Juli 2012

Hintergrund

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Trotz der zunehmenden Anzahl "privilegierter Letztverbraucher" entwickelte sich die EEG-Abrechnung bis 2009 – als sie zum letzten Mal nach der alten Methode erfolgte – einigermaßen proportional zu Strommengen und Vergütungen. Sie stieg sogar deutlich weniger als die Vergütungen. Die Grafik läßt nebenbei erkennen, daß seit 2008 die Vergütungen schneller zunehmen als die Einspeisungen. Dies dürfte hauptsächlich auf den starken Zubau an Solaranlagen zurückzuführen sein, deren Einspeisung im Vergleich zur Höhe der Förderung gering ist. Der schlagartige Anstieg der EEG-Umlage ab 2010 läßt sich damit aber nicht erklären. Er fällt sicher nicht zufällig mit der Anwendung der neuen Ausgleichsregelung zusammen (siehe auch Tabelle).

Die EEG-Umlage – eine reale Belastung, die nicht reell zustande kommt

Hier zunächst eine Übersicht:

 

Die EEG-Umlage heißt so, weil damit die Kosten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) auf den Strompreis für Endverbraucher umgelegt werden. Vor zwölf Jahren, als das erste EEG in Kraft trat, waren das 1,18 Milliarden Euro, die den Strompreis um gerade mal 0,2 Cent pro Kilowattstunde verteuerten. Im laufenden Jahr sind es bereits 31,72 Milliarden Euro, und die daraus resultierende Belastung des Letztverbrauchers ist auf 3,59 Cent pro Kilowattstunde gestiegen. Das ist 18-mal soviel wie am Anfang. Für das kommende Jahr wird mit einem weiteren Anstieg auf etwa 5 Cent pro Kilowattstunde gerechnet. Das wäre 25-mal soviel wie die Anfangsbelastung.

Die EEG-Umlage ist also regelrecht explodiert. Vor allem 2010 machte sie einen gewaltigen Sprung von zuletzt 1,20 auf 2,05 Cent pro Kilowattstunde (100407). 2011 folgte eine weitere Erhöhung auf 3,53 Ct/kWh (101001). Das war eine Verdreifachung binnen zwei Jahren. Dagegen fiel 2012 der Anstieg mit 3,592 Ct/kWh vergleichsweise bescheiden aus (111005). Das war aber kein Grund zur Entwarnung. Es war eher eine Reaktion auf die allgemeine Empörung über den Anstieg der EEG-Belastung und der Versuch, das Rechenergebnis für das Jahr 2012 möglichst klein zu halten.

Die EEG-Umlage ist nämlich nur ein prognostischer Wert, den die Übertragungsnetzbetreiber bis zum 15. Oktober des vorhergehenden Kalenderjahres zu errechnen und bekanntzugeben haben. So bestimmt es die im Mai 2009 erlassene "Ausgleichsmechanismusverordnung" in § 3. Man weiß also bei der Festsetzung der EEG-Umlage gar nicht genau, wie hoch die tatsächlichen Kosten sein werden. Exaktere Zahlen liegen erst in der Rückschau vor, wenn das Kalenderjahr vorbei ist. Die aufgetretenen Prognosefehler werden dann bei der Festsetzung der EEG-Umlage für das folgende Kalenderjahr berücksichtigt: Falls die EEG-Umlage zu gering war, geht eine entsprechende Nachzahlung in die neue Prognose ein. Im gegenteiligen Fall gäbe es eine Gutschrift.

Seit Februar 2010 gibt es außerdem eine Ausführungsverordnung (AusglMechAV) zu der erwähnten Ausgleichsmechanismusverordnung (AusglMechV). Unter anderem verpflichtet sie die Netzbetreiber, jeweils bis zum 15. November eines Kalenderjahres die "realistische Bandbreite der EEG-Umlage des übernächsten Jahres" zu prognostizieren und zu veröffentlichten. Die erste Prognose dieser Art wurde im November 2011 abgegeben. Demnach würde sich die EEG-Umlage für das Jahr 2013 zwischen 3,66 und 4,74 Cent pro Kilowattstunde bewegen (111110). Inzwischen sieht es aber so aus, als könnte nicht einmal der obere Grenzwert eingehalten werden, der einem Anstieg um 32 Prozent entspräche. Bereits im April berichtete das normalerweise gut informierte "Handelsblatt", daß die EEG-Umlage sogar auf 5,2 Cent/kWh steigen könnte. Näheres wird man bis zum 15. Oktober erfahren, wenn die Netzbetreiber ihre definitive Prognose für die EEG-Umlage des Jahre 2013 abgeben müssen und diese damit verbindlich wird.

Solarstrom-Vergütungen müssen als Sündenbock herhalten, sind aber nicht der Hauptgrund

Woher rührt aber diese Explosion der EEG-Umlage? – Politik und Medien erwecken bisher den Anschein, als ob sie allein eine Folge der immer höheren Vergütungen sei, die gemäß EEG für die Netzeinspeisung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu zahlen sind. Vor allem die Vergütungen für Solarstrom sollen schuld sein. Tatsächlich basiert die EEG-Umlage für 2012 auf einem voraussichtlichen Anstieg der Vergütungen um 22 Prozent, während bei der EEG-Einspeisung mit nur knapp acht Prozent mehr gerechnet wird; und dieses Mißverhältnis ist hauptsächlich auf die Photovoltaik zurückzuführen, die inzwischen gut die Hälfte der Vergütungen beansprucht, obwohl sie nur ein Viertel der EEG-Stromerzeugung stellt. Es war deshalb durchaus geboten, bei der Solarförderung endlich drastische Abstriche vorzunehmen (siehe Hintergrund).

