Oktober 2009

091001

ENERGIE-CHRONIK


Die neue Regierung ist zur Verlängerung der KKW-Laufzeiten "bereit"

Die neue Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP sieht in der Kernenergie eine "Brückentechnologie, bis sie durch erneuerbare Energien verläßlich ersetzt werden kann". Sie ist deshalb "bereit, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards zu verlängern". So lautet die Formulierung zur Revision des Atomausstiegs im Koalitionsvertrag, den die drei Parteien am 26. Oktober unterzeichneten (siehe Wortlaut).

Die Formulierung ist als Verhandlungsangebot an die Kernkraftwerksbetreiber zu verstehen, die als Gegenleistung für die Verlängerung der Laufzeiten einen "Vorteilsausgleich" erbringen müssen, der vor allem den erneuerbaren Energien zugute kommen soll. Eine Renaissance der Kernenergie wird es aber auch unter der neuen schwarz-gelben Regierung in Deutschland nicht geben. "Das Neubauverbot im Atomgesetz bleibt bestehen", heißt es ausdrücklich im Koalitionsvertrag.

In den ersten Entwürfen des Koalitionsvertrags stand noch, die Regierung werde die Laufzeiten verlängern. Die Abschwächung zur bloßen "Bereitschaft" erfolgte anscheinend, um nicht unnötigerweise Vorleistungen gegenüber den Energiekonzernen zu erbringen und damit die eigene Position bei den Verhandlungen über den "Vorteilsausgleich" zu schwächen.

Weder das mögliche Ausmaß der Laufzeitverlängerung noch die Höhe des "Vorteilsausgleichs" sind bisher näher bestimmt. Obwohl im Koalitionspapier von einer "möglichst schnell zu erzielenden Vereinbarung" die Rede ist, dürfte sich daran so schnell nichts ändern, denn die neue Regierung will "spätestens innerhalb des nächsten Jahres ein neues Energiekonzept vorlegen, das szenarienbezogen Leitlinien für eine saubere, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung formuliert". Eine Vereinbarung mit den KKW-Betreibern würde dieses neue Energiekonzept vorwegnehmen. Zumindest bis zu den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, die am 9. Mai 2010 stattfinden, wird deshalb nicht mit einer abschließenden Einigung gerechnet.

Kernkraftwerksbetreiber stehen bei Verhandlungen unter Zeitdruck

Bei den bevorstehenden Gesprächen sitzt den Kernkraftwerksbetreibern die Zeit im Nacken. Die Reaktoren Biblis A und B, Neckarwestheim 1 und Brunsbüttel hätten schon jetzt ihr Betriebsstunden-Kontingent ausgeschöpft, wenn sie voll am Netz gewesen wären. Nur mit Hilfe ungewöhnlich langer Stillstände und anderer Tricks war es den Betreibern gelungen, eine endgültige Abschaltung während der 16. Legislaturperiode zu verhindern. In der jetzt begonnenen 17. Legislaturperiode kommt als weiterer Stillegungs-Kandidat zumindest Isar 1 hinzu. Auch bei Philippsburg 1 und Unterweser ist das Restpolster sehr dünn.

Notfalls können die Kernkraftwerksbetreiber aber nun damit rechnen, daß der neue Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) im Einvernehmen mit Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einem Antrag auf Laufzeitverlängerung durch Übertragung von einem jüngeren auf ein älteres Kernkraftwerk stattgegeben wird. Zu Zeiten der schwarz-roten Koalition hatte das SPD-geführte Umweltministerium alle Anträge dieser Art für Biblis A (070303, 080401), Brunsbüttel (070608) und Neckarwestheim 1 (080604) abgelehnt.

Gorleben ist wieder klarer Favorit für die Endlagerung

Die hochradioaktiven Abfälle, die durch die Verlängerung der KKW-Laufzeiten in noch stärkerem Maße anfallen, will die neue Bundesregierung im Salzstock Gorleben endlagern. Laut Koalitionsvertrag wird sie "das Moratorium zur Erkundung des Salzstockes Gorleben unverzüglich aufheben, um ergebnisoffen die Erkundungsarbeiten fortzusetzen" (siehe Wortlaut). Die Aufhebung des im Jahre 2000 verfügten Moratoriums (000601) ist dabei mehr Formsache, da es ohnehin auf längstens zehn Jahre befristet war. Den neuerdings wieder auftgetauchten Zweifeln an der Eignung Gorlebens (090908, 090808) will sie dadurch begegnen, daß eine international besetzte Gruppe von Sachverständigen die Einhaltung der "neuesten internationalen Standards" bescheinigt. Zur Überwindung der nach wie vor bestehenden Widerstände bei der betroffenen Bevölkerung verspricht sie ferner "einen gerechten Ausgleich für die betroffenen Regionen, die eine im nationalen Interesse bedeutsame Entsorgungseinrichtung übernehmen".

Energiekonzerne sollen nun doch für die Sanierung von Asse II zahlen

Die Endlager Asse II und Morsleben, für die bisher nur ein Einlieferungsstopp besteht, sollen endgültig geschlossen werden. An den enormen Kosten für die Sanierung des ehemaligen "Forschungsbergwerks" Asse, das erst seit ein paar Monaten offiziell als Endlager gilt, sollen nun doch die "Energieversorger" beteiligt werden. Das ist insofern bemerkenswert, als es gerade die Bundesratsmehrheit aus Union und FDP war, die bei der Formulierung des Asse-Paragraphen im Atomgesetz (§ 57b AtG) die Übernahme sämtlicher Kosten durch den Bund durchgesetzt hatte (090203).

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