochen. Der Windpark verfügt über eine installierte Leistung von 295 Megawatt. Die Investitionsentscheidung für das dreimal so große Projekt "Nordsee 1" nördlich der Insel Juist mit fast tausend Megawatt (081216) hat RWE im Juli verschoben, bis die neue Haftungsregelung in Kraft getreten ist und eine verläßlichere Kalkulationsgrundlage bietet.

Die Eckpunkte der geplanten Haftungsregelung

In der gemeinsamen Pressemitteilung der beiden Ministerien vom 2. Juli werden die wichtigsten Punkte der geplanten Haftungsregelung folgendermaßen beschrieben:

Links (intern)