Diese Erklärung ist aber nur die halbe Wahrheit. Daß die EEG-Umlage so stark anstieg und voraussichtlich weiter steigen wird, hat noch etliche andere Gründe. Vor allem muß berücksichtigt werden, daß seit 2010 ein völlig verändertes Verfahren zur Umlage der EEG-Kosten auf die Stromverbraucher praktiziert wird. Angeblich sollte es die Kosten senken. Tatsächlich ist die EEG-Umlage aber noch nie so stark gestiegen wie seit 2010, als das alte Verfahren zur Umverteilung der Kosten für die EEG-Förderung erstmals durch den neuen "Ausgleichsmechanismus" ersetzt wurde (siehe Grafik 1).

Man braucht sich nicht in das komplizierte Berechnungsverfahren zu vertiefen, um zu erkennen, daß das neue Verfahren die Stromverbraucher erheblich mehr Geld kostet als das alte. Es genügt, wenn man die Entwicklung der drei wichtigsten Parameter der EEG-Förderung über die Jahre hinweg vergleicht: Die eingespeisten EEG-Strommengen, die dafür gezahlten Vergütungen und die jeweils auf die Kilowattstunde entfallende EEG-Umlage. Es ergeben sich dann folgende Werte, die auch der Grafik 1 zugrundeliegen:

  EEG-Strommenge in GWh Anstieg gegenüber 2000 in % EEG-Vergütungen in Mio. Euro Anstieg gegenüber 2000 in % EEG-Umlage in Cent pro Kilowattstunde Anstieg gegenüber 2000 in %
2000* 10391 0 1177,3 0 0,20 0
2001 18145 74,62 1576,6 33,92 0,23 15,00
2002 24970 140,30 2226,2 89,09 0,35 75,00
2003 28471 174,00 2608,4 121,56 0,42 111,00
2004 38511 270,62 3577,5 203,87 0,51 155,50
2005 44004 323,48 4398,1 273,58 0,69 244,50
2006 51553 396,13 5606,3 376,20 0,88 340,50
2007 67010 544,88 7593,3 544,98 1,03 414,50
2008 71711 590,13 8786,7 646,34 1,16 479,50
2009 74942 621,22 10450,6 787,68 1,20 500,00
2010 80699 676,62 12789,6 986,35 2,05 923,50
2011** 110327 961,76 16721,2 1320,30 3,53 1665,00
2012** 113519 992,47 17607,8 1395,61 3,59 1696,00

*  Rumpfjahr; bis März 2000 galt das "Stromeinspeisungsgesetz"
** laut Prognosen der ÜNB; die anderen Werte basieren auf den inzwischen vorliegenden
  Jahresabrechnungen der ÜNB

 

Immer mehr "privilegierte Letztverbraucher" wurden von der EEG-Umlage weitgehend befreit

Diese Zahlen zeigen, daß die EEG-Umlage eine reale Belastung der Strompreise darstellt, aber insoweit nicht reell zustande kommt, als sie längst nicht mehr nur die Kosten der Einspeisungsvergütungen widerspiegelt. Reell im Sinne von ehrlich und transparent war sie eigentlich nur die ersten drei Jahre, als die Kosten der EEG-Förderung tatsächlich gleichmäßig auf alle Letztverbraucher umgelegt wurden. Zuletzt ergab das einen Aufschlag von 0,35 Cent pro Kilowattstunde Stromverbrauch.

Schon 2003 kam es dann aber zur Unterscheidung zwischen "privilegierten Letztverbrauchern" und "nicht privilegierten Letztverbrauchern". Die damalige rot-grüne Bundesregierung gab nämlich dem Drängen der Aluminiumindustrie und anderen Großverbrauchern nach, die sich über die Belastung durch die EEG-Umlage beschwert hatten und ihre Wettbewerbsfähigkeit bedroht sahen (030304). Im Juni 2003 fügte der Bundestag deshalb dem EEG – das damals mit 12 Paragraphen noch sehr übersichtlich war – einen neuen § 11 a ein, der die EEG-Umlage für Betriebe mit einem Jahresverbrauch von mehr als 100 Gigawattstunden (GWh) auf 0,05 Cent pro Kilowattstunde begrenzte (030603).

Diese "Härteklausel" für besonders stromintensive Betriebe war zunächst bis 1. Juli 2004 befristet. Das neue EEG, das am 1. August 2004 in Kraft trat, übernahm die Regelung dann aber dauerhaft. Zugleich wurde auf Drängen der Industrie die Schwelle von 100 auf 10 GWh abgesenkt, sofern das Verhältnis der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung des Unternehmens 15 Prozent überschritt. Allerdings begrenzte man in § 16 Abs. 5 den dadurch entstehenden Kostenanstieg für die übrigen Letztverbraucher: Er durfte höchstens zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr betragen.

Schon kurz darauf zeichnete sich ab, daß dieser Deckel bald erreicht und durchstoßen werden würde. Die Großverbraucher hätten dann anstelle der 0,05 Cent/kWh eine entsprechend höhere EEG-Umlage zahlen müssen. Die Lobby sah bereits eine Verdoppelung auf 0,10 Cent/kWh voraus und verlangte die Beseitigung der Klausel (050108). Das Parlament kam diesem Wunsch prompt nach (061003). Im Jahr 2007 durften sich deshalb 330 Firmen des produzierenden Gewerbes und 42 Bahnunternehmen über eine zusätzliche Entlastung um 365 Millionen Euro freuen (070109).

Mit dieser Summe wurden freilich zugleich die "nicht privilegierten Letztverbraucher" ein weiteres Mal zusätzlich belastet. Zu diesen gehörten auch jene Unternehmen, deren Stromverbrauch unterhalb der Schwelle von 10 GWh lag, und die nun ebenfalls den Minimalsatz verlangten (101005). Sie monierten völlig zu Recht, daß die Grenze willkürlich gezogen worden war und die Erleichterungen jenseits von 10 GWh eine zusätzliche Belastung unterhalb dieser Schwelle bedeuteten.

Außerdem gab es seit 2003 im EEG das "Grünstromprivileg", das Stromlieferanten komplett von der EEG-Umlage befreite, wenn mindestens die Hälfte ihres Stromabsatzes aus erneuerbaren Energien stammte (erst 2012 wurde die Befreiung auf maximal 2 Cent/kWh verringert). Die Kunden dieser Unternehmen schieden damit ebenfalls aus dem Kreis der "nicht privilegierten Letztverbraucher" aus.

Insgesamt wurde so 2012 für etwa ein Fünftel des Letztverbrauchs von 477554 Gigawattstunden nur die minimale EEG-Umlage von 0,05 Cent pro Kilowattstunde gezahlt, während der Rest mit dem 72fachen dieses Satzes (3,592 Cent/kWh) belegt wurde:

 

Seit 2003 wurden immer mehr "privilegierte Letztverbraucher" von der EEG-Umlage weitgehend befreit, während die verbleibenden "nicht privilegierten Letztverbraucher" eine umso höhere Belastung zu tragen hatten. Die hier für 2012 genannte Zahl berücksichtigt noch nicht die starke Erweiterung des Kreises der "privilegierten Letztverbraucher" , die 2012 durch das neue EEG erfolgte.

 

Die obenstehende Grafik widerspiegelt indessen nicht den aktuellen Stand der Dinge, weil die für 2012 genannte Zahl der "privilegierten Letztverbraucher" auf dem Vorjahr basiert. Das seit 2012 geltende EEG hat den Kreis der Privilegierten nochmals erheblich erweitert. Die Minimierung der EEG-Umlage erfolgt nun gemäß § 41 Abs. 3 EEG in mehreren Stufen: Ab einem Verbrauch von 1 GWh sinkt sie auf 10 Prozent des Normalsatzes, ab 10 GWh auf 1 Prozent und ab 100 GWh auf 0,05 Cent/kWh. Die Stromkosten müssen aber mindestens 14 Prozent der Bruttowertschöpfung erreichen. Besonders stromintensive Betriebe können außerdem den fixen Satz von 0,05 Cent/kWh auch für den Verbrauch unter 100 GWh beanspruchen, wenn die Stromkosten mehr als zwanzig Prozent der Bruttowertschöpfung ausmachen. Die für 2012 erhobene EEG-Umlage von 3,592 Cent/kWh belastet die Unternehmen also nur mit 0,36 Cent/kWh (ab 1 GWh), 0,036 Cent/kWh (ab 10 GWh) und 0,05 Cent/kWh (ab 100 GWh).

Damit erhöht sich die Zahl der Unternehmen, die weitgehend von der EEG-Umlage befreit sind, von 592 auf 1523. Die Mehrbelastung, die von den "nicht privilegierten Letztverbrauchern" zu tragen ist, steigt von rund 2,2 auf über drei Milliarden Euro.

Neuer "Ausgleichsmechanismus" beseitigte die Absatzgarantie für EEG-Strom

Mit der weitgehenden Befreiung eines großen Teils des Letztverbrauchs von der EEG-Umlage hatten sich die Politiker auf einen abschüssigen Weg begeben, der die Lasten der EEG-Förderung immer einseitiger verteilte und vor allem auf die Kleinverbraucher ablud. Ebenfalls tiefgreifend deformiert wurde die ursprüngliche Systematik der EEG-Förderung durch den 2010 eingeführten neuen "Ausgleichsmechanismus". Es handelte sich hier nicht nur einfach um eine "Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus", wie die Verordnung irreführenderweise benannt wurde, sondern um eine Abkehr von der bisherigen Ausgleichsregelung. Bisher wurde der EEG-Strom nämlich physisch an die Stromversorger weitergeleitet, die ihn nach Maßgabe der jeweils geltenden EEG-Umlage so vergüten mußten, daß die von den Netzbetreibern gezahlten Einspeisungsvergütungen abgedeckt waren. Nun wurden die vier Übertragungsnetzbetreiber verpflichtet, den eingespeisten EEG-Strom, den sie von den Verteilnetzbetreibern ihrer jeweiligen Regelzone bekamen, an der Strombörse EEX zu verkaufen. Die Differenz zwischen Verkaufserlösen und tatsächlichen Kosten ging in die neue EEG-Umlage ein, die wiederum von den Stromlieferanten zu zahlen war.

Das war insofern eine absonderliche Konstruktion, als die Stromlieferanten nun gar keine reale Gegenleistung in Form einer Stromlieferung mehr erhielten, denn der EEG-Strom wurde ja an der Börse verkauft. In der Praxis brauchte sie die Fortdauer der Zahlungsverpflichtung allerdings nicht zu kümmern, denn wie schon bisher durften sie die EEG-Umlage über den Strompreis auf die Letztverbraucher weiterwälzen.

Stromwirtschaft wollte ihren Verwaltungsaufwand verringern und sich neue Geschäftsbereiche erschließen

Diese Umstellung des Ausgleichsverfahrens war sogar vor allem von den Stromlieferanten und Netzbetreibern gewünscht worden. Sie klagten schon lange über den Aufwand, der ihnen durch die alte "bundesweite Ausgleichsregelung" gemäß den §§ 34 - 44 des EEG entstand. Die unregelmäßig anfallenden EEG-Einspeisungen mußten nämlich in eine fiktive "Bandlieferung" umgewandelt und physisch an die Stromversorger weitergeleitet werden. Diese waren verpflichtet, den EEG-Strom anteilig abzunehmen und zu vergüten. Wie groß der Pflichtanteil EEG-Strom am gesamten Stromabsatz eines Unternehmens war, wurde durch die "EEG-Quote" vorgegeben. Die Höhe der Vergütung richtete sich nach den Einspeisungsvergütungen, die die Netzbetreibern den Einspeisern zahlen mußten, abzüglich der "vermiedenen Netzkosten". Die Kosten der EEG-Förderung wurden so mit den Einspeisungsvergütungen abgegolten. Zugleich war der Absatz der gesamten EEG-Erzeugung garantiert. Allerdings entstand vor allem für kleine und mittlere Stromlieferanten ein zusätzlicher Aufwand, weil sie den auf sie entfallenden Anteil der EEG-Strommenge in einem komplizierten Verfahren ermitteln und vergüten mußten.

Die Stromvertriebe waren noch aus einem anderen Grund an der Abschaffung der bisherige Absatz- und Preisgarantie für EEG-Strom interessiert: Diese verwehrte ihnen nämlich den Zugriff auf einen immer größer werden Anteil der Stromerzeugung. Zum Beispiel lag die EEG-Quote im Jahr 2000 erst bei 3 Prozent. Schon 2005 betrug sie aber gut 10 Prozent, und 2008 stieg sie auf über 17 Prozent. Das bedeutete, daß 17 Prozent des Stromabsatzes an die Letztverbraucher außerhalb des liberalisierten Strommarktes bereitgestellt wurden und somit dem Profitinteresse der Vertriebe entzogen waren. Neben dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) störte das vor allem den Bundesverband Neuer Energieanbieter (BNE), der seit 2002 die Interessen der "neuen" Stromanbieter vertrat, die über kein angestammtes Netz verfügten (021013). Beide Lobby-Verbände setzten sich vehement für eine "Reform" des Ausgleichmechanismus ein, die den zusätzlichen Verwaltungsaufwand beseitigen und zugleich die profitable Vermarktung des EEG-Stroms ermöglichen würde.

Widerspruch wäre vielleicht von solchen Branchen zu erwarten gewesen, für die das EEG die Existenzgrundlage bildet. Schließlich wurde hier die Axt an das bisherige System der EEG-Förderung gelegt, wobei ein juristisch fragwürdiges Konstrukt entstand, das auch finanzielle Risiken enthielt und damit die Akzeptanz der EEG-Förderung insgesamt gefährden konnte. Die Betreiber von Windkraftanlagen und Solarparks erkannten aber offenbar die Tragweite der hier vorgenommenen Änderungen nicht. Sie hätten sicher aufgeschrien, wenn es um eine Kürzung ihrer Einspeisungsvergütungen oder die Beseitigung des Einspeisungsvorrangs für EEG-Strom gegangen wäre. So ließen sie sich aber davon überzeugen, daß die geplante Veränderung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus ihre Einnahmen und Privilegien nicht antasten werde. Sie hielt deshalb still und unterstützte das Vorhaben sogar.

"Marktgerechte" Umgestaltung des EEG privatisiert Profite und sozialisiert Verluste

Die Politiker scheinen sich dagegen von der Umstellung des Ausgleichsverfahrens einen erweiterten finanziellen Spielraum erhofft zu haben, um die Befreiung der Großverbraucher von der EEG-Umlage ohne übermäßige Belastung der Kleinverbraucher weiterführen und ausbauen zu können. Vor allem wollten sie mit dem neuen "Ausgleichsmechanismus" grundsätzlich die Vermarktung des EEG-Stroms ermöglichen und fördern. Die seit 2012 geltende Neufassung des EEG enthält deshalb auf Basis der neuen Ausgleichsregelung einen eigenständigen Gesetzesteil, der in neun Paragraphen die "Direktvermarktung" regelt. Neben dem bereits bestehenden "Grünstromprivileg" wurde eine "Marktprämie" eingeführt. Sie soll die Betreiber von EEG-Anlagen stimulieren, den eingespeisten Strom selber zu verkaufen, anstatt dies den Übertragungsnetzbetreibern zu überlassen. Dabei auftretende Verluste fließen in die EEG-Umlage ein, so wie beim Verkauf des EEG-Stroms an der Börse. Neben dieser "Marktprämie" bekommen die Anlagenbetreiber eine "Managementprämie", die ebenfalls in die EEG-Umlage eingeht.

Insgesamt soll so die EEG-Förderung in den liberalisierten Strommarkt integriert und "marktgerechter" gestaltet werden. Wie schon bei der Zerschlagung der integrierten Stromversorgung läuft das Ganze aber auf die Verteuerung einer bereits kostspieligen Veranstaltung hinaus. "Marktgerechter" gestaltet werden lediglich Profitmöglichkeiten, die es vorher nicht gab. Beibehalten wird aber die Zwangsumlage der entstehenden Kosten auf den Strompreis. Die sogenannte Reform des EEG-Ausgleichsmechanismus entpuppt sich damit als ein typisch neoliberales Modell, das auf die Privatisierung von Profiten und die Sozialisierung von Verlusten hinausläuft.

Juristisch fragwürdig: Gesetzesänderung erfolgte per Verordnungsermächtigung

Lobbyisten und Politiker waren wohl selber nicht so recht überzeugt davon, daß die Neuregelung des "Ausgleichsmechanismus" nur Vorteile bringen werde, denn sie wurde von der Großen Koalition aus Union und SPD zunächst klammheimlich in das 2008 neugefaßte EEG eingeführt. Bei oberflächlicher Betrachtung des Gesetzes galt weiterhin der alte Ausgleichsmechanismus, wie er in den §§ 34 - 44 verankert war. Bei genauerem Hinsehen war diese Regelung aber bereits durch einen scheinbar harmlosen Passus in § 64 Abs. 3 abgeschafft, der die Bundesregierung ermächtigte, den bisherigen Ausgleichsmechanismus durch Erlaß einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestags grundlegend zu verändern. Die Eckpunkte der geplanten Änderungen wurden exakt beschrieben. Formal genügte die Verordnungsermächtigung damit den Anforderungen von Artikel 80 des Grundgesetzes. Inhaltlich verstieß sie aber eigentlich gegen die Verfassung. Zumindest handelte es sich juristisch um ein höchst unsauberes Verfahren, denn der Sinn von Rechtsverordnungen besteht darin, bestehende Gesetze auszuführen und zu präzisieren. Hier wurde aber der Gesetzestext selber geändert und demontiert, wobei man lediglich vorschützte, es handele sich um eine "Weiterentwicklung". Eine nachholende Novellierung des EEG erfolgte erst im Sommer 2011 (110603).

Fünf Monate nach Inkrafttreten des neuen EEG machte die Große Koalition dann von dieser Ermächtigung Gebrauch, indem sie im Mai 2009 die "Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus des EEG" vorlegte (090507). Am 2. Juli 2009 stimmte auch der Bundestag dem Verordnungsentwurf zu. Eine Diskussion fand nicht statt. Die Beschlußempfehlung des Umweltausschusses wurde vom Parlament im Schnellverfahren abgenickt. Außer den Regierungsparteien stimmte die oppositionelle FDP zu, die sich bereits im März 2009 in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung für die "Novelllierung des EEG-Wälzungsmechanismus" zwecks neoliberaler Umgestaltung des EEG eingesetzt hatte.

Alle Parteien sahen nur Vorteile oder übten nur unwesentliche Kritik

Grüne und Linke enthielten sich zwar bei der Abstimmung, hatten aber im Ausschuß nur unwesentliche Kritik an der Neuregelung vorgebracht. So kritisierte die Linke die vorgesehene Vermarktung des EEG-Stroms über die Börse, weil die EEX noch immer unter Manipulationsverdacht stehe. Etwas näher am Problem waren die Grünen, indem sie bezweifelten, "ob das Ziel einer Senkung der Umlagekosten mit den Gewinnen aus der EEG-Umlage verwirklicht werden könne". Aber auch sie sahen allenfalls eine unerhebliche Mehrbelastung auf die Verbraucher zukommen. Eigentlich störte sie nur, daß die Verbraucher dafür nicht eine entsprechend größere Menge an CO2-freiem Strom bekommen würden.

CDU und CSU rühmten dagegen im Ausschuß die Vorteile, die mit der Neuregelung verbunden seien: Der Ausgleichsmechanismus werde dadurch weiterentwickelt und vereinfacht. Der EEG-Strom werde "künftig finanziell und energiewirtschaftlich effizienter an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeleitet". Der bisherige Aufwand und die daraus resultierenden Kosten würden "minimiert". Außerdem werde der EEG-Strom nicht mehr "dem allgemeinen Strommarkt entzogen". Insgesamt werde das EEG-System durch die Neuregelung "deutlich effizienter, damit auch kostengünstiger für Netzbetreiber, Vertriebe sowie Verbraucherinnen und Verbraucher". Die SPD-Fraktion glaubte ebenfalls, daß sich die Änderungen "auch positiv für die Verbraucher auswirken würden".

Von Nachteilen, gar von solchen zu Lasten der Verbraucher, war nirgendwo die Rede. In der Beschlußempfehlung des Umweltausschusses hieß es lediglich: "Die Differenz zwischen dem Verkaufserlös und den an die Anlagenbetreibenden gezahlten Vergütungen wird als Umlage von den Stromvertriebsunternehmen getragen." Das mochte für unkundige Ohren so klingen, als ob eventuelle Defizite bei den Stromvertrieben hängen bleiben würden. Gemeint war allerdings, daß die Mehrkosten in die EEG-Umlage eingehen und mit dieser auf die Letztverbraucher abgewälzt würden. Insofern hätte zumindest jedes sachverständige Mitglied des Umweltausschusses wissen müssen, daß hier eine finanzielle Zeitbombe ins Portemonnaie des Verbrauchers gelegt wurde.

Beim Probelauf an der Börse mußten die Netzbetreiber den Strom verschenken und noch Millionen hinterherwerfen

Noch vor Inkrafttreten der neuen Regelung gab es Warnsignale, daß die Rechnung nicht aufgehen würde: Die Bundesnetzagentur hatte nämlich den Übertragungsnetzbetreibern erlaubt, den Verkauf des EEG-Stroms an der Börse schon vor der Anwendung des neuen Ausgleichsmechanismus zu praktizieren. Der dadurch verursachte Aufwand und die Mehrkosten wurden unter "Systemdienstleistungen" verbucht und gingen so in die Netzgelte ein. Das Ergebnis war verheerend: Die Übertragungsnetzbetreiber mußten den EEG-Strom – bei dem es sich vor allem um Windstrom handelte – weit unter dem normalen Börsenpreis verkaufen. Zeitweilig mußten sie ihn quasi verschenken oder sogar noch ein Draufgeld zahlen, damit sich irgendwo ein Abnehmer fand. Zum Beispiel mußten allein am 4. Oktober 2009 dem verschenkten Strom noch 14 Millionen Euro hinterhergeworfen werden (091201). Am 25. Dezember 2009 waren es sogar 22 Millionen Euro (100101). Diese Defizite gingen größtenteils zu Lasten der Übertragungsnetzbetreiber und damit weit über die Erhöhung der Erlösobergrenzen hinaus, die von der Bundesnetzagentur zur Abdeckung von Aufwand und Verlusten bewilligt worden war. Trotz des Lamentos der Netzbetreiber lehnte die Behörde aber eine zusätzliche Hilfestellung ab. Sie verwies darauf, daß diese Kosten ab 1. Januar 2010 ohnehin in die EEG-Umlage eingehen würden...

So steuerten Politik, Lobby und Bürokratie sehenden Auges auf die Explosion der EEG-Umlage zu. Was zunächst noch wie ein Schildbürgerstreich aussehen mochte, wurde zum vorsätzlichen Griff in die Taschen der Stromverbraucher. Die Summen sollten lediglich nicht zu groß werden. Die Durchführungsverordnung zur neuen Ausgleichsmechanismusverordnung, die die Bundesnetzagentur am 22. Februar 2010 erließ, enthielt deshalb ein paar Kautelen, damit die "Negativpreise" beim Verkauf von Windstrom nicht allzu tief in den Börsen-Keller stürzen konnten, denn sonst wären sie dort erst bei minus 3000 Euro pro Megawattstunde gestoppt worden (100201). Im übrigen gab sich die Bundesnetzagentur aber alle Mühe, die Neuregelung inklusive der im September 2008 eingeführten "Negativpreise" an der Börse weiterhin als sinnvoll erscheinen zu lassen.

EEG-Strom senkt die Börsenpreise – aber nur zum Nachteil des Verbrauchers

Zugleich wurde versucht, die Explosion der EEG-Umlage, die 2010 um 70 Prozent anstieg, allein als Folge der steigenden Einspeisungsvergütungen erscheinen zu lassen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sprach pauschaul von "Mehrkosten durch Ökostrom" (100407). Seine Mitglieder erweckten in Anschreiben an die Verbraucher den Anschein, als ob die verlangten Preiserhöhungen auf die Einspeisungsvergütungen für Solarstrom zurückzuführen seien (100507). Die Medien stießen ins selbe Horn. Selbst führenden Wirtschaftsblättern fehlte es am Durchblick oder an der Bereitschaft, jene Faktoren genauer unter die Lupe zu nehmen, die den plötzlichen Anstieg der EEG-Umlage verursacht hatten und sie in den folgenden Jahren noch höher treiben würden.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) versuchte sogar, die Verramschung des EEG-Stroms an der Börse als verbraucherfreundliche Senkung der Börsenstrompreise darzustellen: "Schon heute senken die Erneuerbaren Energien den Börsenstrompreis in einer Größenordnung von 3,6 bis 4 Milliarden Euro. Immer, wenn viel Wind weht oder die Sonne scheint, wird weniger Strom aus teuren fossilen Kraftwerken abgerufen. Der Preis an der Börse geht zurück, wovon große Stromverbraucher schon heute deutlich profitieren."

In der Tat senkt der massenhafte Verkauf von EEG-Strom die Preise an der Strombörse. Daran ist vor allem der Solarstrom beteiligt, weil dieser gerade zu Zeiten des hochpreisigen Spitzenbedarfs anfällt. Sein obligatorischer Verkauf über die Börse hat aber zur Folge, daß die dadurch sinkenden Preise am Spotmarkt auch die Erlöse aus dem Verkauf des Solarstroms mindern. Als Folge steigt das Vermarktungs-Defizit, das über die EEG-Umlage den Endverbrauchern in Rechnung gestellt wird. Zum Beispiel können die erhöhten Kosten des Solarstroms bei einem Börsenpreis von 66 Euro pro Megawattstunde zu 43 Prozent aus den Erlösen gedeckt werden, so daß nur 57 Prozent über die EEG-Umlage bezuschußt werden müssen. Fällt der Börsenpreis aber auf 51 Euro/MWh, schrumpft der Erlösanteil auf 34 Prozent, während die Belastung aus der EEG-Umlage auf 66 Prozent steigt (120204). Der Verbraucher hat also nur Nachteile, wenn der Börsenpreis durch die Verramschung von EEG-Strom sinkt.

Die Verkaufserlöse an der Börse wären sicher höher, wenn die gesamte EEG-Stromerzeugung auf diese Weise verhökert würde. Parallel zur neuen Ausgleichsregelung werden aber die Filetstücke der EEG-Stromerzeugung zunehmend der "Direktvermarktung" zugeführt. Solche Filetstücke sind etwa Wasserkraft, Grubengas oder Biomasse, mit denen sich kontinuierlich Strom erzeugen läßt. Was hauptsächlich übrig bleibt und von den Übertragungsnetzbetreibern an der Börse verramscht wird, ist die fluktuierende Erzeugung der Wind- und Solaranlagen, die wegen ihrer Unregelmäßigkeit bzw. schlechten Prognostizierbarkeit den geringsten Marktwert hat.

Staatsrechtler hält das EEG in seiner neuen Form für verfassungswidrig

Bereits die grundlegende Änderung des alten EEG durch eine bloße Verordnungsermächtigung zur Abschaffung der Absatzgarantie und Einführung des neuen "Ausgleichsmechanismus" war ein juristisch fragwürdiger Vorgang, der sich wohl nur so erklären läßt, daß die verantwortlichen Politiker und Beamten – wie es vor fünfzig Jahren einmal der damalige Bundesinnenminister Höcherl (CSU) formulierte – "nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen" können. Ein noch gravierenderer Verstoß gegen die Verfassung dürfte aber der neue Ausgleichsmechanismus selber sein, wie er schließlich durch das seit 2012 geltende neue EEG legalisiert wurde. Der Staatsrechtler Gerrit Manssen von der Universität Regensburg ist jedenfalls dieser Ansicht. In einem Gutachten für den Zentralverband Textil und Mode vertritt er die Auffassung, daß das EEG durch den neuen Ausgleichsmechanismus den Charakter einer "Sonderabgabe" bekommt, die am Bundeshaushalt vorbei fließt, im Juristendeutsch "haushaltsflüchtig" ist und damit die bundesstaatliche Finanzverfassung in Frage stellt. Zudem gefährde sie das Budget-Recht des Parlaments und beeinflusse Finanzausgleich, Stabilitätspolitik und Rechnungsprüfung. Wie beim "Kohlepfennig" zur Stützung der Verstromung deutscher Steinkohle, den das Bundesverfassungsgericht 1994 verbot (941201), handele es sich bei der Förderung der erneuerbaren Energien grundsätzlich um eine "Gemeinwohlaufgabe", die laut Finanzverfassung mit Steuermitteln zu finanzieren sei und nicht als "Sonderlast" allein den Stromverbrauchern aufgebürdet werden dürfe.

Da ist sicher etwas dran, obwohl dieses Auftragsgutachten natürlich in erster Linie durch Verbandsinteressen zustande kam und nicht durch die Besorgnis um die Einhaltung verfassungsrechtlicher Grundsätze. Das mittlerweile enorm aufgeblähte, nur noch für Spezialisten übersehbare EEG hat durch seine "marktgerechte" Modifizierung soviele Stellschrauben bekommen, daß ein direkter Zusammenhang zwischen den von den Stromverbrauchern geleisteten Zahlungen und der Förderung der erneuerbaren Energien gar nicht mehr vorhanden ist. Es ist zum Teil eher ein Instrument der allgemeinen Energiepolitik, der neoliberalen Umverteilung von arm zu reich, der Konjunktursteuerung oder der Förderung einzelner Branchen geworden. Aus dem Zusammenwirken sämtlicher Stellschrauben resultieren dann die EEG-Umlagen, die überproportional zum damit erzielten Effekt der Erneubaren-Förderung steigen.

Schon das Stromeinspeisungsgesetz wurde verdächtigt, ein neuer "Kohlepfennig" zu sein

Schon das Stromeinspeisungsgesetz wurde verdächtigt, eine unzulässige Sonderabgabe wie der "Kohlepfennig" zu sein. Das Bundesverfassungsgericht hatte die mit dem dritten Verstromungsgesetz von 1974 eingeführte "Ausgleichsabgabe" zur Stützung des deutschen Steinkohlebergbaues für unzulässig erklärt, weil die Stromverbraucher keine besondere Verantwortlichkeit für die Finanzierung der Kohleverstromung treffe. Weshalb sollte das nicht ebenso für die Finanzierung von Strom aus erneuerbaren Quellen gelten?

Der Kohlepfennig war allerdings ein bißchen anders konstruiert: Er wurde mit der Stromrechnung den Verbrauchern abverlangt und an das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft weitergeleitet. Das Stromeinspeisungsgesetz verpflichtete dagegen die Stromversorger zur Abnahme und Vergütung des in ihrem Gebiet erzeugten Regenerativ-Stroms. Eine direkte Weitergabe der dadurch entstehenden Kosten an die Tarifkunden war nicht möglich, da die Tarife behördlich genehmigt werden mußten. Das änderte sich erst mit dem nachfolgenden Erneuerbare-Energien Gesetz, das die Einspeisungsvergütungen von den Erlösen der Stromversorger abkoppelte, kräftig erhöhte, in fixe Sätze umwandelte und direkt auf die Verbraucher abwälzte (siehe Hintergrund).

Die damals noch integrierten Stromversorger begrüßten das Kohlepfennig-Urteil. Sie glaubten, gleich doppelt Honig daraus saugen zu können, wenn sie das soeben in Kraft getretene Stromeinspeisungsgesetz auf denselben Weg schicken würden. Um einen Musterprozeß bis hin zum Bundesverfassungsgericht zu erreichen, kürzten etliche große Unternehmen 1995 jeweils einem Einspeiser von Strom aus erneuerbaren Energien die gesetzlich vorgesehenen Vergütungen (950501). Zu der angestrebten Überprüfung des Stromeinspeisungsgesetzes kam es indessen nicht. Das Landgericht Karlsruhe war zwar im September 1995 der Meinung, das Gesetz sei analog zum "Kohlepfennig" eine unzulässige Sonderabgabe (950901). Das Bundesverfassungsgericht wies jedoch im Januar 1996 einen entsprechenden Vorlagenbeschluß aus formalen Gründen zurück (960101). Die Karlsruher Richter ließen dabei erkennen, daß ihnen die juristische Analogie zum "Kohlepfennig" nicht behagte. Daraufhin verurteilte das Landgericht Karlsruhe das Badenwerk zur Nachzahlung der vorenthaltenen Vergütungen plus Zinsen (960507). Der Streit ging nun über den Instanzenweg weiter ans Oberlandesgericht. Zu einer Entscheidung, die vor dem Bundesverfassungsgericht hätte angefochten werden können, kam es indessen auch hier nicht. Im Februar 1997 verkündete das klagende Badenwerk, daß es – einer Empfehlung des Oberlandesgerichts folgend – den Musterprozeß nicht weiter betreiben werde (970216). Andere Verfahren verliefen ähnlich ergebnislos. Auch der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs sah 1996 keinen Grund zur Beanstandung des Gesetzes. Pikanterweise begründete er seine Entscheidung mit der damals noch bestehenden Monopolstruktur der Stromversorgung – ein Argument, das vierzehn Jahre nach der "Liberalisierung" des Strommarktes längst entfallen ist (961005).

Wälzungsmechanismus sollte Analogie zum "Kohlepfennig" vermeiden helfen

Die reellste Lösung wäre von Anfang an gewesen, die vom Staat gewünschte Förderung der erneuerbaren Energien auch aus dem Staatshaushalt zu finanzieren. Davor schreckten die Politiker aber zurück, weil sie gerade erst die Stromsteuer erfunden hatten, die von der damaligen rot-grünen Regierung als "ökologische Steuerreform" verpackt wurde (siehe Hintergrund)). Diese Steuer belastete hauptsächlich Haushalte und Kleingewerbe, während Großverbraucher weitgehend verschont blieben. Erst als die EU-Kommission eine verbotene Beihilfe witterte, wurde der vergünstigte Steuersatz für das Produzierende Gewerbe, der bei rund zwanzig Prozent des Regelsteuersatzes gelegen hatte, auf sechzig Prozent angehoben (021102). Die Anhebung traf jedoch allenfalls kleine Betriebe, denn über den sogenannten Spitzenausgleich erhielten die meisten Unternehmen weiterhin die so errechnete und abgeführte Steuer weitgehend zurück. Für die normalen Letztverbraucher gilt bis heute der 2003 erreichte Höchstsatz von 2,05 Cent pro Kilowattstunde (021102).

Man hätte anstelle der Stromsteuer auch eine andere Steuer nochmals erhöhen können, um die Erneuerbaren-Förderung zu finanzieren. Aber beides wäre wohl schwerer durchsetzbar gewesen als die Neuerfindung des Kohlepfennigs in Gestalt des seit dem Jahr 2000 geltenden Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Damit die Sache dennoch einen anderen Anstrich bekam und sich vom Kohlepfennig unterschied, wurde die im Stromeinspeisungsgesetz festgelegte Abnahme- und Vergütungsverpflichtung der Stromversorger zu einer "bundesweiten Ausgleichsregelung" umgestaltet. Ein komplizierter Wälzungsmechanismus sollte garantieren, daß der subventionierte Strom auch tatsächlich beim Letztverbraucher ankam – auch wenn die "physische" Weiterleitung des EEG-Stroms eher das Ergebnis von Rechenkünsten und und juristischer Spitzfindigkeit war. Den Verbraucher interessierte das Prozedere ohnehin nicht. Immerhin war damit aber der Absatz des EEG-Stroms zu Kosten garantiert, die der Höhe der Einspeisungsvergültungen entsprachen.

Vier Textilunternehmen wollen notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht klagen

Der seit 2010 geltende neue Ausgleichsmechanismus hat diesen Zusammenhang aufgelöst. Spätestens seitdem unterscheidet sich das EEG nicht mehr wesentlich vom Kohlepfennig. Durch die diversen Möglichkeiten der "Vermarktung" des erzeugten Stroms zu Lasten der Stromverbraucher ist es sogar noch angreifbarer geworden. Aus einer zielgerichteten Abgabe zur Förderung der regenerativen Stromerzeugung ist das EEG immer mehr zu einem allgemeinen Instrument der Energiepolitik geworden, bei dem kein Mensch mehr so richtig übersieht, was eigentlich passiert, wenn man an der einen Stellschraube dreht oder es an der anderen unterläßt. Die herrschende Konfusion widerspiegelt sich auch in der Großen Anfrage der SPD an die Bundesregierung zu den Kosten der "Energiewende", die zu einem erheblichen Teil aus Fragen zum EEG besteht (120701). Dreh- und Angelpunkt ist bei alldem der neue "Ausgleichsmechanismus", der die physische Weiterleitung des erzeugten EEG-Stroms an die Stromversorger beseitigt und durch diverse Methoden der "Vermarktung" ersetzt hat.

Deshalb haben nun – ähnlich wie vor 17 Jahren die Stromversorger nach dem Kohlepfennig-Urteil – vier Unternehmen des Zentralverbands Textil und Mode unter Berufung auf das Gutachten des Staatsrechtlers Manssen die Zahlung der EEG-Umlage verweigert. Sie wollen einen Musterprozeß bis hin zum Bundesverfassungsgericht erreichen. Bei allen vier Unternehmen liegt der Strombedarf deutlich über der Schwelle von 1 GWh. Dennoch profitiert in diesem Jahr nur eines von der Härtefallregelung. Die drei anderen erfüllen das zusätzliche Kriterium nicht, daß die Stromkosten mindestens 14 Prozent der Bruttowertschöpfung ausmachen müssen. Zwei liegen mit 10 Prozent aber nicht allzuweit unter dieser Schwelle.

Die Textilunternehmen stehen in einem besonders harten Wettbewerb mit der ausländischen Konkurrenz. Sie empfinden deshalb das 14- Prozent-Kriterium als unzumutbaren Klotz am Bein. Zum Beispiel beziffern die Schmitz-Werke in Emsdetten die dadurch entstehende Zusatzbelastung auf monatlich 40.000 Euro. Das sind im Jahr fast eine halbe Million. Für Mittelständler ist das eine ganz schöne Summe. An der Schwelle von 1 GWh – so willkürlich sie ist – würden dagegen nur wenige Betriebe der Branche scheitern.

Das EEG wurde inzwischen so malträtiert, daß ihm ein gnädiger Tod fast zu wünschen wäre

Wie geht es weiter? – Ein Szenario könnte so aussehen, daß daß "marktgerecht" deformierte EEG tatsächlich irgendwann den "break even point" erreicht, wie die Erfinder des neuen Ausgleichsmechanismus noch immer hoffen, und die EEG-Umlage wieder rückläufig wird. In einem anderen Szenario wird es vom Bundesverfassungsgericht wie der Kohlepfennig in den Orkus geschickt. Das würde wahrscheinlich dieselben Leute freuen, denn sie würden damit endlich freie Bahn bekommen, um die Förderung der erneuerbaren Energien im Sinne der Stromkonzerne (100408), der EU-Kommission (080207) oder neoliberaler Wirtschaftsprofessoren (090308) umzufunktionieren. Schon im März 2004 hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium in einem Gutachten behauptet, infolge der Einführung des Handels mit Emissionszertifikaten werde das EEG "höchst ineffizient" und müsse "im Interesse von ökonomischer Rationalität und ökologischer Vernunft abgeschafft werden" (040304).

Inzwischen dürfte klar sein, daß sich der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium mit dieser Forderung und Prognose ziemlich blamiert hat. Denn während das EEG die Stromproduktion aus erneuerbaren Energiequellen enorm vorantrieb, zeigte der Emissionshandel bisher nicht die mindeste Wirkung (120203). Das EEG war sogar so erfolgreich, daß Netzausbau und Speichermöglichkeiten mit der Einspeisung nicht Schritt hielten. Diese Netz- und Speicherprobleme sind aber keinesfalls dem EEG vorzuwerfen, wie das neuerdings oft geschieht, wenn die finanziell wie technisch nicht mehr zu bändigenden Einspeisungen aus Wind- oder Solarstrom an den Pranger gestellt werden. Diese Probleme gehen vielmehr auf das Konto der seit 1998 betriebenen "Liberalisierung", die mit den integrierten Stromversorgern auch die Gesamtveranwortung für Erzeugung, Netz und Vertrieb beseitigte. Das EEG ist sozusagen zum Opfer seines eigenen Erfolgs geworden – und zum Opfer von Marktideologen, die das EEG inzwischen so malträtiert haben, daß ihm ein gnädiger Tod fast zu wünschen wäre.

 

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